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125 Jahre Gewosie Das erste Haus steht noch heute

1894 legte der Blumenthaler Landrat Paul Berthold den Grundstein für ein Unternehmen, das sich zum größten Wohnungsanbieter im Bremer Norden entwickelt hat. Am 8. Mai feiert die Gewosie Jubiläum.
06.05.2019, 19:31 Uhr
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Von Gabriela Keller

Wir schreiben das Jahr 1894. Mit der Industrialisierung strömen Arbeitskräfte zur Bremer Woll-Kämmerei (BWK) nach Blumenthal und zum Bremer Vulkan in Fähr-Lobbendorf. Sie brauchen Wohnungen, doch es gibt kaum welche. Die Wohnungsnot ist groß. Der junge Blumenthaler Landrat Paul Berthold will das ändern. Er sucht und findet Mitstreiter für den Bau von Arbeiterwohnungen. Mit 21 Unterstützern gründet er eine Genossenschaft, den Spar- und Bauverein Blumenthal. Mit dem Eintrag ins Genossenschaftsregister am 8. Mai 1894 wird der Grundstein für ein Unternehmen gelegt, das heute als Gemeinnützige Wohnungsbau- und Siedlungsgenossenschaft Bremen-Nord rund 4000 Wohnungen bewirtschaftet und damit der größte Wohnungsanbieter in Bremen-Nord ist. Auf den Tag genau am 8. Mai feiert die Gewosie ihr 125-jähriges Bestehen.

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Unter den Genossen der ersten Stunde finden sich illustre Namen wie Baron Knoop, BWK-Direktor Paul Zschöner und Victor Nawatzki, der Mitbegründer des Bremer Vulkan. Das erste Häuschen baut der Verein 1894 an der Lüssumer Straße, es steht noch heute dort. Insgesamt werden im Gründungsjahr zwölf Häuser fertiggestellt. Mit der Mitgliederzahl steigt die Bautätigkeit. Elf Jahre nach der Gründung zählt der Verein 176 Genossen, zum Bestand gehören 230 Häuser und 454 Wohnungen. 3600 Mark kostet es zu der Zeit, ein Arbeiterwohnhaus mit Küche, zwei Stuben, drei Kammern, Keller und Boden zu bauen. Die Miete inklusive Abgaben beträgt 228 Mark im Jahr.

Zwei Haustypen gibt es: Das Blumenthaler Modell mit Wohnräumen zu ebener Erde wird vor allem in Lüssum gebaut, das Grohner Modell hat eine kleinere Grundfläche und dafür ein ausgebautes Dachgeschoss mit zusätzlicher Stube und zwei bis drei Räumen. Diese „Arbeiterwohnstätten“ mit Ober- und Unterwohnung finden sich unter anderem in Fähr und Lobbendorf.

Schweinestall und Räucherkammer

Als der Erste Weltkrieg ausbricht und die Bautätigkeit zum Erliegen kommt, zählt die Genossenschaft 340 Häuser und 680 Wohnungen. Nach Kriegsende wird wieder fleißig gebaut. In den 1930er-Jahren entstehen Wohngebäude an der Aumunder Heide, an der Löhstraße, Bokelbergstraße, Flethestraße, Bentloger Straße, an Schüttes Kamp, am Heimstättenweg und an der Straße Hohes Feld. Jedes Arbeiterhäuschen hat seinen eigenen Schweine- und Hühnerstall und eine Räucherkammer. Ein moderner Waschkessel in den Neubauten ist der ganze Stolz der Hausfrau.

1940 gibt es eine Zäsur in der Entwicklung der Genossenschaft: Der Spar- und Bauverein Blumenthal schließt sich mit dem Heimstättenbund Blumenthal sowie den Bau- und Siedlungsgenossenschaften Lesum und Schönebeck zur „Gemeinnützigen Wohnungsbau- und Siedlungsgenossenschaft Bremen-Lesum“ zusammen. 1470 Mitglieder kommen unter dem Dach des neuen Verbundes zusammen. Der stellt 1966 mit dem Bau von 1383 Wohnungen im Wohngebiet Vorberger Straße in Lüssum sein erstes Großprojekt der Nachkriegszeit fertig. In Blumenthal setzt die Gewosie auch in den Folgejahren einen Schwerpunkt ihrer Bautätigkeit.

Ein herausragendes Projekt im wahrsten Sinne des Wortes wächst Mitte der 1960er-Jahre an der Bürgermeister-Kürten-Straße in den Himmel – ein 15-stöckiges Hochhaus mit 180 Wohnungen, das in Bremen zu der Zeit seinesgleichen sucht. Insgesamt entstehen in dem neuen Quartier Wohnungen für über 1000 Menschen, auch die erste Tiefgarage der Hansestadt in einer Wohnanlage findet hier ihren Platz. An der Hakenwehrstraße und an der Kreinsloger in Blumenthal, an der Margaretenallee in Lobbendorf, an Stahmers Feld in Grohn, Am Rottpohl und an der Helastraße in Rönnebeck sowie in der Wohnsiedlung Borchsholt in Schönebeck beziehen Mieter in den Sechziger- und Siebzigerjahren neue Wohnungen. Daneben baut die Gewosie an verschiedenen Orten Einfamilienhäuser, an der Hohenbuchener Straße und am Wifo-Wald in Blumenthal entstehen Reihen-, Doppel- und frei stehende Häuser.

Dann kommt die Vulkan-Pleite. Die Nachfrage nach Wohnraum sinkt. Der Mauerfall 1989 und die Zuwanderung von Aussiedlern aus Osteuropa lassen den Bedarf an Wohnraum indes wieder steigen. In Blumenthal an der Rönnebecker Straße und in Vegesack an der Lindenstraße entstehen neue Wohngebäude. Auf den demografischen Wandel reagiert die Gewosie, die seit 1990 den Zusatz Bremen-Nord im Namen trägt, mit dem Bau von Seniorenwohnungen. 1994, zum 100. Geburtstag der Genossenschaft, wird in Blumenthal an der Dillener Straße die erste Anlage eingeweiht. 1998 und 2002 folgen zwei weitere Seniorenanlagen an der Lehmhorster Straße mit insgesamt 106 Wohnungen.

Modernisierung Schritt für Schritt

Sanierung und energiesparende Neubauten – das sind die Koordinaten, die den Kurs der Gewosie seit 2002 bestimmen. Schritt für Schritt modernisiert die Genossenschaft ihren Bestand, investiert dafür 192 Millionen. Unter anderen am Pürschweg und An de Deelen in Blumenthal werden Altbauten wärmegedämmt, Balkone erneuert, Fassaden bunt gestrichen.

Andernorts weicht Altes dem Neuen. Eine dreijährige Großbaustelle entsteht in Hammersbeck: An der Blumenhorster Straße, der Hahnhorster Straße und der Heinrich-Meyer-Straße werden Wohnungen aus den 1960er-Jahren abgerissen, seit 2016 stehen hier zehn Energieeffizienzhäuser. Neuland betritt die Gewosie mit einem Wohnprojekt an der Straße Aumunder Flur: Als erstes Wohnungsbauunternehmen in Bremen baut die Genossenschaft in den Jahren 2009 bis 2012 hier vier energiesparende Passivhäuser. Zwei Niedrigenergiehäuser entstehen am Pundtskamp. Zwischen 2006 und 2016 fließen insgesamt 30 Millionen Euro in Neubauprojekte.

Ende 2018 hat die Gewosie 3992 Wohnungen bewirtschaftet: 2345 in Blumenthal, davon allein 1344 im Wohnpark Bockhorn, 1615 in Vegesack und 72 in Burglesum.

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