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Das Porträt: Karin Kedzierski 40 Jahre in der Pflege

Mit 72 Jahren denkt Pflegekraft Karin Kedzierski noch nicht daran, ihren Job aufzugeben. Seit mittlerweile 40 Jahren versorgt sie Patienten zu Hause.
19.02.2020, 09:01 Uhr
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40 Jahre in der Pflege
Von Julia Ladebeck

Bremen-Nord. Viele Pflegekräfte geben ihren Job lange vor der Rente auf. Sie wechseln den Beruf aus gesundheitlichen Gründen oder weil ihnen die Belastung zu groß ist. Karin Kedzierski kann das nicht verstehen. Die 72-Jährige hat das Rentenalter längst erreicht, denkt aber noch immer nicht ans Aufhören. Seit 40 Jahren arbeitet sie in der ambulanten Pflege – und will weitermachen.

„Wenn alles gut geht, ich gesund bleibe und man mich braucht, dann arbeite ich, bis ich 75 bin“, bekräftigt die Nordbremerin. Sie betont aber auch: „Ich will den jungen Leuten nicht die Arbeit wegnehmen.“ Ihre Chefin, Daniela Scott, Leiterin des ambulanten Pflegedienstes Friedehorst mobil, schüttelt lachend den Kopf: „Nein, das passiert nicht. Wo sind denn die ganzen jungen Leute in der Pflege?“ Damit spricht sie den Fachkräftemangel an. Scott ist froh, dass sie eine Mitarbeiterin wie Karin Kedzierski hat, die jederzeit gerne und spontan einspringt, wenn es eng wird im Dienstplan. Und die ganz offenbar gerne arbeitet. „Wenn ich sie länger nicht eingesetzt habe, dann fragt sie nach, ob es nichts gibt“, sagt die Pflegedienst-Leiterin.

Je nach Bedarf arbeitet Karin Kedzierski zwischen 50 und 160 Stunden im Monat. Für die 72-Jährige ist ihre Arbeit erfüllend – und mehr als das. „Das ist mein Training, dadurch bleibe ich fit“, sagt sie. Oft wunderten sich sogar Patientinnen, die jünger seien als sie selbst, dass sie sich noch so gut bücken kann, erzählt die rüstige Frau. „Und ich brauche den Kontakt zu den Leuten.“

Angefangen hat Karin Kedzierski vor 40 Jahren als Gemeindeschwester bei der evangelischen Frauenhilfe. Eine Nachbarin hatte sie damals gefragt, ob sie in der Urlaubszeit für sechs Wochen aushelfen könnte. Die Mutter von drei Söhnen, deren Kinder 1966, 1968 und 1971 geboren wurden, war zu dieser Zeit Hausfrau. Zuvor hatte sie in einem Büro und fünf Jahre lang als Schweißerin beim Bremer Vulkan gearbeitet.

Kaum war ihr erster Einsatz als Aushilfe vorbei, kam eine weitere Anfrage – und die damals 32-Jährige sprang erneut ein. Dieses Mal wurde sie im Haushalt einer türkischen Familie eingesetzt. „Die junge Mutter hatte zwei kleine Kinder, war wieder schwanger und litt an einer Thrombose“, erzählt Karin Kedzierski. Sie erinnert sich gerne zurück: „Ich wurde ganz schnell in die Familie aufgenommen. Manchmal treffe ich die Frau heute noch.“ Als nächstes sollte sie einen jungen Patienten betreuen, der einen schlimmen Dekubitus, also ein Druckgeschwür, an der Hüfte hatte. „Die Gemeindeschwester hat damals zu mir gesagt: Wenn Du das schaffst, dann bekommst Du eine Festanstellung.“ Karin Kedzierski schaffte es. „Am 2. Januar 1980 habe ich meinen Arbeitsvertrag unterschrieben.“ Sie bildete sich ständig weiter, machte zunächst einen Kurs zur Schwesterhelferin und im Laufe der Jahre zahlreiche Fortbildungen.

In den Anfangsjahren arbeitete sie noch in Schwesterntracht, „mit fliederfarbenem Kittel und weißer Schürze“. Insbesondere auf dem Fahrrad, mit dem sie in der ersten Zeit stets zu ihren Einsätzen fuhrt, war die Kleidung oft hinderlich. Einen Führerschein hatte sie damals noch nicht. Ein Vierteljahr lang radelte sie täglich von Blumenthal nach Meyenburg, um dort einen Patienten zu versorgen. „Schwierig wurde es, als ich zusätzlich einen Einsatz in Aumund bekommen habe. Eine Woche hat sich das überschnitten. Da bin ich nur hin und her gefahren. Aber ich war ja im Training.“

Inzwischen hat die Pflegekraft längst ihren Führerschein und fährt mit dem Auto zu ihren Patienten. Auch sonst hat sich in ihrem Arbeitsalltag viel verändert. „Früher gehörte Hauswirtschaft dazu. Das ist weggefallen. Dafür haben wir jetzt viel Schreibkram. Alles muss dokumentiert werden.“ Sie sei da so reingewachsen, sagt sie pragmatisch. 1990 wurde die evangelische Frauenhilfe von Friedehorst übernommen. Das Büro der mobilen Pflege war damals noch in Lüssum. Anfang der 1990er-Jahre zog Friedehorst mobil an die Gerhard-Rohlfs-Straße um.

In der Rückschau auf die 40 Jahre in der ambulanten Pflege erinnert sie sich an zahlreiche traurige und dramatische Situationen, in denen sie Sterbende betreut und Angehörige getröstet hat. Aber aber auch an viele ungewöhnliche und lustige Szenen. Lachend erinnert sie sich an eine Patientin, die unglücklich gestolpert war und mit ihrem Po in einem Hocker steckte, als sie in ihre Wohnung kam. „Sie steckte da wie zusammengeklappt, ihre Füße und Arme ragten in die Luft. Ich habe keine Ahnung, wie sie das geschafft hat – das wusste sie selbst nicht.“ Nur mit Unterstützung einer Nachbarin konnte Karin Kedzierski die Frau aus ihrer misslichen Lage befreien.

Um bei Schnee und Glatteis zu einem Patienten zu kommen, der in einem Haus mit einer extrem steilen Auffahrt wohnte, begab sich die Pflegekraft kurzerhand auf alle viere. „Ich bin da hoch gekrabbelt. Was sollte ich sonst machen? Am nächsten Tag habe ich mir Socken über die Schuhe gezogen.“ Mit viel Improvisationstalent und vor allem viel Ruhe geht sie alle Situationen an. „Das ist mein Motto: nicht hetzen lassen“, betont sie. Lieber fängt sie morgens eine halbe Stunde eher an und überprüft zweimal, ob sie alle Pflegeutensilien hat. Und schließlich: „Zeit für einen Schnack muss auch sein.“

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