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Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Auf Revierfahrt mit den Wasserbauern

Der Außenbezirk Farge des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes Bremen kontrolliert die Weser von Lemwerder bis Brake, die Lesum und die Wümme bis Borgfeld. Eine Fahrt mit Außenbezirksleiter Sven Wennekamp...
12.10.2018, 19:30 Uhr
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Von Volker Kölling

Wer mit Wasserbauern auf Weser, Lesum und Wümme unterwegs ist, bekommt schnell einen ganz neuen Blick auf die Flüsse. Denn kein Strand, kein Ufer und kein Priel entspringen hier wirklich dem Plan der Natur. Alles ist Menschenwerk. Die Mannschaften des Außenbezirks Farge des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes (WSA) Bremen kontrollieren in der Unterweser alles von Lemwerder bis Brake, dazu die Lesum und die Wümme bis Borgfeld.

Bevor Sven Wennekamp in Brake an Bord des Mehrzweckschiffs „Lesum“ geht, bekommt er noch einen Anruf von der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz: Ein paar Tage später ist ein Drohnenflug über drei Versuchsfelder in der Wümme geplant. „Mit diesem Monitoring aus der Luft halten wir fest, ob unsere neue Art der Deichfußsicherung dort funktioniert.“ Der Leiter des WSA-Außenbezirks Farge spricht von „schaarliegenden Deichen“ – Bereichen wo der Deich direkt hinunter in den Fluss geht. Wasserbauer haben ihr ganz eigenes Vokabular, lässt sich an der Stelle lernen und dass oben für den Wümmedeich der Deichverband zuständig ist, sich das WSA aber um die Sicherheit des Deichfußes zu kümmern hat.

Rauf auf die Weser. Bei Flusskilometer 40,04 zeigt Wennekamp Richtung Braker Ufer: „Dort in der Gaststätte soll es eine Markierung im Tresen geben, die die Grenze zwischen der Zuständigkeit des WSA Bremerhaven und des WSA Bremen anzeigt. Das wurde früher von unseren Altvorderen da drin noch sehr ernst diskutiert.“ Brake hatte dabei im Vergleich zum Bremer WSA-Außenposten in Farge immer mehr Beschäftigte, mehr Werkstätten und sogar einen Helgen.

Wennekamp: „Das hier wird heute im Volksmund noch Staatswerft genannt, weil wir hier früher unsere Schiffe alle noch komplett selbst gebaut haben. Heute wird das alles als Fremdauftrag vergeben. Die Schiffe und das Gerät sind zu groß geworden.“ Für die Unterhaltung der Dienstgebäude und Werkstätten in Brake ist heute der WSA-Außenbezirk Farge zuständig. Wennekamp kennt hier jeden auf dem Hof.

Das WSA-Peilschiff „Nadir“ läuft etwas später an der „Lesum“ vorbei. Von Farge aus wird das Spezialschiff mit bereedert. Durch seinen geringen Tiefgang ist die „Nadir“ mit ihren drei Mann Besatzung auch regelmäßig als Vermessungsschiff im Wattenmeer im Einsatz. Wer hier mitfährt, hat eine Ausbildung zum Seevermessungstechniker hinter sich. Sven Wennekamp sagt lachend: „Wir kriegen die Kollegen mitunter selten zu sehen. Aber die Peilpläne aus Bremen bekomme ich schon, sodass ich immer weiß, wo die stecken.“

Es ist einer der letzten Tage mit über zwanzig Grad nach diesem Jahrhundertsommer. Am Campingplatz vor Elsfleth herrscht noch reges Treiben. Es fällt kaum auf, dass daneben das WSA Farge einen sogenannten Löschplatz betreibt – wieder so eine Spezialvokabel, die eine unscheinbare Anlegestelle der Wasserbauer bezeichnet. Die langen Stahlpfähle mit den gelben Kappen sind da gerade erst abgelegt worden. Viele Jahre lang standen sie in den Grund gerammt als Dalben in der Hunte. Sven Wennekamp: „Die waren jetzt übrig beim Abbau der alten Hubbrücke in Elsfleth. Aber wir lagern hier auch anderes Material und auf der kleinen Warft können wir Fahrzeuge hochwassersicher abstellen.“

Das Fahrzeug, von dem Sven Wennekamp spricht, kommt wenige Meter weiter in Sicht: Eine kleine Raupe arbeitet nimmermüd einen selbst gebaggerten Sandberg vom Ufer weg und transportiert den Sand ein paar hundert Meter weiter zu einer Stelle, die am Morgen noch wenig Sand hatte. Sven Wennekamp schaut durch sein Fernglas und lässt Franz Lohmann per UKW-Funk schöne Grüße an Baggerfahrer Bernd Pachner bestellen. Insgesamt hat Wennekamp 41 Mitarbeiter in Farge – und er ist als Chef und studierter Wasserbauer der einzige Beamte. Pachners Arbeit bezeichnet Wennekamp ganz offen als Sisyphusarbeit: „Das Hochwasser versucht immer wieder, neue Priele in das Ufer zu reißen. Der Kollege hat sich da an einer Stelle mit viel Sand bei Niedrigwasser den Sand hochgetrimmt und fährt das Material nun an die Stelle, wo der Fluss am liebsten einen Priel bauen würde.“ Die Raupe sei täglich im Einsatz.

Alle 15 bis zwanzig Jahre brauche es dann aber auch richtige Sandaufspülungen, um die Ufer zu sichern, überschlägt Wennekamp: „Da, wo wir keine schützenswerten Güter wie Deiche dahinter haben, lassen wir den Fluss mitunter auch einfach gewähren. Aber grundsätzlich muss man sich hier bei uns klarmachen, dass ein gewachsener Boden an der Weser kein weißer Sandstrand wäre.“ Auch der Flussverlauf selbst sei komplett künstlich und habe mit dem alten Weserbett vor der sagenumwobenen Weserkorrektion durch Ludwig Franzius um das Jahr 1895 nichts zu tun. Damals kämpften die Bremer um ihre internationale Geltung als Stadt mit einem erreichbaren Welthafen in Bremen.

Heute hätten es die Wasserbauer gerne wieder etwas natürlicher als zu der Zeit, als die Erfindung des Eimerkettenbaggers als entscheidender Fortschritt gefeiert wurde. Sven Wennekamp zeigt ins Wasser unter den Strand und verrät, dass dort sogar eine kleine Spundwand den kompletten Strand oben hält: „Die stützt von unten. Grundsätzlich wollen wir heute aber einen sanften und möglichst natürlichen Übergang vom Wasser auf Land über eine Krautschicht, Schilffladen, Hochstauden bis hin zu Weichholzauen und schließlich der Hartholzaue dahinter.“ Landschaftsarchitektur direkt am Wasser und das auch mithilfe von Naturmaterialien. Wo es geht, verbauen die Wasserbauer heute wieder Weiden im Flechtwerk für Buhnen und Standabstützungen. Das hält zwar nicht ewig, ist aber näher an der Natur und nebenbei eben auch traditioneller Wasserbau.

Auf der Wesermarschseite auf Höhe der Huntemündung sieht man beidseits aber auch noch alte steile Ufer der Bauart der sechziger Jahre: Hier sind die Ufersteine mit Bitumen für den besseren Halt vergossen worden. Asphaltmastix nennt sich diese Art zu bauen. Wennekamp: „Heute baut man eher mit größeren Steinen in dickeren Schichten und erreicht den gleichen Effekt.“ Er hat wieder das Fernglas am Auge und macht auf einen Schubverband aufmerksam, der gerade aus der Hunte herauskommt: „Das ist unser Arbeitsschiff ,Weserland', das jetzt gerade von einem Job in Elsfleth kommt und hier mit unserer Klappschute jetzt Material in den Fluss entlässt. Davon haben wir in Farge mit der ,Weserplate‘ auch noch ein zweites.“ Tatsächlich halbiert sich die Schute vorne kurz darauf, um das Baggergut in der Huntemündung aus dem Rumpf einfach nach unten fallen zu lassen. Wennekamp: „Das hier nennen wir Klappstelle. Gleiches Korn zu gleichem Korn lautet da unsere Devise. Das heißt: Sie finden hier im Wesergrund das gleiche Material, das wir jetzt von oben hier einbringen.“

Zum Finale der Flusstour kurz vor Farge kommt sogar noch einmal richtig die Sonne raus, um das älteste Bauwerk in Wennekamps WSA-Weserabschnitt zu beleuchten: Das weiße Unterfeuer „Hohenzollern“ von 1896 steht inzwischen auf drei Pfählen und nicht mehr wie ursprünglich auf einer eigenen kleinen Insel. Die anderen vier Unter- und Oberfeuer im Außenbezirk Farge sind mitunter höher und heller – dies bei Elsfleth ist allerdings eindeutig das schönste. Da gibt es keine Diskussionen.

Wie Unter- und Oberfeuer in eine Linie gebracht nachts die Fahrwassermitte markieren braucht einen kleinen Nautikkursus, den Wennekamp aber lieber mal ausfallen lässt. Er zeigt stattdessen ins Hinterland zu dem fünfzig Meter hohen Radarturm und erzählt vom anstrengendsten Job beim WSA Farge: „Da rauf gibt es keinen Fahrstuhl, sondern nur eine senkrechte Leiter. Wenn du da oben bist zur jährlichen Bauwerksbegutachtung, brauchst du ein paar Minuten, bis du wieder Luft bekommst.“ Der 47-Jährige lächelt, als der gleichaltrige Franz Lohmann am Ruder an dieser Stelle das als den entscheidenden kleinen Nachteil eines Ingenieurjobs beim WSA bezeichnet: „Ich muss da nicht hoch.“

Tatsächlich scheinen die Schiffslenker beim WSA mehr Spaß zu haben: Der Schubverband mit der „Weserland“ erreicht kurz nach der „Lesum“ den Farger Hafen – bei halbem Wasser, was hier richtig viel Strömung bedeutet. Der weißbärtige Schiffsführer fährt praktisch an der Einfahrt vorbei, dreht dann scharf bei und zielt mit der Schute in spitzem Winkel gegen die Strömung auf die gegenüberliegende Mole. Im letzten Moment dreht er mit gurgelndem Schraubenwasser bei. Ein kurzer Kontakt mit der Mole und der Schubverband hebelt sich förmlich in den Staatshafen. Zehn Minuten später liegen alle Arbeitsschiffe fest im Hafen und die Mannschaften gehen kurz vor 15.30 Uhr dem Feierabend entgegen. Wobei sich Sven Wennekamp noch einmal mit den Kollegen aus Koblenz kurzschließen muss, wie genau der Drohnenflug über der Wümme laufen soll. WSA-Arbeit zu Lande, zu Wasser und sogar in der Luft.

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Der WSA Außenbezirk Farge ist für die Weser zuständig zwischen den Flusskilometern 17 bei Vegesack bis zu Kilometer 40,04 in Brake, auf der Wümme von Kilometer 0 in Borgfeld bis zu Kilometer 18,53 in Wasserhorst und außerdem für die kompletten fast zehn Kilometer Lesum. Zu den Bauwerken, die vom WSA-Außenbezirk Farge unterhalten werden gehören die zwei Hafenanlagen am Außenbezirk Farge und vor dem WSA-Bauhof Brake, die Dienst- und Werkstattgebäude in Farge und Brake, vier Landradaranlagen, sechs Spundwandanlagen, drei Sielanlagen, ein Leitfeuer, ein Molenfeuer, fünf Oberfeuer, vier Unterfeuer, 26 Leuchtfeuer seitlich der Flüsse, die sogenannte Streckenbefeuerung, drei Schifffahrtspegel, sechs gewässerkundliche Pegel, circa 103 Kilometer Ufer, teilweise befestigt und teilweise unbefestigt, diverse Schifffahrtszeichen sowie diverse Be- und Entwässerungsbauwerke.

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