Sannau. 1552 soll es in der Ortschaft Sannau zwischen Altenesch und Bardewisch acht Häuser gegeben haben. Heute sind es etwa 20, in denen 70 bis 80 Menschen leben. Entsprechend familiär geht es zu, als die Sannauer am Wochenende die 880-Jahr-Feier ihres Dorfes begehen. Hans-Jochen Döhle, der das Fest zusammen mit der Nachbarschaft vorbereitet, zeigt sich rundherum zufrieden. „Das ist es, war wir erreichen wollten.“
Sonnabendnachmittag kurz vor fünf Uhr. Im Köpenicker Fußballstadion sieht alles nach einem Sieg für Werder Bremen aus. Der Hof- und Hökermarkt auf einem Hof an der Straße Am Schneiderkrug, wo an einem Stand die Sportübertragung im Radio läuft, neigt sich dem Ende zu
Seit dem Mittag hatten die Besucher die Gelegenheit, sich mit Haushaltswaren, Spielen und Marmeladen, Fotoapparaten, Computertechnik und manch anderem einzudecken. Gleich um die Ecke werden vor einer Garage Schaufeln, Harken und Forken, Hobel, Feilen, Schraubenschlüssel und jede Menge andere Werkzeuge angeboten. Die Auswahl ist riesengroß. 13 Euro für einen Spaten und ein Nageleisen, besser bekannt als Kuhfuß, wer kann da schon widerstehen?
An den Ständen auf dem Hof beginnen die ersten Verkäufer mit dem Abbau. So manches, was ausgepackt wurde, wird wieder eingepackt. „Wer zum Flohmarkt geht, kennt es, die Hälfte oder Dreiviertel der Sachen wieder mitzunehmen“, meint Johanna Kettelhake. Dennoch ist sie guter Dinge. „Die Leute nehmen das Angebot gerne an.“ Besucherin Inga Rädger schätzt an der Veranstaltung besonders die Gespräche. „Das gibt Gemeinschaft.“
Die Geschichte Sannaus, das 1139 unter dem Namen „Sandouwe“ erstmals urkundlich erwähnt wurde, spielt beim Hökermarkt kaum eine Rolle. Um sie ging es am Abend zuvor in einem Vortrag des Historikers Bernd Ulrich Hucker von der Universität Vechta. Seine Erkenntnisse über die Frühgeschichte des Stedinger Dorfes können auch in einem kleinen Büchlein nachgelesen werden, das rechtzeitig zur 880-Jahr-Feier fertig geworden ist und auf dem Fest zum Verkauf ausliegt.
Darin erklärt der Historiker unter anderem die Überlieferungen zur Legende, wonach die Kirchen in Altenesch und Sannau zum Gedenken an die Schlacht der Stedinger gegen die Truppen des Bremer Erzbischofs bei Altenesch von 1234 erbaut sein sollen.
Viel wahrscheinlicher ist es laut Ulrich Hucker, dass die dem heiligen Martin geweihte Sannauer Kirche von Lesum aus gegründet wurde. Lesum war damals der Mittelpunkt der Kolonisation der Gebiete an der Unterweser durch die Bremer Kirche, wie es weiter heißt. Der Siedlungsname, führt der Geschichtswissenschaftler weiter aus, lässt sich von einer Flussbezeichnung, der Sand-Aue, herleiten. Im 12. Jahrhundert habe das Dorf durch eine Kirche und einen Adelssitz eine gewisse Bedeutung erlangt. Von der Niederadelsfamilie von Sannau seien allerdings keine Spuren mehr zu finden.
Mittelalterliche Klänge
Rund 70 Zuhörer folgten beim Vortrag den Ausführungen des Geschichtwissenschaftlers aus Vechta. Einer von ihnen ist Thomas Schriefer, dessen Hof bereits um 1680 erwähnt wurde. Dass die Bauern im 12. und 13. Jahrhundert überwiegend Leibeigene waren und die Höfe der wenigen freien Bauern an die mal kirchliche, mal weltliche Obrigkeit zurück fielen, wenn sie keinen männlichen Erben hervorgebracht hatten, ist Schriefer besonders in Erinnerung geblieben. „Es war erstaunlich zu hören, welche Abhängigkeiten bestanden.“
Ein besonderes Lob verdient seiner Ansicht nach die musikalische Umrahmung. Das 13 Musiker starke „Consort allerley“ von der Musikschule Wesermarsch hatte mit ihren Gamben, Altflöten und weiteren mittelalterlichen Instrumenten Musik aus dem 13. bis 17. Jahrhundert gespielt. Für ein Dorffest sei das eine eher ungewöhnliche Musikrichtung, sagt Schriefer, dennoch sei das Echo darauf sehr positiv gewesen. „Das haben wir so noch nie gehört. Je länger es dauerte, desto schöner wurde es.“
Über den gelungenen Abend freut sich auch Hans-Jochen Döhle. „Hucker ist tiefer eingetaucht und hat das trockene Thema humorvoll dargestellt.“ Verleger Helmut Donat, der das kleine Buch über die Frühgeschichte Sannaus herausgebracht hat, schließt sich an und lobt ebenfalls die „fantastische Musik“.
Der Hökermarkt geht zu Ende. Ein Schmied, der seine Handwerkskunst vorgeführt hat, packt seinen Amboss wieder ein. „Es hat sich gelohnt, das Wetter passte“, meint eine der Frauen am Stand des Eine-Welt-Ladens und lobt die schöne Atmosphäre bei der 880-Jahr-Feier. Hille Rowehl kann da nur zustimmen. Finanziell habe sich der Flohmarktstand für sie nicht gelohnt, sagt die Altenescherin. „Es macht trotzdem Spaß. Im Grunde schreit das nach einer Wiederholung.“
Doch erst einmal feiern die Sannauer ihr Jubiläum. Im Zelt nebenan wird das erste Bier ausgeschenkt. Am Abend stehen Musik des Gitarrenduos Jochen & Georg und ein Auftritt der Band Huder Session auf dem Programm. Die Jungs von der Landjugend haben schon mal den Grill angefeuert.