Als Abdul seinen Jeep über die steile Kante der hohen Sanddüne kippen lässt, ist kein Halten mehr – beim Wagen nicht und auch nicht bei den johlenden Passagieren. Unaufhaltsam rutscht der Jeep mit dem Wüstensand nach unten, der flachen Ebene und damit auch dem Meer entgegen. Die arabische Halbinsel Katar ist im stetigen Wandel. Wo heute Sand ist, war früher sattes Grün und was Halbinsel ist, war vor Urzeiten eine Insel. Die Kultur der Kataris hat darin ihre tiefen Wurzeln.
„Passiert nichts“, sagt Abdul schmunzelnd. Der Pakistani ist seit 25 Jahren im Land und stolz darauf. „Als der Irak-Krieg ausgebrochen ist, sind alle Gastarbeiter aus Katar geflohen. Nur die Pakistanis sind dageblieben. Katar ist unsere Heimat. Die mussten wir doch verteidigen“, erzählt der 53-Jährige. Mit ein Grund, warum Polizei und Militär in Katar heutzutage überwiegend aus pakistanischen Bürgern bestehen, statt aus Kataris. Tatsächlich wäre das auch zahlenmäßig gar nicht möglich, denn in Katar sind nur knapp zehn Prozent der 2,7 Millionen Bewohner wirklich Einheimische. 90 Prozent sind zugewanderte Arbeitskräfte.
Wer einmal eine Auszeit braucht, muss nicht lange fahren: Banana Island liegt direkt vor der Küste von Doha und ist in nur 20 Minuten bequem mit der Fähre zu erreichen. Der fast einen Kilometer lange Sandstrand lockt zum perfekten Badeurlaub für einen Tag oder länger.
Auszeit auf der Insel
Tatsächlich lohnt sich ein ausgedehnter Aufenthalt auf der Insel und ist sehr gut mit dem Trip nach Doha kombinierbar. Ist die katarische Hauptstadt ein quirliger Hotspot, so ist das Anantara Resort auf Banana Island das genaue Gegenteil davon. Strandvillen mit eigenem Pool, das großzügige Spa, sage und schreibe neun verschiedene Restaurants von arabisch über italienisch bis asiatisch, Wassersport in allen Facetten, ein Kino und der allgegenwärtige Panoramablick auf die Skyline von Doha machen den Aufenthalt zu einem entspannten Vergnügen – abgesehen von dem attraktiven Golfplatz und dem Tennisplatz auf der Insel.

Die Skyline von Doha ist der hypermoderne Teil Katars: Perlen sind in der Region das geschichtliche Erbe der Perlenfischerei. Sie finden sich oft als Motiv, wie hier eingebettet in der Fassade eines Hochhauses.
Da die Insel in der Nähe zu Dohas Attraktionen wie der kilometerlangen Strandpromenade Corniche mit Restaurants, Geschäften und Bars oder der Altstadt Souq Waqif liegt, kann man von dort Stadtausflüge planen. Mit der Fähre ist alles superschnell und bequem zu erreichen. Der Einkaufsbummel im Souq ist ein Erlebnis zwischen Weihrauchduft, Wasserpfeifenqualm, Dattelgeschmack, Glitzerschmuck und kulinarischen Orientgenüssen. Zurück auf Banana Island lässt man die Eindrücke dann auf eine Art nachwirken: ganz in Ruhe.
Wer mehr von Katar kennenlernen möchte: Verfahren kann man sich in dem Land kaum. Es ist von Nord nach Süd nur 180 Kilometer lang und maximal 85 Kilometer breit. Selbst, wer immer an der Uferkante des Meers entlangfährt, sieht alsbald eine beeindruckende Silhouette im flimmernden Wüstendunst am Horizont auftauchen. Was im ersten Moment wirkt wie eine Fata Morgana, sind die Wolkenkratzer von Doha – der Hauptstadt von Katar. Dort pulsiert das Herz des arabischen Staates. Von den 2,7 Millionen Menschen, die im gesamten Land wohnen, leben knapp 960.000 von ihnen in und um Doha. Und diese Stadt schläft nie.
Doha vibriert – auch nachts
Selbst morgens um zwei Uhr sind zwischen den glasspiegelnden Wohn- und
Bürotürmen alle Menschen irgendwie auf dem Weg irgendwo hin. Gerade so, als ob sie den glitzernden Lichtern der beleuchteten Wolkenkratzer, der Straßenlaternen und Leuchtreklamen, der Taxen, Lastwagen und Nobel-Limousinen wie auf ein geheimes Kommando hin folgen würden. Doha vibriert, doch in der Vibration gibt es erstaunliche Orte der Stille und Einkehr, wo sich Geschichte, Realität, Kultur und Konsum die Hände reichen.

Auch heute noch ein gängiges Verkehrsmittel in Katar: das Dromedar.
Das katarische Nationalmuseum ist so ein Ort. Wie erstaunlich, zu erfahren, dass Katar vor Jahrtausenden noch grün war, und dass eine Klimaveränderung die Wüste erschaffen hat, weil sich die Regengrenze des Monsuns plötzlich verschoben hat. Beduinen, Kamele, Zelte in der Wüste, Nomadenvölker, Viehzucht in der kargen Einöde – alles das hat sich erst dadurch entwickelt. Ebenso wie die Perlentaucherei. Die wirtschaftliche Entscheidung von der Wüste ins Wasser hat das Land und seine Perlen weltberühmt gemacht – auch wenn es heutzutage nur noch einen einzigen Perlentaucher im rüstigen Seniorenalter in Doha und ganz Katar gibt.

Hingucker innen und außen: das Nationalmuseum von Katar.
Katar ist wie ein Land aus 1001 Nacht, das immer wieder neu aufersteht. In den 1930er-Jahren brach die Perlenwirtschaft wegen der Konkurrenz von Zuchtperlen zusammen. Erdöl wurde vor der Küste gefunden und zur neuen Einnahmequelle. Inmitten der weltweiten Diskussion um die Endlichkeit von fossilen Brennstoffen entdeckten Ingenieure in den 1980er-Jahren das weltweit größte Erdgasfeld der Welt in Katar. Heute ist das Land der weltgrößte Importeur von Gas und Flüssiggas. Dieser Reichtum spiegelt sich im wahrsten Sinne des Worts in der glitzernden Architektur und Lebensweise wider. Doch die Verbindung zur Natur ist immer noch da.

Die Kataris legen Wert auf Tradition, wie dieser Mann mit einem Falken.
Falknerei, Kamelzucht, Zeltübernachtungen in der Stille der Wüste, Fischerei mit historischen Dhow-Booten, Tauchen und Schnorcheln im Meer – alles das findet ganz selbstverständlich in Katar neben hochmotorisierten Sportwagen, spiegelnden Hochhausfassaden, Luxusjachten und Jetset-Leben statt. Kein Wunder, sind doch die Gewässer rund um die Halbinsel für ihren marinen Reichtum inklusive Korallenriffen bekannt. Delfine, Meeresschildkröten, Pottwale und sogar Seekühe gibt es vor der Küste zu sehen.
Katar ist und bleibt ein Inselstaat innerhalb der arabischen Staatengemeinschaft – gerade deshalb, weil die heutige Halbinsel viele Jahrtausende zurück tatsächlich mal eine Insel war. Erst durch eine Anhebung des Meeresbodens ist die heutige Struktur entstanden. Zu sehen ist das immer noch deutlich an den Salzsümpfen als natürliche Abgrenzung zur arabischen Halbinsel. Dort fließt bei Hochwasser auch manches Mal noch das Wasser hinein und hinterlässt mitten in der Wüste große Seen aus Salzwasser.
Für Abdul der perfekte Zeitpunkt, mit dem Jeep wasserspritzend und mit Vollgas durch den flachen See zu fahren. „Passiert nichts“, sagt er lachend und muss es ja wissen. Immerhin macht er die Touren seit 20 Jahren. Diese Wüste ist irgendwie seine Wüste und Sand ist Sand – auch, wenn dort vor rund 7000 Jahren ein grüner Wald gestanden hat.