Eigentlich ist Kathleen Koch davon ausgegangen, die Entscheidung würde ihr nach einem Tag Bedenkzeit weniger schwerfallen. Sie dreht sich auf dem kleinen Podest, blickt abwechselnd in den Spiegel und dann wieder zu ihrer Trauzeugin. Was sie sieht, ist eine Braut, ganz klar, und eine sehr schöne noch dazu. Das lange weiße Kleid ist trotz der Schlichtheit, oder gerade deswegen, ein echter Hingucker. Der schwere Stoff wirkt edel, der Rückenausschnitt ist auch ein bisschen sexy. Doch das ist nicht die einzige Option, die Koch hat. An der Kleiderstange im Nebenzimmer hängt noch ein weiteres Modell, das es ihr angetan hat. Das Material ist fließender und etwas leichter. Für eine Hochzeit im Sommer vielleicht die bessere Variante? Die 44-Jährige seufzt, verlässt kurz den Raum, um in das andere Kleid zu schlüpfen. Dann geht das Spiel von vorne los.
Ladeninhaberin Carmen Heinrich kennt Situationen wie diese. In einem Einfamilienhaus in Bremen-Nord hat sie auf zwei Etagen ein Paradies für zukünftige Bräute geschaffen. „Dein Kleid“ hat sie ihr Geschäft genannt. Und bis das gefunden ist, kann es manchmal eben dauern. Koch und ihre Trauzeugin waren am Vortag schon mal da, haben in den vergangenen drei Wochen bereits zwei andere Brautmoden-Boutiquen abgeklappert. „Ich hatte ursprünglich ganz andere Vorstellungen“, sagt Koch. „Viel Spitze sollte es sein, gerne auch etwas Ausgestelltes. Ein bisschen wie Kaiserin Sissi. Aber darin habe ich mich verkleidet gefühlt.“ Mit jeder Anprobe kristallisierte sich schließlich heraus, etwas Schlichteres muss her.
Monatelange Lieferzeiten
Am Ende sind die zwei besagten Kleider in der engeren Auswahl. Carmen Heinrich zeigt an beiden Varianten nun verschiedene Gürtel, die einen Akzent setzen sollen. Gold und glänzend oder Silber und glitzernd – nun auch das noch. Als zukünftige Braut hat man es nicht leicht, so viel steht fest. Der Auserwählte kriegt von der Aufregung zum Glück kaum etwas mit. Er wohnt in Salzburg, erzählt die Bremerin. Dort wird auch die Hochzeit stattfinden, samt standesamtlicher Trauung in einem Schloss. Kein Wunder also, dass der Druck groß ist.
Im Mai beginnt traditionsgemäß die Hochzeitssaison, die sich bis in den September hineinzieht. Die meisten Bräute, die in den kommenden Wochen und Monaten heiraten, haben ihr Kleid zum jetzigen Zeitpunkt schon gefunden. Einige Hersteller haben mehrere Monate Lieferzeit, teilweise kann es bis zu einem Dreivierteljahr dauern. Kathleen Koch braucht ihr Kleid jedoch schon Ende Juli – einige Stücke kamen für sie deshalb gar nicht mehr infrage. Eigentlich zählen dazu auch ihre beiden Favoriten. Doch gelegentlich macht Heinrich in solchen Fällen eine Ausnahme und verkauft die Ausstellungsstücke, die sie in ihrem Laden für die Anproben aushängen hat. „Glückliche Bräute sind eben mein Job“, sagt sie.

Carmen Heinrich hat in ihrem Laden eine kleine Oase für zukünftige Bräute geschaffen.
Wenn Carmen Heinrich über Hochzeiten spricht, dann merkt man schnell, mit wie viel Begeisterung sie dabei ist. Sie strahlt übers ganze Gesicht und zeigt verschiedene Modelle, die Frauen bei ihr finden können: Kleider, Röcke und Oberteile zum Kombinieren, Jumpsuits, Schuhe, Accessoires. Zwischen 500 und 2500 Euro müssen die Kundinnen für ihr Traumkleid einplanen, wenn sie bei „Dein Kleid“ fündig werden wollen. Für Bräute, denen das Thema Nachhaltigkeit am Herzen liegt, gibt es sogar eine Secondhand-Abteilung.
Emotionale Entscheidungsfindung
Zurück zu Kathleen Koch. Es muss jetzt endlich eine Entscheidung her. Koch und ihre Trauzeugin ziehen sich zur Beratung in das Nebenzimmer zurück. Man hört erst ein leises Tuscheln, dann ein Rascheln. Als die Restaurantfachfrau durch die große Flügeltür tritt, sieht man ihrem Gesicht an, dass es nun so weit ist. Die Wahl ist auf die erste Variante gefallen, in die sie gleich noch einmal reingeschlüpft ist. „Ich habe auf mein Bauchgefühl gehört“, sagt Koch und strahlt. Noch mal ab aufs Podest, dann darf sie endlich das Licht mit dem Schriftzug „She said yes“ anknipsen. Für die beiden Freundinnen ist es ein emotionaler Moment, sie sind damit dem großen Tag ein Stückchen nähergekommen. Vor Freude fallen sie sich in die Arme. Auch Heinrich ist gerührt. „Ich habe meine berühmte Braut-Gänsehaut“, sagt sie und ist auch schon auf dem Weg, ein Glas Sekt zum Anstoßen zu organisieren.
Selbst die Sektschalen passen zum Vintage-Konzept, das sich Heinrich für ihr Geschäft ausgedacht hat und möglichst viel Gemütlichkeit ausstrahlen soll. Für die 44-Jährige ist ihr Arbeitsplatz ein wahr gewordener Traum. „Ich war jahrelang im falschen Job gefangen“, erzählt sie. Schon lange sei sie als Bürokauffrau nicht mehr glücklich gewesen, habe bei jeder Folge der beliebten Fernsehserie „Zwischen Tüll und Tränen“ gedacht: „Das ist mein Ding!“ Mitte 2019 wagt sie schließlich den Schritt in die Selbstständigkeit, damals noch in einem etwas kleineren Laden in St. Magnus – und ohne jegliche Erfahrung im Hochzeitsgeschäft.
Zeit nach Corona: "Es war wie ein D-Zug an Bräuten"
Doch ihr Konzept und ihre Leidenschaft kommen gut an - bis die Corona-Pandemie auch sie schwer trifft. "Ohne Unterstützung meiner Familie hätte ich das nicht geschafft", sagt Heinrich. Für ihren Traum hält sie irgendwie durch. Anfang 2022 habe sich die Lage stabilisiert - und viele Paare wollten ihre Hochzeit nun möglichst schnell nachholen. "Es war wie ein D-Zug an Bräuten", erinnert sich Heinrich. Andere Paare konnten oder wollten ihre Trauung nicht mehr feiern und wussten mit dem nie zum Einsatz gekommenen Brautkleid nichts mehr anzufangen. Viele der "Corona-Kleider", wie Heinrich sie nennt, hängen deshalb nun in ihrem Secondhand-Bereich und warten auf eine neue Besitzerin.

Neben Brautkleidern gibt es in dem Geschäft alles, was man sonst noch für das perfekte Outfit benötigt.
Kathleen Koch muss sich hoffentlich keine Sorgen mehr machen, dass ihre Hochzeit aufgrund einer neuen Corona-Welle ausfallen könnte. Nachdem sie ihr Brautkleid nun endlich gefunden hat, muss es am Hochzeitstag nur noch perfekt sitzen. Viel geändert werden muss nicht mehr, nur ein paar Kleinigkeiten. Heinrich arbeitet mit einigen Schneiderinnen zusammen, die in den nächsten Wochen Hand anlegen werden. Ende Juli folgt dann der große Auftritt. Dann, wenn ein einziges Wort für die beiden Verliebten einen neuen Lebensabschnitt einläutet: Ja!
Was dieses Jahr besonders gefragt ist
Wer kennt es nicht: Die Hochzeitsfeier von Freunden oder einem Familienmitglied kommt gerade so richtig in Schwung und nun soll man noch schnell etwas Kreatives in das Gästebuch schreiben. Vielen fällt das schwer. Eine Alternative zu dem Klassiker sind Audio-Gästebücher. Sie sehen meist aus wie ein altes Telefon. „Gäste können ihre Grußbotschaft an das Paar einfach aufsprechen und speichern“, sagt die Bremer Hochzeitsplanerin Sissy Müller. Die Geräte erfreuen sich immer größerer Beliebtheit.
Wer mutig ist, greift in diesem Sommer zur Trendfarbe Magenta. Die knallige Farbe kommt besonders gut bei der Dekoration oder in Blumensträußen zur Geltung. „Wem das zu gewagt ist, liegt mit Pastelltönen nach wie vor richtig“, so die Expertin. „Was Kleider und Accessoires betrifft, sind bei den Bräuten aktuell Perlen und große Schleifen sehr gefragt.“ Und bei den Männern? Auch bei ihnen gehe der Trend zu mehr Farbe, zum Beispiel in Hellblau oder Salbei.
Wurden während der Corona-Pandemie kleinere Hochzeitsfeiern, sogenannte Micro Weddings, bevorzugt, wollen viele Verlobte ihre Liebe nun wieder in großem Kreis feiern. Doch Obacht, wer sich kurzfristig entscheidet, in diesem Sommer noch heiraten zu wollen, der muss Glück haben oder flexibel sein, denn viele der beliebten Hochzeitslocations in Bremen sind zumindest an den Wochenenden bereits ausgebucht. Vereinzelt gibt es jedoch auch noch kurzfristige Termine, bestätigen einige Veranstalter auf Nachfrage. Die Frühlings- und Sommermonate sind auch in den Bremer Standesämtern beliebt. Ein zeitnaher Termin für eine Eheschließung werde jedoch immer möglich sein, heißt es. Schwieriger wird es dagegen in den 14 Außentraustandorten der Stadt. Im Rathaus bekommen Paare beispielsweise erst im Oktober wieder einen Termin. Dort sollte bereits Monate im Voraus reserviert werden.