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Englands Gärten Florale Schätze aus dem Barock

Geschichtsschreibung ist manchmal ungerecht. So ist eine Frau in Vergessenheit geraten, die maßgeblich an der Entstehung der Englischen Gärten beteiligt war: Mary II. von England.
19.07.2025, 17:00 Uhr
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Florale Schätze aus dem Barock
Von Marie-Chantal Tajdel

Mary – wer? Wenn es um die Englischen Gärten geht, kommt man an Mary II., Königin von England, Irland und Schottland (1662–1694), nicht vorbei. Eigentlich. Denn trotzdem ist sie eher unbekannt. Dabei hat sie gemeinsam mit ihrem niederländischen Mann, William III., den englischen Gartenbau maßgeblich verändert. Viele der berühmten englischen Schlossgärten, die heute für ihre formale Gestaltung bekannt sind, wurden in ihrer Regentschaft angelegt oder umgestaltet. Ein Beispiel dafür ist Hampton Court Palace, im äußersten Südwesten Londons, idyllisch an der Themse gelegen.

Doch seine Bedeutung erlangte Hampton Court Palace zunächst durch einen anderen Monarchen: durch Heinrich VIII. In diesem Palast spielte sich das Drama seiner sechs Ehefrauen ab. Anne Boleyn und Catherine Howard wurden beide dort verhaftet. Außerdem gilt Hampton Court Palace als Geburtsort der Kirche von England. Denn als der Papst sich weigerte, die Ehe von Heinrich VIII. und Katharina von Aragon zu annullieren, sagte er sich von der römisch-katholischen Kirche los.

Als der König Hampton Court Palace übernahm, erweiterte und gestaltete er den Palast neu. Noch heute kann man etwa die großen Tudor-Küchen oder die Große Halle mit den beeindruckenden Wandteppichen besichtigen, die er mit verschwenderischer Note ausbauen ließ. Dass die Engländer viel von interessanter Museumsgestaltung verstehen, lässt sich in der Großen Halle erleben. Historische Fakten werden den Besuchern bunt und eingängig an der langen Tafel in kleinen Happen serviert: In einem Jahr wurden am Hof unglaubliche 1240 Ochsen, 8200 Schafe, 2330 Hirsche, 60 Kälber, 1870 Schweine und 53 Wildschweine verspeist. Dazu tranken die Höflinge 600.000 Gallonen Bier und 300 Fässer Wein. Eine Schulklasse aus London ist von diesen Zahlen besonders beeindruckt und fragt, wie viele Menschen denn am Hof versorgt wurden: „900 Menschen lebten hier“, sagt ein Guide, der wie ein Höfling gekleidet ist und eine Samthaube mit Feder auf dem Kopf trägt. Dann zeigt er den Kindern, wie Männer und Frauen den Saal betreten, wenn der König anwesend ist, und wie man richtig knickst. „Ihr macht das richtig gut“, sagt er. „Der König hätte euch in seinen Hofstaat aufgenommen.“

Zur Zeit von Heinrich VIII. (1529–1547) gab es bereits einen Garten, allerdings lässt der sich nicht mit den heutigen Englischen Gärten vergleichen. „Der war eher zur Bespaßung des Königs und seiner Gäste gedacht“, erzählt Trish bei der Historischen Gartentour. Es gab Bowlingbahnen, Tennisplätze und einen Tierpark mit Hirschen. „Auch heute sieht man hier noch Hirsche, die von denen aus der Zeit von Heinrich VIII. abstammen“, sagt die Gartenführerin.

Die Themse war verdreckt

Zu seiner Zeit gab es außerdem eine sogenannte Wassergalerie an der Themse. Denn mit dem Schiff von der Londoner Innenstadt bis zum Hampton Court Palace benötigten Gäste des Königs bis zu sieben Stunden. Um Heinrich VIII. nicht in ihrer Reisekleidung unter die Augen zu treten, konnten sie sich dort frisch machen und neu ankleiden. Das war auch nötig, denn die Themse war verdreckt und galt als ekelhaft. Bis ins 17. Jahrhundert kamen die Besucher ausnahmslos über den Fluss zum Palast.

Beinahe 80 Jahre später wollte Charles II. einen Kanal in den Garten integrieren, musste aber einen anderen Bachlauf einbinden, denn die Themse stank und sollte den Park nicht verunreinigen. Den Kanal schütteten Mary und William schließlich wieder zu und ließen stattdessen als Teil ihrer Barockarchitektur 13 Springbrunnen bauen. „Das gab es noch nie zuvor in einem Garten in England“, berichtet Trish. „Die Menschen kamen von überall her, um sich diese Bauwerke anzusehen.“ Allerdings gab es eine kleine Misere: Die Springbrunnen funktionierten nicht. Das Königspaar ließ also Ingenieure kommen, die sich des Problems annehmen sollten, doch die Brunnen sprudelten nicht. „Heute weiß man, dass der Wasserdruck fehlte, es gab zu der Zeit keine mechanischen Pumpen.“

2000 Pflanzen in England eingeführt

Mary II. hatte neben der Barockarchitektur vor allem eine große Leidenschaft für exotische Pflanzen. „Sie hat 2000 verschiedene Arten nach England gebracht, die hier zuvor nicht bekannt waren“, sagt Trish. Zu ihren Sammlungen gehörten ebenfalls 1000 Orangenbäume, die ein Symbol für das Haus Oranien ihres Mannes waren.

Angelegt hat das Königspaar außerdem den Großen Brunnengarten mit seinen ikonischen Eiben, die zu ihrer Zeit pyramidenförmig geschnitten waren. Doch andere Regenten kümmerten sich nicht um die Bäume und als Königin Victoria den Park 1838 für die Öffentlichkeit öffnete, waren die Eiben außer Form geraten. Um darunter die in der Viktorianischen Zeit beliebten Blumenteppiche anzulegen, ließ sie die unteren Zweige abschneiden, was zu ihrer heutigen Form führte. Um die Eiben nicht kahlzuschneiden, werden nun nur noch die Spitzen gestutzt. Für diese Arbeit benötigt ein Gärtner etwa einen Tag. Ihre ikonische Form hat aber auch zur Berühmtheit dieser Eiben geführt: Der Große Brunnengarten zählt mittlerweile zu beliebten Drehorten für Filme wie „Die Bridgertons“, „Fluch der Karibik“ oder „Wolf Hall“.

Nach dem Tod von Mary II., die nur 32 Jahre alt wurde, ließ William III. die Wassergalerie einreißen und einen Garten anlegen, um die Themse sehen zu können: Privy Garden wurde in Quadraten mit verschiedenfarbigen Blumen gestaltet. Da der Garten zu hoch angelegt war, wurden die Pflanzen einzeln entnommen, die Erde mehrere Meter ausgehoben und die Gewächse wieder eingesetzt. Oliver Cromwell ließ den Garten erneut ändern. Mittlerweile wurde er restauriert und auf den Stand von 1702 gebracht. Dazu nutzten Landschaftsgärtner ein Röntgenverfahren, um zu überprüfen, an welcher Stelle welche Bäume und Blumen standen. „In diesem Garten sind seither keine Pflanzen mehr erlaubt, die nach 1702 nach England eingeführt wurden“, sagt Trish.

Zur Sache

Gärten in London

Anreise: Von Bremen aus bietet es sich an, mit Ryanair nach London-Stansted zu fliegen. Von dort zunächst mit dem Stansted-Express und dann weiter mit der U-Bahn in die City, am besten mit der Visitor Oyster Card. Sie ist eine praktische Alternative zu Einzeltickets und lässt sich wiederaufladen. Am besten bestellt man die Karte vor Reiseantritt im Shop von Visit Britain unter www.visitbritainshop.com/de.

Unterkunft: Das Riu Plaza London Victoria wurde im Sommer 2023 eröffnet und ist ein modernes Stadthotel mit hellen Zimmern und Blick über Westminster. Wer viel in London unterwegs ist, wird vor allem die zentrale Lage nahe der Victoria Station zu schätzen wissen. Infos: www.riu.com.

Essen: In London sollte man auf alle Fälle eine Tea Time mit Sandwiches, Scones mit Clotted Cream und Marmelade einplanen. Es gibt modernere oder stilecht britische Teehäuser (oft in Hotels). Am besten vorher reservieren. Zuvor reservieren sollte man auch, wenn man eines der Restaurants des israelisch-britischen Kochs Yotam Ottolenghi besucht. Er ist für seine geschmackvolle Levante-Küche bekannt. Infos unter www.ottolenghi.co.uk.

Gärten: Hampton Court Palace im Südwesten Londons war von 1528 bis 1737 die bevorzugte Residenz der englischen Könige. Er gilt als eines der Hauptwerke des Tudorstils und des englischen Barocks und ist bekannt für seine ausgedehnten Gärten. Berühmt ist Great Vine, eine Weinrebe, die 1769 gepflanzt wurde und als die größte der Welt gilt. Der Eintritt zum Palast kostet 28 Pfund, viele Führungen sind kostenlos. Info: www.hrp.org.uk/hampton-court-palace. Der Botanische Garten Kew Gardens beheimatet eine Sammlung mit mehr als 50.000 Pflanzen. Eindrucksvoll sind die viktorianischen Gewächshäuser. Manko: Der Park liegt in der Einflugzone von Heathrow. Es fliegen minütliche Flugzeuge über den außergewöhnlich schönen Park. Die Lautstärke stört.

Infos: www.visitbritain.com/de

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Die Reise wurde unterstützt von Visit Britain und den Riu Hotels.
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