Bremen-Nord. Die Bremer Umweltwächter befreien seit einigen Monaten Nordbremer Plätze, Straßen und Parks von Zigarettenstummeln, Essensresten, Scherben, Papier oder Plastikverpackungen. Oft stoßen sie dabei auch auf wilde Müllkippen. Was andere Zeitgenossen mutwillig im öffentlichen Raum entsorgt haben, sammeln die 13 Männer und zwei Frauen während ihrer täglichen Touren ein. Je nach Stadtteil füllen sie zwischen drei und 15 Müllsäcke am Tag. In Lesum ist es erfahrungsgemäß sauberer als in Marßel.
Jetzt begegneten die ehemaligen Langzeitarbeitlosen am Haus Kränholm am Rande von Knoops Park ihrem obersten Dienstherren Carsten Sieling, dem Bremer Bürgermeister und Senatspräsidenten. „Das ist schon ein bisschen aufregend, denn live sehe ich ihn heute zum ersten Mal“, sagt Heiko Grantzau. Der gelernte Bäcker, der seinen Job wegen einer Mehlstauballergie aufgeben musste, trägt seine neongelbe wind- und wasserfeste Arbeitskleidung mit dem unübersehbaren Schriftzug „Umweltwächter“ und dem Bremer Schlüssel als Logo. Auch an diesem Tag waren die Teams einige Stunden in den drei Stadtteilen auf Tour.
„Wir sind viel auf der Straße unterwegs, da muss man uns ja schon von Weitem sehen“, sagt Eva Schrutek. „Für mich ist dieser Job der richtige Beruf. Ich arbeite gern draußen“, betont die 54-jährige gelernte Landschaftsgärtnerin gut gelaunt und sortiert die Arbeitsutensilien auf dem handlichen Arbeitswagen mit Besen, Schaufel und Müllsack. Schließlich soll alles tipptopp aussehen, wenn der Bürgermeister um die Ecke biegt.
Und da kommt er schon. Zu einem ersten Smalltalk scharen sich die Umweltwächter und die drei Nordbremer Ortsamtsleiter vor der dekorativen Fassade von Haus Kränholm um den Bürgermeister. Das Wort ergreift auch Sven Hoffmann vom Beschäftigungs- und Bildungsträger ALZ, der die Umweltwächter-Teams koordiniert. "Ich fühl' mich pudelwohl mit meinen Jungs und Mädchen", betont er, thematisiert aber auch ein Problem bei der Logistik: „Ich verteile die Herrschaften immer noch mit dem Auto, das ist eine große Problematik.“ Stünde den Umweltwächtern ein eigenes Fahrzeug zur Verfügung, wäre es zudem auch möglich, größere Müllhaufen zu beseitigen. Derzeit würden Mitarbeiter des Umweltbetriebs zuweilen anhalten und den Umweltwächtern einzelne Säcke abnehmen.
Ein Brennpunkt sei beispielsweise der Sportparksee Grambke, der als wilde Müllkippe missbraucht werde. „Gibt es da eine Zusammenarbeit mit dem Ordnungsamt oder der Polizei?“, will Carsten Sieling wissen. Bis dato ist das nicht der Fall. Der Bürgermeister plädiert dafür, die Müllhalden zu beseitigen, gleichzeitig aber auch mehr Druck auf die Verursacher auszuüben. „Einer hat mal seinen Kontoauszug zurückgelassen“, erzählt Vegesacks Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt. „Meist sind die Leute aber zu clever. Und wir wühlen ja nicht in jedem Sack rum“, ergänzt Sven Hoffmann.
Im kleinen Kreis erzählt der ehemalige Speditionskaufmann Wolfgang Stamke: „Am schlimmsten war es, als wir am Sportparksee Grambke 18 volle Säcke gefunden haben. Darunter war auch gammeliges Fleisch, das die Leute nach dem Grillen liegen gelassen haben.“ Sein Kollege Heiko Grantzau sagt: „Man merkt auch, dass es am Montag anders aussieht als am Freitag nach Dienstschluss. Vor allem vor Schulen, an Discountern oder vielbefahrenen Straßen liegt dann wieder sehr viel Dreck rum. Es gibt auch Ecken, da ist man am Vortag gewesen und es sieht schon wieder aus wie vorher.“
Regen setzt ein. Im Haus Kränholm ist ein Raum reserviert. Die Umweltwächter freuen sich nach getaner Arbeit über den Sitzplatz. „Überall werde ich angesprochen‚ 'Wir wollen auch Umweltwächter‘", erzählt Sieling. In Planung seien aktuell entsprechende Projekte in Gröpelingen und Huchting. Das sind Stadtteile, die danach schreien“, so der Bürgermeister.
Die Stadt Bremen hat im September 2017 beschlossen, eine Summe von 3,5 Millionen Euro pro Jahr für das Programm „Perspektive Arbeit Saubere Stadt“ zur Verfügung zu stellen. Bei Wind und Wetter werden Umweltwächter dann auch jenseits von Bremen-Nord mit Eimern, Greifzangen und Kehrblechen durch die Stadt ziehen, um die Hinterlassenschaften ihrer Mitbürger einzusammeln.
Hier ist auch Kondition gefragt, erfährt Carsten Sieling. Immerhin legen die Männer und Frauen täglich bis zu 15 Kilometer zurück. Der mit 31 Jahren jüngste Umweltwächter Klaus Lowson hat schon 15 Kilogramm abgenommen. „Mich sprechen jetzt ganz viele an und fragen, wo sie sich bewerben können“, erzählt er.
Zu Anfang hätten Freunde und Verwandte seinen neuen Job "für Blödsinn gehalten, aber das hat sich inzwischen umgekehrt“, sagt ein Kollege. „Leider werden wir aber manchmal auch für Ein-Euro-Jobber gehalten, dabei ist das ein ganz normaler Job. Wir werden nach Tarif bezahlt“, erzählt Heiko Grantzau jenseits der Versammlung und betont: „Wir sind alle happy mit dem Job.“
Die Lohnkosten für das Nordbremer Pilotprojekt werden gegenwärtig zu 75 Prozent vom Jobcenter und zu 25 Prozent vom Finanzressort getragen. Allerdings ist das Arbeitsverhältnis befristet. Im Dezember 2019 endet für alle Umweltwächter nach 24 Monaten das Beschäftigungsverhältnis im Rahmen der „Perspektive Arbeit für Langzeitarbeitslose“ (Lazlo).
Dem kann Blumenthals Ortsamtsleiter Peter Nowack nicht viel abgewinnen. Er plädiert für 50 Festarbeitsplätze ab 2020. "Das wäre kein rausgeschmissenes Geld, zumal die Mitarbeiter einen E2-Tarif erhielten und keine Transferleistungen des Staates. "Der Haushalt würde entlastet." Und Sven Hoffmann ergänzt: "Viele haben einfach nur den Wunsch, Wertschätzung zu erfahren und sind stolz auf den Job." Carsten Sieling nickt zustimmend und kommentiert: "Jeder will doch arbeiten."