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Floriade Expo 2022 Grüne Städte der Zukunft

Die Floriade Expo stellt die grüne Stadt der Zukunft in den Mittelpunkt ihrer Ausstellung. Da kann sich manche Stadt in Deutschland Anregungen holen - auch Bremen.
16.04.2022, 05:00 Uhr
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Von Martin Wein

Nichts weniger als eine Reise nach Utopia hat Annemarie Gerards-Adriaansens versprochen. Auf dem noch behelfsmäßigen Parkplatz am Ufer des Werwaters bei Almere schaut die Pressesprecherin der Floriade Expo 2022 jetzt aber erst einmal kritisch auf die Sneaker ihrer Besucher. „Ich hoffe, Sie haben auch Gummistiefel im Kofferraum“, sagt sie. Und fügt hinzu: „Schließlich wandeln wir ja unter dem Meer.“

Eine Utopie unter dem Meer also. Das klingt spannend. Gummistiefel finden sich in einem Baubüro. Und die sind in Wahrheit auch nur deshalb vonnöten, weil die siebte internationale Gartenbauausstellung der Niederlande Tage vor ihrer Eröffnung noch ein ziemlich matschiges Baustellenterrain hergibt. Aber ab Gründonnerstag blühen dort nicht nur Hunderttausende Frühlingsblumen auf, sondern auch Ideen für grünende Städte der Zukunft. „Glauben Sie nicht? Sie werden sehen“, sagt Annemarie und stapft voraus.

Ganz Almere ist ein Zukunftsexperiment, das hat vorher bereits Marie-Josée Röselaers in der Tourist-Info erzählt. Die Niederländer hätten sich schließlich ihre jüngste Provinz selbst geschaffen. „Erst ab 1959 wurde hier im Süden des Ijsselmeeres der vierte Polder eingedeicht und acht Jahre lang abgepumpt“, sagt die Architekturexpertin, die zur kurzen Geschichte der Stadt und der gesamten künstlich geschaffenen Provinz Flevoland forscht: 1975 begann der Bau der Stadt auf dem ehemaligen Meeresgrund. 1976 wurde dort das erste Kind geboren. 1983 bekam Röselaers selbst die Schlüssel für ihr Haus mit Garten und zog mit zwei Kindern aus Amsterdam ins Grüne. „Für uns war es ein Paradies“, schwärmt sie. Heute leben in der Stadt bereits 220.000 Menschen. Bald sollen es 350.000 sein, aber eben nicht in einem gesichtslosen Neubaugetto, sondern in vier Stadtteilen mit jeweils eigenem Charakter. Star-Architekt Rem Koolhaas hat bis 2006 ein Geschäftszentrum mit vielen spektakulären Bauten auf ein riesiges Parkhaus gesetzt. In den Straßen gibt es deshalb nicht einmal Lieferverkehr oder eine Müllabfuhr. Der komplette Abfall wird zweimal pro Woche durch ein Leitungsnetz abgesaugt. Vor allem aber hat niemand es weit ins Grüne. Angelegte Wälder und sogar ein Nationalpark auf neuem Land liegen fast in Laufweite. Im neuen Stadtteil Ooster Haut müssen die neuen Bewohner sich sogar verpflichten, einen Teil ihrer Grundstücke für urban farming zu nutzen. Und mittendrin ließ Koolhaas, ein begeisterter Segler, einen riesigen See anlegen, das Werwater (Wiederwasser). „Wo Wasser ist, dorthin kommen Leute“, zitiert ihn Röselaers.

Das gilt umso mehr für die Floriade, deren Organisatoren mit rund zwei Millionen Besuchern rechnen. Wer mit der Bahn, zu Fuß oder mit dem Rad kommt, der setzt aus dem Zentrum mit einem Shuttleboot über das Werwater zum Eingang über. 33 Länder präsentieren in Pavillons und Projektgärten ihre Ideen zum Thema. Der deutsche Pavillon ist beispielsweise aus Holz gezimmert, das später anderswo verbaut werden soll. Mit einem Datenarmband können die Besucher die Stadt der Zukunft mitgestalten. Man kann zum Beispiel mit anderen auf einer Scheibe den Energiemix der Zukunft ausbalancieren. Oder Gemüse von unten beim Wachsen zusehen. Oder erkunden, welche Vorteile ein Waldgarten für die Schwimmstadt der Zukunft bietet. Je nach persönlichem Interesse verändert sich das virtuelle Stadtmodell am Ausgang.

Nebenan hat Qatar ein Taubenhaus aufgestellt, China einen Bambuswald gepflanzt. Im Hintergrund zeigt das Flores-Gebäude mit seinem aufgedruckten Blumenschmuck, dass auch ein Hochhaus überhaupt nicht langweilig sein muss. Im Gewächshaus zeigen die Niederlande auf 10.000 Quadratmetern ihre Gartenbaukünste. Zwei geschwungene Brücken aus Bauabfall der Stadt führen schließlich rüber zur Insel Utopia, wo beispielsweise die Kombination von Forst- und Landwirtschaft artenfreundliche Landnutzung mit hohen Erträgen kombiniert. Über allem schwebt eine urbane Seilbahn als Anregung für den Verkehr der Zukunft über dem künftigen Stadtteil. Hortus (Garten) wird er heißen. Die 3000 gepflanzten Bäume und Sträucher des Floriade-Arboretums werden ihn an allen Straßen begrünen. Auch die Versorgungsleitungen sind bereits verlegt.

Auf der emissionsfreien Rückfahrt mit der Seilbahn zum Parkplatz weitet Annemarie den Blick schließlich auf das große Ganze. „Bis 2050 werden 68 Prozent aller Menschen in Städten leben“, sagt sie. „Deshalb müssen Städte auch Nahrung und Energie liefern und selbst verstärkt Lebensraum auch für Pflanzen und Tiere werden.“ Die Zeit des Entweder-oder sei vorbei. Almere bietet sich als Blaupause dieser Vision an, auch wenn das in der Stadt niemand so sagt.

Was in Flevoland in den vergangenen Jahrzehnten geleistet wurde, versteht man spätestens 50 Kilometer weiter, im Osten der Provinz. Die neue Straße dorthin führt vorbei an wieder vernässten Marschgebieten und der neuen Hauptstadt Lelystad mit der Riesenskulptur Exposure. Schließlich liegen mit Urk und Schokland zwei ehemalige Inseln wie die Buckel gestrandeter Wale mitten im Polder. Ihre Kopfsteinpflastergassen und niedrigen Katen sind wunderbar pittoresk. Aber das Schoklandmuseum erzählt, wie die Bewohner der vom Meer immer weiter abgetragenen Eilande schließlich derart verarmten, dass man im 19. Jahrhundert alle evakuierte. Erst die Zuiderseewerke mit dem Abschlussdeich und vier riesigen Poldern brachten eine Wende. Inzwischen ist die Gegend das größte Anbaugebiet für Schnittblumen im Land. Anfang April blühen Narzissen und Hyazinthen auf riesigen Feldern. Und die Floriade setzt dem ganzen grünen Ensemble nun die Krone auf.

Die Reise wurde unterstützt von Niederländisches Büro für Tourismus und Convention.

Zur Sache

Floriade Expo 2022

Die internationale Gartenbauausstellung
Floriade Expo 2022 ist vom 14. April bis 9. Oktober täglich von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet je nach Saison inklusive einer Seilbahnfahrt 29 bis 35 Euro, für Kinder von vier bis zwölf Jahren 19 bis 23 Euro, Kleinkinder sind frei. Anreise von Bremen mit dem Auto über die A 1 oder mit der Bahn bis Almere Stad, dann mit dem kostenlosen Shuttleboot über das Werwater.

Adresse: Veluvezoom 15a, 1300 AB Almere.

Weitere Infos unter www.floriade.com und www.visitflevoland.nl/de.

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