Ein Tropfen. Kann das sein? Da, noch einer. Es regnet auf Porto Santo. Wobei, es ähnelt eher einem feinen Niesel. Auf der Insel im Atlantik ist Regen rar. Angeblich nur an fünf Tagen im Jahr gibt es Niederschlag, berichten die Einheimischen. Heute ist so ein Tag. Zum Glück ist der Niesel nach einer Viertelstunde wieder vorbei. Es lohnt sich kaum, das Badetuch wieder einzurollen.
Die ganzjährig milden Temperaturen, die vielen Sonnenstunden und der weite Strand, der sich neun Kilometer an der Südküste entlang zieht, machen Porto Santo, den „Heiligen Hafen“, zu einem Paradies für Sonnenanbeter. Die Insel bietet aber nicht nur Sonne satt, sondern auch viel (Erd-)Geschichtliches, sie ist ein Juwel für Geologen und alle, die Steine lieben. Außerdem ist sie eng mit der Geschichte der großen Entdecker verknüpft – allen voran Christoph
Kolumbus, der eine Frau von Porto Santo heiratete und dort zwei Jahre lebte.
Zufällige Entdeckung
Aber von vorn: 1418 wurde das Eiland entdeckt. Das geschah eher zufällig, Sturm und Strömung ließen portugiesische Seefahrer dort stranden. Die Insel ist alt, 27 Millionen Jahre, um genau zu sein. Und obwohl sie nur 43 Seemeilen nordöstlich von Madeira liegt, der Insel, die für ihre überbordende Vegetation bekannt ist, glaubt man sich auf Porto Santo in einer anderen Welt. Vielleicht sogar auf einem anderen Planeten. Die karge Insel vulkanischen Ursprungs besteht aus Stein, Lava und Lehm, aus Korallen, Muscheln und gelbem Sand. Flüsse gibt es nicht. Einst sprossen dort Drachenbäume und Wacholderbüsche. Die ersten Siedler nutzten die ebenen Flächen Porto Santos für die Viehhaltung und rodeten den Boden, der erodierte.

Porto Santo gehört zum Madeira-Archipel und ist etwa 43 Seemeilen von der Schwesterinsel entfernt. Weil es auf Porto Santo kaum regnet, gibt es wenig Vegetation.
Carla Sofia Santos lebt auf Porto Santo und ist dort groß geworden. Sie hat Geologie studiert und arbeitet nun in der Tourismusbranche. Mit dem Jeep fährt sie Gäste zu den Sehenswürdigkeiten der Insel, die nur sechs Kilometer breit und elf Kilometer lang ist. „Es ist mein Zuhause, hier werde ich bleiben“, sagt sie.
Von dem Aussichtspunkt Portela an der Ostspitze hat man einen grandiosen Blick über die Insel, auf den Hafen, die im Meer schaukelnden Segelboote, den lang gezogenen Strand und auf den Pico de Facho, den mit 517 Metern höchsten Berg. In vergangenen Zeiten entzündete man dort Fackeln, um vor dem Nahen feindlicher Schiffe zu warnen. Es gab immer wieder Überfälle von Piraten und anderen Aggressoren. Nur einen Katzensprung entfernt befindet sich ein altes Haus aus Stein und Lehm, das zu einem Heimatkundemuseum umfunktioniert wurde. „In so einem Haus haben früher auch meine Großeltern gewohnt“, erzählt Santos.
Obst, Gemüse und Naturschwimmbecken
Die Siedler lebten einst unter schweren Bedingungen. Landwirtschaft zu betreiben, war wegen der Wasserknappheit schwierig. Also legten die Siedler Terrassenfelder an, um Gemüse, Obst und Getreide anzubauen. „In höheren Lagen funktionierte das wegen der feuchteren Luft und des Taus“, erläutert Santos. Die Menschen bauten Brunnen, das Wasser aus den Tiefen des Bodens schmeckte salzig.

Ein Paradies für Geologen: Die Dünen von Porto Santo sind während der letzten Eiszeit entstanden. Ihr gelber Sand besteht aus feinen Partikeln von Korallen, Muscheln und Seeigeln.
Santos wirft mit ihren Gästen oberhalb der Westküste einen Blick auf die Naturschwimmbecken des Porto das Salemas, die bei Ebbe und ruhiger See türkisgrünes Wasser zurückhalten und in denen Einheimische sowie Touristen gleichermaßen baden gehen. Besonders beeindruckend sind die Dunas de Porto Santo. Die Dünenlandschaft ist vor Tausenden von Jahren entstanden, als während der Eiszeit der Meeresspiegel sank und Korallen freilegte. Der Wind trugt sie nach und nach ab, es bildeten sich gigantische Ablagerungen und auf der anderen Seite der Insel der lange gelbe Strand. Die Dunas de Porto Santo gelten als ein einzigartiges Ökosystem im Madeira-Archipel. Ebenfalls einzigartig sind die prismatischen Basaltformationen am Südhang des Pico de Ana Ferreira, im Volksmund auch „Klavier“ genannt. „Die Kinder lernen hier ganz nebenbei Geologie. Sie sehen die Geschichte ihrer Insel an der Sedimentation, an den Magmaformationen und Dünenlandschaften. Sie experimentieren auch mit dem Sand“, erläutert Santos. Der Sand reagiert mit Zitronensaft und Schweiß, er ist karbonhaltig und hat therapeutische Eigenschaften. Perfekt geeignet im Übrigen für Hautpeelings.
Man kennt sich auf der Insel
Heute zählt die Insel knapp 5500 Einheimische. „Ich kenne alle Einwohner“, sagt Santos. So viele waren es nicht immer, vor allem junge Menschen verließen die Insel und suchten ihr Glück anderswo. Die Bedingungen auf Porto Santo waren zu begrenzt. „Das änderte sich, als wir 1980 eine Anlage zur Meerwasseraufbereitung bekamen“, berichtet die Gästeführerin. Gegenwärtig stammt das gesamte Wasser für Menschen und die Landwirtschaft aus dieser Anlage. Sie ist die einzige Trinkwasserquelle, die für die öffentliche Versorgung der Insel genutzt wird. Seit 2019 reicht die Kapazität aus, um den Bedarf der Einwohner zu decken, deren Zahl in den Sommermonaten auf fast 20.000 steigt.

Am südlichsten Zipfel des Strandes ist es ruhiger und felsiger als am Strand vor den Hotelanlagen. Ganz in der Ferne ist Madeira zu erkennen.
Wer einmal dort war, kommt immer wieder, so die Erfahrung von Santos. Gäste bleiben drei, vier Tage oder eine Woche, sie schlendern durch die gemütliche Altstadt von Vila Baleira mit Weinbars, Restaurants und Plätzen, die mit schwarzen und weißen Lavasteinen ausgelegt und von Palmen und Blumen gesäumt sind. „Hier geht das so: Entspanne dich und lächele“, beschreibt die Gästeführerin. Viele Touristen kommen zum Sonnenbaden und Auftanken im Sommer auch von der Schwesterinsel Madeira herüber, wo es kaum Strände gibt. Sie setzen mit der Fähre über oder nehmen das Flugzeug. In den 1960er-Jahren wurde auf Porto Santo von der Nato ein kleiner Flughafen gebaut. Die Flugzeit von Madeira beträgt lediglich 20 Minuten.

Unten, wo die Wellen brechen, entstehen bei Niedrigwasser und ruhiger See Naturschwimmbecken. Der Porto das Salemas ist bei Einheimischen und Touristen gleichermaßen beliebt.
Porto Santos Verantwortliche bemühen sich, die Touristenzahlen auf maximal 5000 zu begrenzen. Um Gäste werben sie etwa mit dem Golfplatz, dessen Seen mit geklärtem Abwasser gefüllt und dessen Greens und Fairways damit bewässert werden. Zwischen Mai und Oktober locken sie mit zahlreichen Veranstaltungen wie dem Beachhandball-Turnier oder dem dreitägigen Kolumbus-Festival. Jeweils im September kehrt der berühmte Entdecker mit seinem Schiff „Santa Maria“ auf die Insel zurück. Am Pier und am Strand von Vila Baleira versammeln sich die Menschen, um ihn zu begrüßen. Die Theatergruppe von Porto Santo probt monatelang für das Ereignis. Es gibt Straßenkunst, Musik und Klamauk, Stände mit Essen und Kunsthandwerk in den Gassen. „Wer weiß, ob Kolumbus nicht von hier aus seine großen Reisen geplant hat?“, sagt Santos. Die Insel scheint jedenfalls wie geschaffen dafür.