Atomkraftgegner brauchen viel Ausdauer. Das zeigte sich nicht nur beim Atomausstieg, für den sie über 30 Jahren kämpfen. Geduld benötigten sie auch, als im September 2012 ein hoch umstrittener Schiffstransport mit plutoniumhaltigen Brennelementen (MOX) aus der britischen Wiederaufbereitungsanlage Sellafield im Nordenhamer Hafen erwartet wurde. Teilweise 24 Stunden harrten sie bereits bei ihrer Mahnwache aus, bevor der Frachter in Nordenham einlief. Nennenswert stören konnten sie das Verladen der nuklearen Fracht damals nicht.
Ein ähnliches Szenario könnte bald wieder bevorstehen. Die Vorbereitungen auf beiden Seiten laufen. Denn für dieses Jahr ist der nächste Castor-Transport mit hoch radioaktiven Abfällen, die bei der Wiederaufarbeitung von Brennelementen aus deutschen Atomkraftwerken in Sellafield entstanden sind, in einem Zwischenlager im südhessischen Biblis geplant.
Auch dieser Transport dürfte wieder über den Privathafen von Rhenus Midgard in Nordenham abgewickelt werden, wie der Münsteraner Bundestagsabgeordnete Hubertus Zdebel von der Linkspartei dieser Tage öffentlich machte. Im September sei dort bereits der letzte für den Transport benötige leere Castor-Behälter auf die Reise nach Sellafield geschickt worden. Inzwischen seien alle Behälter beladen. Zdebel beruft sich auf Informationen der Gesellschaft für Nuklear-Service (GNS). Andere für die Verladung infrage kommende Häfen wie Bremen und Hamburg lehnen die Abwicklung von Atomtransporten schon seit Jahren ab.
Die Strecke der strahlenden Fracht
Die Genehmigung des Transports der hoch radioaktiven Fracht erging am 14. Februar durch das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) an das von GNS beauftragte Unternehmen „Daher Nuclear Technologies“. Die Genehmigung gilt für maximal sechs Transportbehälter für die Beförderung auf dem Seeweg und auf der Schiene im Zeitraum vom 1. März bis zum 31. Dezember 2020. Wegen des hohen Gewichts der beladenen Castorbehälter (115 Tonnen) gehen Atomkraftgegner wie Hans-Otto Meyer-Ott vom Arbeitskreis Wesermarsch davon aus, dass der Transport von Nordenham über Hude, Delmenhorst, Bremen, Hannover, Göttingen, Kassel und Frankfurt erfolgt und nicht etwa über Nebenstrecken.
Kommende Woche will der Arbeitskreis seine laut Meyer-Ott 70 Mitgliedsgruppen und -initiativen zur Vorbereitung von Protestmaßnahmen einladen. Das bundesweite Bündnis „Castor stoppen“ bereitet sich ebenfalls auf Protestaktionen vor. Jeder einzelne Transport bedeute ein zusätzliches Risiko durch radioaktive Verstrahlung, lautet die Kritik. Da es kein Endlager-Konzept gibt, würden die Standort-Zwischenlager zu unsicheren Langzeitlagern, weit über die genehmigten 40 Jahre hinaus, befürchtet Meyer-Ott.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Hessen legte unterdessen Widerspruch gegen die Transportgenehmigung ein. Zwar sei es geboten, den Atommüll, der in Deutschland entstanden ist, aus dem Ausland zurückzuholen. Das Zwischenlager am AKW Biblis sei für diese Art von Castor-Behältern jedoch nicht genehmigt. Zudem gebe es keine „heiße Zelle“, in der etwaige Reparaturarbeiten an den Castor-Behältern sicher durchgeführt werden könnten. Weil undichte Castoren nicht mehr transportiert werden dürfen, sei ungewiss, ob sie das Lager jemals wieder verlassen. Das Argument hatte auch eine Rolle in der Auseinandersetzung um ein neues Zwischenlager beim Kernkraftwerk Unterweser gespielt.
Die Atomkraftgegner fordern daher, die Abfälle aus Sellafield erst dann durchzuführen, wenn die Sicherheit der Lagerung im Zwischenlager Biblis in einem Genehmigungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und Beteiligung der Öffentlichkeit nachgewiesen wurde. „Der Arbeitskreis hat nichts gegen den Rücktransport an sich, aber die Bedingungen müssen stimmen“, verlangt Arbeitskreis-Sprecher Meyer-Ott. „Aber sie stimmen aber überhaupt nicht.“
Eine offizielle Bestätigung für den Atomumschlag über Nordenham gibt es übrigens nicht. Die Transportrouten und Termine unterliegen aus Sicherheitsgründen der Geheimhaltung. So liegen auch dem für den Katastrophenschutz zuständigen Landkreis Wesermarsch eigenen Angaben nach keine Kenntnisse von konkreten Terminen vor. In der Vergangenheit habe der Kreis mehrfach versucht, im Vorfeld atomarer Transporte Informationen über den genauen Zeitpunkt und die Route zu erfahren. Das sei jedoch stets vonseiten des Bundesamts für Strahlenschutz und des Niedersächsischen Umweltministeriums mit Verweis auf die rechtlichen Bestimmungen abgelehnt worden. 2012 hatten Atomkraftgegner deshalb Wochen vorher begonnen, das Transportschiff zu beobachten, um seine Ankunftszeit in Nordenham vorauszusagen.
Auch wenn der Landkreis den Transporttermin nicht kennt, spielt das Thema dort eine Rolle. Der frühere Kreistagsabgeordnete Thomas Bartsch (Die Linke) will die Einwohnerfragestunde im Kreisentwicklungsausschuss nutzen und nachfragen, wie die Bevölkerung über den Transport informiert wird und welche Maßnahmen der Landkreis zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt vorgesehen hat. Die Sitzung am Dienstag, 25. Februar, beginnt um 16.30 Uhr im Braker Kreishaus.