Es ist erst das zweite Mal, dass sich im Gemeindezentrum des Verdener Doms die „Omas gegen Rechts“ treffen, doch die Gruppe wirkt schon bestens organisiert. Viele Teilnehmer tragen runde Anstecker mit den bekannten drei Worten an ihrer Jacke. In einer Ecke stapeln sich die entsprechenden Protestplakate, Flyer liegen auf den Tischen.
Über 20 Frauen sind an diesem Tag gekommen, auch ein Opa sitzt in dem Stuhlkreis. Gemeinsam wollen sie Rassismus, Antisemitismus und dem Siegeszug der Rechtspopulisten die Stirn bieten. Fast jede treibt eine persönliche Geschichte zu dem politischen Engagement. Einige berichten, wie sie durch ihr Engagement in der Flüchtlingshilfe zu einer Zielscheibe der Rechtsextremen geworden sind.
Rechtsradikale würden ihre Ideale immer offensiver und dreister vertreten. „Ich leide sehr unter dieser Entwicklung. Ich dachte eigentlich, das hätten wir hinter uns“, sagt eine 81-Jährige. Ihre Sitznachbarin ist noch etwas älter: „Ich bin noch mit Hitlergruß zur Schule gegangen.“ Viele Frauen fühlen sich hilflos, wenn sie mit aggressiven rechten Parolen konfrontiert werden. In der Gruppe wollen sie sich auch darüber austauschen, wie man in Alltagssituation am besten reagieren kann.
Ihren Ursprung hat die Bewegung Omas gegen Rechts in Wien. Dort gingen im Herbst 2017 erstmals Seniorinnen mit entsprechenden Plakaten auf die Straße, um gegen eine Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen FPÖ zu demonstrieren. Die Partei gilt als Pendant zur deutschen AfD, weshalb der Aufschrei auch hierzulande groß war. Schnell fanden die mitunter als „Antifa-Omas“ titulierten Gruppen ihren Weg auch in die deutschen Städte.
Gruppe entsteht nach einer Lesung
Den Anstoß, auch in Verden eine Gruppe zu gründen, gab vor einigen Wochen die Lesung von Monika Salzer. Die Österreicherin gilt als Gründerin der Bewegung und kam mit ihrem Buch auch in die Reiterstadt. Ihre Zuhörerinnen tauschten sich aus, wenig später stand die Ortsgruppe. Am 9. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, organisierten die Omas gegen Rechts eine Mahnwache an dem Ort, wo auch in Verden früher einmal eine Synagoge stand. Auch als am 29. November Fridays for Future mobil machte, waren die Verdener Omas gegen Rechts dabei. Im „Netzwerk Unantastbar“ will die Gruppe ihr Engagement künftig mit anderen Vereinen und Organisationen aus der Zivilgesellschaft des Landkreises koordinieren.
In Bremen ist eine entsprechende Ortsgruppe bereits seit Januar 2018 aktiv. Dort beteiligte sich Regina Thalmann zum ersten Mal an einer Aktion der politischen Seniorinnen. „Vor den Europawahlen haben wir auf dem Marktplatz das 'Oma-Lied' gesungen. Plötzlich versammelten sich viele Zuhörer und verlangten eine Zugabe“, erinnert sich die 62-jährige Dörverdenerin. Das „Oma-Lied“ ist ein Import aus Österreich, im Refrain heißt es: „Omas, Omas, uns braucht das ganze Land, wir kämpfen für die Kinder und machen Widerstand.“
Thalmann ist zweifache Großmutter und sitzt für die SPD im Gemeinderat Dörverden. Doch dieses Engagement in der Kommunalpolitik genügt ihr nicht mehr, insbesondere das Erstarken der AfD beschäftigt sie. „Diese Partei versucht den Wählern aufs Brot zu streichen, dass sie sich für den 'kleinen Mann' einsetzt. Dabei grenzt diese Politik viele Menschen aus“, argumentiert sie.
Regina Thalmann war schon bei Aktionen der Bremer Omas gegen Rechts dabei, nun ist sie froh, dass es die Gruppe auch in Verden gibt. Denn es gäbe auch hier vor Ort viel zu tun. An einem Sommertag hat die Kommunalpolitikerin in diesem Jahr miterlebt, wie mutmaßliche Neonazis auch in der Reiterstadt ihr Unwesen treiben. Während am Rathaus unter freiem Himmel ein Film über die Frauenbewegung und englische Gewerkschaften lief, grölte in der Nähe eine Gruppe rechte Parolen.
„Das war ein Nazilied, an den Text kann ich mich nicht mehr erinnern. Alle waren sehr irritiert, für mich war das sehr bedrückend“, berichtet Thalmann. Letztlich blieb es bei Parolen. Doch das Gefühl, von Rechten bedroht zu werden, beschäftigt die Sozialdemokratin bis heute.
Die Verdener Omas gegen Rechts treffen an jeden zweiten Montag des Monats, als nächstes also am 13. Januar. Interessierte können eine E-Mail an ogr-verden@web.de schreiben, oder die Website www.omasgegenrechts-nord.de besuchen.