Im Winter stirbt jedes siebte heimische Honigbienenvolk. Die Zahl nennt das Fachzentrum Bienen und Imkerei in Mayen. In Bremen sind es mehr, meint Marten Carstensen, Leiter des Imker-Lehrgangs und zweiter Vereinsvorsitzender der Bremer Imker von 1875. Nach seinen Schätzungen stirbt an der Weser sogar jedes dritte bis vierte Volk. Wie schwer es ist, ein Bienenvolk vor dem Untergang zu bewahren, erfahre ich in diesen Tagen.
„Was machen Deine Bienen?“, fragen mich die Nachbarn. „Schlafen sie?“ Der Gedanke liegt nahe, denn im Garten sind keine Bienen mehr unterwegs. Aber die Bienen schlafen nicht. Sie sitzen als Traube im Kasten und die äußersten Bienen wärmen durch Vibrationen ihrer Muskulatur die innen sitzenden. „Die Bienen fahren ihre Aktivitäten im Winter herunter. Es gibt nun keine oder fast keine Brut mehr“, erklärt Kursleiter Marten Carstensen. Die Temperatur sei deshalb auch nicht mehr so hoch, statt bis zu 36 Grad herrschen im Winter im Bienenstock nur noch 24 Grad: „Das zeugt von hoher Effizienz“, meint der Borgfelder.

Schulungstag in der Vahr: Ariane Schulz, Imkerin aus Bremen, behandelt ein Bienenvolk mit Oxalsäure gegen die lebensbedrohliche Varroamilbe.
Jede Suche nach Futter würde die Bienen im Winter unnötig belasten. Deshalb haben wir Anfänger gelernt, sie früh mit Zuckerrübensaft zu füttern. Dafür wird im Spätsommer ein Extra-Kasten auf die Bienenhäuser gesetzt, die Futterzarge. Meine beiden Völker haben binnen kurzer Zeit mehr als 30 Kilogramm Sirup eingelagert. Bis Oktober mussten die Waben gefüllt sein.
Danach soll der Imker möglichst jede Störung ausschließen. Schon ein bei Wind gegen die Beute schlagender Zweig, sorge für Unruhe im Volk. „Dann erhöhen sie die Temperatur und fressen mehr“, erklärt Carstensen. Wirklich gefährlich würde den Bienen im Winter aber vor allem die Varroa-Milbe, betont Marten Carstensen. Die gut ein Millimeter große, zeckenartige Varroa-Milbe gilt als Hauptgrund für das Bienensterben.
Neue Studien haben gezeigt, dass die Milbe den Fettkörper der Biene anzapft und deren Immunsystem schwächt. Bienen-Brut stirbt meist gleich nach dem Schlüpfen, erwachsene Bienen kommen nicht durch den Winter. Die Milben schaffen es, ganze Völker dahin zu raffen.
Im Sommer haben meine Patin Anke Scheffler-Hincke und ich bereits Ameisensäure gegen die Milbe auf die Völker ausgebracht; am letzten Schulungstag des Jahres wollen uns Carstensen und Co-Referent Marcus Bräunlich zeigen, wie man die Bienen im Winter zusätzlich mit organischer Oxalsäure beträufelt, um sie von Milben zu befreien.
Deshalb stehen wir Neu-Imker an diesem kalten Novembertag rund um ein paar Bienenkästen unseres Lehrgangsleiters an einem Hotel in der Vahr und frieren uns einen ab. Das Gras am Bienenstand ist nass und die Feuchtigkeit kriecht uns in die Glieder, während Kursteilnehmerin Ariane Schulz vorsichtig eine Spritze mit der ätzenden Säure aufzieht. Säurefeste Schutz-Handschuhe sind unerlässlich.
„Die Oxalsäure ist kein Jungbrunnen, sie greift auch die Bienen an“, erläutert Marten Carstensen. Deshalb dürfe sie nur in der brutfreien Zeit angewandt werden. Das ist in der Regel drei Wochen nach einer Kälteperiode mit Nachtfrösten der Fall. Es ist nicht einfach, den richtigen Zeitpunkt für die Behandlung zu erwischen. Für uns gilt die Faustregel: frühestens Anfang November, spätestens bis Weihnachten. Länger sollen wir nicht warten, weil die Bienen nach längeren Wärmeperioden mit dem Brüten beginnen können. Außerdem: Je kälter es ist, desto enger hocken die Tiere zusammen, desto besser wirkt die Behandlung.
Tropfen für Tropfen sickert die Säure aus der Spritze. Referent Marcus Bräunlich erklärt, dass wir circa 50 Milliliter pro Volk in die Lücken zwischen den Waben spritzen sollen. Bei schwächeren Völkern reichten auch 30 Milliliter. Aber ganz drauf verzichten dürfe der Imker nicht, sonst geht sein Volk ein. Es könne trotzdem sein, dass wir im Frühjahr leere Kästen finden, entlässt uns Marten Carstensen am letzten Schulungstag. „Ihr seid jetzt losgegangen, da wird noch viel passieren.“
Nach all den Bemühungen um die Gesundheit meiner Bienen bin ich eigentlich zuversichtlich, dass sie gut durch den Winter kommen. Doch als kurz vor Weihnachten Imker-Patin Anke Scheffler-Hincke und Imkerkollegin Christina Jappen am Bienenstand stehen, um mit mir zusammen die Varroa-Winterbehandlung durchzuführen, erlebe ich eine böse Überraschung. Gleich als ich den Deckel des Bienenhauses anhebe, ahne ich das Schlimmste: Kein Aufbrausen, nicht mal ein leises Summen. Alle Bienen sind tot.
Wie kann das sein? Wir untersuchen die Rahmen in den Kästen. Noch immer grassiert in Bremen die Amerikanische Faulbrut (AFB), die tödliche Bienenseuche. Noch immer bestehen Sperrbezirke. Mehr als 450 Honigproben wurden vom Veterinäramt nach Information unserer Zeitung zur Untersuchung ins Bieneninstitut in Celle geschickt. Mehrere Völker mussten abgetötet werden. Sie waren nicht zu retten. Eine Stellungnahme vom Gesundheitsressort gibt es dazu auf Anfrage nicht.
Ich gehe davon aus, dass die Proben meiner Völker in Ordnung waren. Denn wir finden keine faulig riechenden Maden oder andere Anzeichen, die auf Amerikanische Faulbrut hindeuten. Wir finden: Varroa destructor. „Atme erstmal durch“, tröstet mich meine Imker-Patin. Das, was ich nun erlebe, treffe jeden Imker einmal. Früher oder später.
„Varroa-Milbe und Westliche Honigbiene sind noch nicht aneinander angepasst. Gestartet ist man in der Zucht mit der Hoffnung auf eine Varroa-Resistenz, verfolgt jetzt das kleinere Ziel der Varroatoleranz bei der Königinnenzucht“, sagt Werner von der Ohe, Leiter des Bieneninstituts in Celle. Die Milbe und Nahrungsmangel seien Schuld daran, dass es kaum noch wild lebende Honigbienenvölker gebe.
Längst wurden Versuche unternommen, die Milben durch neue, natürlichere Methoden in der Bienenhaltung auszumerzen. Von der Ohe berichtet von der Bienensauna, in der sich die Bienen gesund schwitzen und die Milben vertrieben werden sollten. Die Sauna sei ein Hype gewesen, habe aber nicht funktioniert. Der Leiter des Bieneninstituts ist überzeugt, dass es den Bienen gleichgültig ist, in welcher Behausung sie leben. Der Biologe: "Was wir erlebt haben, ist, dass einzelne Personen eine tolle Idee haben, wie die Varroa-Milbe zu bekämpfen sei, aber das hat alles nicht zum Erfolg geführt, sondern nur die Imker verunsichert.“
Es ist ein furchtbares Gefühl, das Sterben nicht immer aufhalten zu können. In unserer Imker-Whats-App-Gruppe berichten auch andere vom Tod ihrer Völker. Einige haben in diesem Herbst nur ein Volk, ein Kollege hingegen sogar 18 Völker verloren. Die Varroa-Milbe sei dieses Jahr besonders aggressiv, heißt es in der Gruppe. Ich bin nun eine Imkerin ohne Bienen. Aber nicht für lange, sagt meine Imkerkollegin Christina Jappen. Auf mich wartet ein Ableger ihrer Bienen. Aufgeben kommt nicht infrage.
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Bienen rücken immer mehr ins Blickfeld der breiten Öffentlichkeit. Imkern ist in. Doch wie kommt man zum Schwarm seines Lebens? In lockerer Folge berichte ich über meine ersten Schritte als Imkerin und das Abenteuer Bienenhaltung.