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JVA Sehnde Fachkräfte aus dem Gefängnis

Nicht nur in Sachen Sicherheit ist die JVA in Sehnde ein Vorbild: Mit einer Berufsausbildung will die JVA die Insassen besser auf das Leben in Freiheit vorbereiten.
28.11.2018, 20:08 Uhr
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Fachkräfte aus dem Gefängnis
Von Peter Mlodoch

Van leistet ganze Arbeit. Blitzschnell erschnüffelt der Schäferhund in einem Regal im Pausenraum der Schlosserei der Justizvollzugsanstalt Sehnde ein Päckchen Cannabis, dann in einem Spind ein gerade mal vier Zentimeter langes Micro-Handy. Drogen und Mobiltelefone sind hinter Gittern absolutes Tabu, auch und gerade in den Werkstätten, die ihren Beitrag zur Resozialisierung der Häftlinge leisten sollen.

Zur Belohnung darf sich Van spielerisch mit seinem Herrchen rangeln. „Du bist ja ein ganz Braver“, lobt Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) das achtjährige Tier. Hundeführer Sven Feister nickt stolz; die Vorführung ist gelungen. In fast allen Justizvollzugsanstalten (JVA) des Landes gehört der Einsatz von solch speziell auf Rauschgift und Handys abgerichteten Hunden zum Alltag.

Mit 514 Haftplätzen zählt das 2004 fertiggestellte Gefängnis in Sehnde südöstlich von Hannover zu den größten Haftanstalten Niedersachsens. Und zu den sichersten. Eine sechs Meter hohe und 1,3 Kilometer lange Mauer umgibt das Gelände – von innen zusätzlich abgeschirmt durch einen Nato-Drahtzaun mit speziellen Alarmsensoren. In der einzigen Fahrzeugschleuse horcht ein Herzschlag-Detektor, ob sich ein potenzieller Ausbrecher hinter schmutziger Wäsche versteckt hat. „Das hat hier noch keiner probiert“, berichtet der Sicherheitschef.

Nicht nur in Sachen Sicherheit ein Vorbild

Stahlbetonwände, Mangan-Hartstahlgitter vor den Fenstern und dicke Türen, die drei Tonnen Zugkraft widerstehen, sichern die Zellen ab. „Ausbruchsversuche hat es in Sehnde bislang nicht gegeben“, berichtet die neue Anstaltsleiterin Regina Weichert-Pleuger, die bis vor Kurzem noch die JVA Rosdorf bei Göttingen führte.

Aber nicht nur in Sachen Sicherheit ist Sehnde ein Vorbild. Der Knast zählt zu den Pilotanstalten, die mit einer detaillierten Berufswegeplanung die Häftlinge schon bald nach Strafantritt für ein späteres Leben draußen vorbereiten. „Wenn einer aus dem Gefängnis kommt, ist er ja nicht gerade der Beliebteste auf dem Arbeitsmarkt“, sagt die ehemalige Richterin Havliza. Deswegen sei eine abgeschlossene Ausbildung ein „guter Startblock“ für jeden Entlassenen. Und daher werde Niedersachsen diesen wichtigen Baustein für die Resozialisierung weiter vorantreiben: Die Zahl der Aus- und Weiterbildungsplätze werde von derzeit 1014 um 17 weitere erhöht, kündigt die Ministerin bei ihrem Besuch an.

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Neben Lehrküche und Logistik setzt Sehnde vor allem auf Metallverarbeitung. Die Häftlinge können hier einen Schweißerschein erwerben oder sich zu Fachkräften für Metall-, Zerspanungs- und Konstruktionstechnik ausbilden lassen. Die riesige Schlosserei verfügt über computergesteuerte Fräsen und andere hochmoderne Präzisionsmaschinen. Damit bauen die Gefangenen gefragte Produkte für den Markt, längst nicht mehr den früher berüchtigten „Knacki-Kram“ in Gestalt von kitschigem Kupfer-Wandschmuck: Stabile Schreibtische, die in niedersächsischen Behörden ihre Abnehmer finden. Oder hochwertige Edelstahlgrills, in Miniversion für den Campingplatz ebenso wie Großgeräte für den Einsatz auf den Luxus-Kreuzfahrern „MS Europa“ und „MS Europa 2“.

Die Identifikation mit diesen Produkten stärke die Motivation, erzählt Schlossereileiter Jörg Haarstrich. „Hier kommt etwas Echtes bei raus, das die Gefangenen stolz macht.“ Und sie angesichts des Fachkräftemangels draußen später zu gefragten Leuten werden lässt. Vertragsfirmen der JVA erkundigten sich oft schon vor dem Entlassungstermin nach künftigen Mitarbeitern, berichtet Jens Klotzsch vom Landesbetrieb der JVA-Betriebe. Hinter Gittern bereite der Umgang untereinander kaum Probleme. „Das Verhältnis mit den Gefangenen ist nicht viel anders als in einer Werkstatt draußen“, meint Haarstrich. „Wir arbeiten Hand in Hand. Und der Meister wird respektiert.“

Jederzeit mit Schnüffelei rechnen

Nur die vielen Überwachungskameras und die Metallschleuse am Eingang zeugen davon, dass es sich nicht um eine gewöhnliche Schlosserei handelt. Die Häftlinge sollen schließlich nicht Waffen oder Fluchtwerkzeuge zusammenbasteln und rausschmuggeln können. Auch mit der Schnüffelei von Hund Van müssen die Metallarbeiter jederzeit rechnen. Schon vor der Zuteilung einer Arbeit durchleuchtet die Justizvollzugsanstalt ihre Insassen, ob diese sich auch unter Sicherheitsaspekten dafür eignen.

Echte Gefangene sind an diesem abendlichen Besuch der Ministerin mit Pressebegleitung übrigens nicht zu sehen. „Die Persönlichkeitsrechte sollen gewahrt bleiben“, betont Havliza. „Ich möchte hier keinen Zoo-Effekt haben.“

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