Delmenhorst. Natürlich hatten sie nicht damit gerechnet, dass es wieder mehr als 1000 Teilnehmer werden. Da war Alena Wefer als eine der Organisatorinnen realistisch genug. Aber am Ende war es dann schon etwas enttäuschend, dass es nur rund 100 Demonstranten waren, ungefähr die Hälfte davon Schüler, die andere Hälfte aus dem Segment 50plus. Aber das demotivierte die Fridays-for-Future-Bewegung in Delmenhorst nicht. „Wir werden nicht aufhören“, sagte Alena Wefer. Was allein deswegen gut ist, weil die zweite Demo ein sehr gut umgesetztes Schwerpunkt-Thema hatte, so soll es auch bei den nächsten Demos sein. Bei der Premiere ging es ja eher allgemein um den Klimawandel, dieses Mal ging es um Plastik. Und dazu wurden gute Gastrendner eingeladen.
Zum Beispiel Pia Sattler, die gerade eine sehr zeitgemäße Geschäftsidee verfolgt und in Delmenhorst einen Unverpackt-Laden eröffnen wird. Sie knöpfte sich die Politik vor und betonte, dass man auch in Berlin nicht mehr bis 2021 warten solle, um das Klimapaket umzusetzen. „Wir müssen jetzt beginnen. Und wenn wir Klimagerechtigkeit beachten wollen, müssen wir dafür auch Geld in die Hand nehmen.“ Zudem nahm sie sich Leugner des menschengemachten Klimawandels vor, speziell die AfD. Aber auch Delmenhorst hatte sie im Fokus. Der Stadtrat hat erst jüngst beschlossen, dass Delmenhorst Klimamusterstadt werden soll. Eine Stadt, in der man laut Pia Sattler zwei Jahre auf eine Fahrradbox am Bahnhof warten müsse, eine Stadt, in der gerade beschlossen wird, dass die Preise für Bus- und Bahnfahrten steigen werden. „Klimamusterstadt – das geht anders.“
Apropos Klimamusterstadt: Waren bei der ersten Demo zahlreiche Ratsmitglieder zwischen den Demonstranten zu sehen, lief dieses mal nur eine einzige Delmenhorster Politikerin mit, Marianne Huismann, Fraktionschefin der Grünen. Aber das nur am Rande. Pia Sattler rief indes alle Teilnehmer auf, einfach ab sofort in ihrem eigenen Leben etwas zu ändern, „macht kleine, erste, langsame Schritte“. Einer dieser Erstschritte ist es, mit Stoffbeuteln zum Einkaufen zu gehen und in den Supermarkt Mehrwegbehälter mitzunehmen, um darin direkt Wurst und Käse verpacken zu lassen. „In Deutschland produzieren wir jedes Jahr pro Kopf 226 Kilogramm Plastikmüll – das ist 20 Prozent mehr als der Durchschnitt in Europa“, sagte Pia Sattler und rief zum Umdenken beim Einkaufen auf.
Valeska Diemel berichtete über das große Thema Plastikmüll in den Ozeanen. Sie ist Meeresbiologin und einer der Köpfe hinter Fish-Act, eine Nichtregierungsorganisation, die sich dem Schutz der Meere verschrieben hat. Zudem ist sie passionierte Taucherin. „Wenn ihr nach einer Stunde auftaucht und ihr habt in der Zeit nicht einen Fisch gesehen, dann wisst ihr, da läuft etwas falsch.“ 13 Millionen Tonnen Plastikmüll gelangen jedes Jahr ins Meer, die Hälfte von Land, der Rest durch die Fischerei. Die Auswirkungen sind fatal, weil Fische und andere Meeresbewohner das Plastik essen oder als Kleinstpartikel aufnehmen und vielleicht irgendwann daran sterben, weil sie es nicht verdauen können und ihr Magen übervoll mit Plastik ist. „Jeder hat schon Bilder von toten Schildkröten gesehen, denen die Plastiktüte noch halb aus dem Mundwinkel hing.“
Auch Marina Becker-Kückens, Chefin des Regionalen Umweltzentrums (RUZ) in Hollen, war als Rednerin eingeladen. Am RUZ, an dem quasi jeder Tag Fridays for Future sei, spielt Plastikvermeidung genau wie eine klimaschonende Ernährung eine große Rolle. „Jedes Jahr wird so viel Plastik hergestellt, dass man die Welt sechs Mal darin einwickeln könnte“, sagte sie. Und: „Das beste Plastik ist das, was gar nicht erst hergestellt wird.“
Das, was am Ende blieb, hat der grandiose Texter Farin Urlaub in dem Ärzte-Song „Deine Schuld“ auf den Punkt gebracht: „Glaub keinem, der Dir sagt, dass Du nichts verändern kannst / Die, die das behaupten, haben nur vor der Veränderung Angst / Es sind dieselben, die erklären, es sei gut so, wie es ist / Und wenn Du etwas ändern willst, dann bist Du automatisch Terrorist / Es ist nicht Deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist / Es wär nur Deine Schuld, wenn sie so bleibt.“