Verehrte Leserinnen und Leser, hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mir Ihren Garten anschaue? Nicht den Vorgarten, den sehe ich ja bereits von der Straße aus. Ach, da fällt mir gerade ein, ich frage Sie gar nicht, ich gehe einfach so in Ihren Garten. Dort mache ich ein schönes Picknick (den Müll lasse ich natürlich bei Ihnen), trample ein paar Blumen nieder und verscheuche Ihren Hund oder die Katze. Zwischendurch mache ein paar schöne Fotos und stelle sie online – und dann warten wir mal ab, ob ein paar Influencer kommen und ihren ikonischen Garten ebenfalls fotografieren wollen. Ist dann zwar doof für Sie, weil ich Ihren Garten verwüstet habe, aber irgendwas ist ja immer.

Ok, ich gebe zu, das war etwas übertrieben, aber ganz ähnlich fühlen sich Almbauern in den Südtiroler Alpen. Denn dort locken landschaftliche Highlights wie der Berg Seceda, der Pragser Wildsee oder das Drei-Zinnen-Gebirge täglich Hunderte Touristen an. Viele kommen lediglich, um ein hübsches Foto zu machen, an Ausrüstung und Erfahrung in den Bergen mangelt es ihnen allerdings oftmals.
Nun wehren sich die Almbesitzer: Sie haben letzte Woche am Seceda ein symbolisches Drehkreuz aufgebaut. Ihre Aktion wollten sie ausdrücklich als Protest verstanden wissen. Denn wo früher nur ein, zwei Wanderer am Tag ihren Privatgrund nutzten, sind es heute Hunderte. Viele Menschen überqueren unerlaubt Wiesen, radeln über Felder, erschrecken Weidetiere, machen ein Picknick und lassen ihren Müll nachher liegen. Der Run hat Folgen für die Bauern: Denn die werden immer häufiger nach Unfällen mit dem Weidevieh oder Stürzen verklagt. Dass sie sich jetzt wehren, ist verständlich. Nun versuchen Alpenvereine, eine Lösung zu finden und schlagen eine bessere Besucherlenkung oder Alternativrouten vor. Gar nicht schlecht, ich könnte mir auch vorstellen, in Nachbars Garten zu wüten.