Papa hat aber gesagt, ich darf noch ein bisschen aufbleiben!“ Diesen Satz werden wohl viele Mütter schon öfter gehört haben. Während sie im Blick haben, dass der Nachwuchs morgen früh um halb sieben wieder ausgeschlafen sein muss und deshalb jetzt langsam mal ins Bett sollte, sieht der Vater es weniger eng und hat nichts dagegen, wenn der Sohn oder die Tochter den Film noch bis zum Ende schaut.
Dann ergibt schnell ein Wort das andere: „Wir hatten uns doch darauf geeinigt, dass um acht Feierabend ist.“ „Nun sei doch nicht so kleinlich, es ist doch nur noch eine halbe Stunde.“ „Und ich bin jetzt wieder die Böse, die sagt, dass der Fernseher ausgemacht wird.“ „Mach dich mal locker, du bist ja genauso streng wie dein Vater.“
So oder ähnlich geht es jeden Abend in vielen Wohnzimmern der Republik zu. Die meisten Eltern werden es kennen. Die Rollen sind natürlich beliebig austauschbar, weder Mütter noch Väter haben ein Monopol auf Strenge oder Nachgiebigkeit. Während der eine Elternteil die ganze Sache recht entspannt sieht, möchte der andere, dass die vereinbarten Regeln eingehalten werden.
Hinter der geschilderten Episode kann sich ein grundsätzlicher Konflikt verbergen: Wie gehen Eltern damit um, wenn sie verschiedene Erziehungsstile haben? Wo lassen sich Kompromisse finden und wo nicht? Oder ist es am Ende gar nicht so schlimm, wenn Mama und Papa die Einhaltung von Regeln recht unterschiedlich interpretieren?
Kind kann in ein Loyalitätskonflikt geraten
Eine ganz eindeutige und grundsätzliche Antwort lasse sich auf die letzte Frage nicht finden, sagt Swantje Büssenschütt. Die Diplompsychologin arbeitet bei der Erziehungsberatung des Amtes für soziale Dienste in Bremen und beginnt mit der problematischen Seite: Wenn ein Elternteil die Erziehungsmethoden des Partners offen ablehnt oder sogar verächtlich macht, kann es schwierig für das Kind werden, weil es keine Orientierung bekommt und nicht weiß, woran es ist. Es kann auch in einen Loyalitätskonflikt geraten, weil es beide Eltern nicht verletzten will.
Unterschiede können andererseits auch unproblematisch sein, wenn sich die Kinder darauf einstellen können und daraus kein Konflikt zwischen Vater und Mutter entsteht. Wenn der Nachwuchs weiß, dass Mama abends im Bett auch noch zu einer vierten Gutenachtgeschichte überredet werden kann, bei Papa aber nach der zweiten definitiv Schluss ist, ist das nicht schlimm. „Unterschiede können also auch eine Bereicherung sein“, so die Familienberaterin. „Die Kinder lernen, es gibt nicht nur eine richtige Sache. Dieses Bewusstsein brauchen wir ja auch in der Gesellschaft.“
Eltern müssen sich über unterschiedliche Ansätze verständigen
Wichtig ist: Die Partner müssen sich über unterschiedliche Ansätze verständigen. Dabei lässt sich zum Beispiel herausfinden, welche Bereiche dem einen wichtiger, dem anderen weniger wichtig sind. Wenn etwa der Mutter die gesunde Ernährung des Kindes sehr am Herzen liegt, dem Vater dagegen egal ist, ob immer genügend Obst und Gemüse auf den Tisch kommt, kann die Mutter den Bereich Ernährung übernehmen und der Vater hält sich heraus.
Schwieriger wird es, wenn in grundsätzlichen Fragen keine Einigkeit besteht, ein Elternteil beispielsweise Folgsamkeit einfordert, der andere dagegen mehr auf die Bedürfnisse des Kindes eingehen will. „Die Eltern müssen dann Eckpunkte abstecken“, sagt Büssenschütt, also ausloten, was sie mittragen können und was nicht. Problematisch werde es, wenn man dem Partner zuliebe Dinge vertritt, hinter denen man selbst nicht steht. In solchen schwierigen Lagen bietet die Erziehungsberatung Hilfe an.
Problematisch für den Nachwuchs sei es zudem, wenn beispielsweise der Vater Dinge erlaubt, die die Mutter komplett ablehnt. „Das Kind kommt in eine schwierige Lage, denn es darf ja dem einen Elternteil nichts davon erzählen“, so die Psychologin. In diesem Fall könnten sich falsche Bilder vom Führen einer Beziehung einprägen.
Unterschiedliche Erziehungsstile bieten auch Chancen
Das Portal familie.de legt den Fokus auf die Chancen, die unterschiedliche Erziehungsstile den Eltern und Kindern eröffnen. Viele Experten seien der Meinung, „dass es besser für Kinder sein kann, wenn ihre Eltern nicht immer an einem Strang ziehen und verschiedene Einflüsse auf sie ausüben – solange sie eine respektvolle und harmonische Beziehung zueinander haben“. Das fördere Resilienz, Kommunikationsfähigkeit und Flexibilität.
Um mögliche Risiken zu umschiffen, empfiehlt der Online-Erziehungsratgeber zehn Regeln, die Eltern einhalten sollten – beispielsweise kein gegenseitiges Kritisieren vor den Kindern, das Besinnen auf Gemeinsamkeiten, das Festlegen von No-Gos, gemeinsame Kompromissfindung, das Aufteilen von Erziehungsbereichen und das Akzeptieren von Unterschiedlichkeit.
Auch der Paartherapeut Daniel Konermann sagt: „Generell sind Kinder in der Lage, mit unterschiedlichen Erziehungsstilen der Eltern umzugehen. Sie können sogar davon profitieren, und sie wissen genau, dass sie von unterschiedlichen Elternteilen Unterschiedliches zu erwarten haben, und das ist in Ordnung.“ Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) bezieht sich der Psychologe auf den Gegensatz zwischen eher strenger und weniger autoritärer Erziehung.
Für ihn muss das kein Widerspruch sein: „Sowohl Grenzen als auch Freiraum sind wichtig für die Entwicklung von Kindern. Wenn Grenzsetzung aus einer liebevollen Haltung und der Einstimmung mit dem Kind geschieht, kann eine Grenze ebenso Halt geben wie eine Umarmung und ist somit auch bindungsfördernd.“