„Um die schönen, jungen Tiere kümmert sich jeder, um die behinderten keiner“, sagt Kornelia Ries. „Jeder möchte einen Welpen haben“, pflichtet Udo Rauch bei. Die beiden Hundebesitzer und Tierliebhaber haben einen anderen Weg eingeschlagen. Sie kümmern sich um behinderte und alte Hunde und Katzen, haben dafür eigens einen Verein gegründet. So können sie Spenden annehmen und Quittungen ausstellen.
„Meine Frau und ich sind schon jahrelang im Tierschutz aktiv. Dabei kümmern wir uns auch immer wieder um behinderte Tiere“, erzählt Udo Rauch, der im Berner Ortsteil Neuenhuntorf eine vom Veterinäramt anerkannte Pflegestelle führt. Er selbst besitzt mit der Havaneser-Hündin Gina einen Vierbeiner, dessen Vorderbeine zertrümmert sind und der deshalb auf einen Vorderradrolli angewiesen ist.
Um Gina und den anderen betroffenen Tieren besser helfen zu können, gründete Rauch im Januar den Verein. Zu den Gründungsmitgliedern gehört auch Marita Lange aus Oldenburg. „Ich habe vor einiger Zeit einen behinderten Hund aus China adoptiert und über den Mann, der seinen Frontrolli gebaut hat, den Kontakt zu Udo Rauch bekommen.“
Was dem kleinen „Qing“ im Fernen Osten angetan wurde, liest sich wie eine Horrorgeschichte. Als ein Amerikaner den Rüden im Oktober 2016 schwer verletzt auf einer Straße fand, fehlten ihm die unteren Knochen der Vorderbeine. „Seine Beine waren praktisch zur Hälfte ab“, berichtet Marita Lange. Was zuvor geschehen war, könne sie nur vermuten. Aber die Oldenburgerin glaubt, dass dem kleinen Hund die Füße bewusst abgeschnitten wurden, da Hundepfoten in China als Glücksbringer gelten.
Mittlerweile sei er ein fröhlicher und frecher Hund, der sich nicht das kleinste Bisschen behindert fühle. So tolle er gerne ausgelassen mit seinen Artgenossen herum. Und Marita Lange wird jedes Mal warm ums Herz, wenn sie ihren Qing beobachtet. „Einem Wesen zurück ins Leben zu helfen, macht selbst glücklich“, sagt die Hundebesitzerin.
Bei dem großen Leid, das einige Tiere erfahren haben, stelle sich manchem Beobachter die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, den Hund oder die Katze zu erlösen. „Wenn ein Tier so etwas, wie es Qing widerfahren ist, überlebt hat, dann will es leben“, ist Vereinsmitglied Kornelia Ries überzeugt. Wenn die Tiere anschließend ohne Schmerzmittel leben könnten und gut fräßen, sei das ein Zeichen, dass es ihnen nicht mehr schlecht gehe.
Prominente Unterstützer
Regelmäßig postet die 64-Jährige, die mit dem Einsatz für gehandicapte Tiere eine Aufgabe für die Zeit nach ihrem Berufsleben gefunden hat, Bilder auf Instagram. Diese gehen um die ganze Welt, denn die Mitglieder des Vereins „Ein Herz für Handicap Tiere“ wohnen nicht nur in Deutschland. „Unsere Mitglieder kommen aus Europa und sogar aus Indonesien und China“, berichtet der Vorsitzende Udo Rauch. 46 Mitglieder zählt der noch junge Tierschutzverein mittlerweile.
Selbst auf prominente Unterstützung könne der Verein mittlerweile zählen, freut sich Rauch, zum Beispiel vom Tierschützerteam „Harte Hunde“ des Fernsehsenders Vox sowie von Starfrisör Udo Waltz, der auch schon auf Plakaten einer Tierschutzorganisation Flagge gegen Tierversuche gezeigt hat. Während die Unterstützung der Promis ideeller Art ist, freuen sich Rauch und seine Weggefährten auch über ganz konkrete Hilfe. So hätten einige Supermärkte und Futtermittelhersteller Futterspenden zugesagt sowie Apotheken und Tierärzte Hilfe versprochen.
Nichtsdestotrotz benötige „Ein Herz für Handicap Tiere“ weitere Unterstützer. Die Behandlung und Betreuung behinderter Tiere sei teuer, sagt der Vereinsvorsitzende. „Ein Rolli kostet beispielsweise zwischen 600 und 700 Euro.“ Neben Geld- und Sachspenden braucht der Verein zudem weitere Pflegestellen. Derzeit stehen ihm die beiden bei den Rauchs in Neuenhuntorf zur Verfügung.
Eine Pflegestelle ist keine Dauerlösung. Wenn die Tiere aufgepäppelt sind, werden sie vermittelt. Mit den Hündinnen „Baby“ und „Dora“ kann „Ein Herz für Handicap Tiere“ erste Vermittlungserfolge vorweisen. Am Sonnabend wird zudem Kater „Samuel“ in ein neues Zuhause umziehen.
Umziehen wird auch „Mommy“ – und zwar von Schanghai nach Neuenhuntorf. Angelika und Udo Rauch nehmen die querschnittsgelähmte Hündin privat auf, denn noch fehlt „Ein Herz für Handicap Tiere“ die Genehmigung, Tiere aus dem Ausland zu vermitteln. Beratend zur Seite stehen die Mitglieder des Vereins Besitzern behinderter Tiere allerdings schon jetzt. „Wir haben für verschiedene Themen wie Orthopädietechnik, Physiotherapie, Sehbehinderung oder Inkontinenz unsere Experten“, sagt Monika Hartmann, die sich selbst bestens mit Hunden mit Epilepsie auskennt. Hartmann weist allerdings darauf hin, dass es sich stets um Tipps handele. „Wir können keine Diagnose stellen. Wir haben keine Tiermedizin studiert. Der Gang zum Tierarzt ist unerlässlich.“ Den meisten Anrufern sei das klar, sagt die Hildesheimerin. „Viele brauchen erst mal nur jemanden, der zuhört.“ Zuhören, beraten und vermitteln, das sind genau die Tätigkeiten, die „Ein Herz für Handicap Tiere“ zukünftig weiter machen wird.