Retten, bergen, löschen, schützen. Das wollte Jörg Laude, als er vor vielen Jahren bei der freiwilligen Feuerwehr in Schwanewede eintrat. Heute ist er Ortsbrandmeister – und sieht das Brandschutz-Ehrenamt belastet durch immer mehr Bürokratie. „60 Prozent meiner Tätigkeit als Ortsbrandmeister besteht aus Verwaltungsarbeit und Organisation, 40 Prozent ist echte Feuerwehrarbeit“, sagt der 49-Jährige. Mit seiner Klage ist er nicht allein. Auch in anderen freiwilligen Feuerwehren in der Region stoßen die ehrenamtlichen Helfer an ihrer Grenzen, wird Entlastung gefordert.
Geklagt wird vor allem über zeitraubende Einsatzdokumentationen und aufwendige Prüfvorschriften für Geräte. Mehr als 800 Stunden ehrenamtliche Arbeit hat Ortsbrandmeister Laude nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr geleistet. „Auf die Verwaltungsarbeit entfallen im Schnitt pro Jahr 400 bis 450 Stunden.“
Die Einsatzdokumentation nimmt laut Laude nicht nur wegen steigender Einsatzzahlen immer mehr Zeit in Anspruch. „Einsätze, vor allem kostenpflichtige, müssten heute anders als früher bis in kleinste Detail dokumentiert werden. Wir müssen angeben, wie wir die Einsatzstelle vorfinden, wann welches Fahrzeug mit wie vielen Einsatzkräften vor Ort ist, welche Maßnahmen wir durchführen, welche Geräte wir für welche Zwecke einsetzen und wie lange ein Einsatz exakt dauert.“
Die Grunddaten würden an der Einsatzstelle in einem Formblatt erfasst und später als ausführlicher Bericht in das Online-Verwaltungsprogramm „FeuerON“ eingegeben. 2019 hatten die Schwaneweder 112 Einsätze. „Durchschnittlich 20 bis 30 Minuten dauert es, einen Bericht zu erstellen. Im Jahr kommen da schnell über 40 Stunden zusammen“, rechnet der Schwaneweder Ortsbrandmeister vor. Ein Bericht über einen kostenpflichtigen Einsatz könne schon mal 45 bis 60 Minuten dauern. Laudes Vorschlag zur Entlastung der freiwilligen Wehren: „Anhand der Formblatt-Daten könnte die Gemeindeverwaltung die Einsatzberichte erstellen.“
Die freiwillige Wehr Lemwerder will das Heft bei der Einsatzdokumentation nicht aus der Hand geben. Zwar stellt auch hier Ortsbrandmeister Lars Prößler fest: „Die Verwaltungsarbeit nimmt zu, die Einsatzdokumentation ist aufwendiger als früher.“ Prößlers Stellvertreter Dennis Bösche, der sich bei der Wehr um die Verwaltungsaufgaben kümmert, bestätigt das. „Je nach Art des Einsatzes sitzt man an einem Bericht im Schnitt schon mal 30 bis 45 Minuten.“ Trotzdem würde er die Aufgabe nicht an die Gemeinde abgeben wollen. „Für einen Nicht-Feuerwehrmann wäre das schwierig“, meint Bösche. Mit einem ausführlichen Bericht sei die Feuerwehr auch „auf der sicheren Seite“ für den Fall, dass Bürger bei einem kostenpflichtigen Einsatz gegen die Gebühren klagen.
Online verwalten die Feuerwehren auch ihre Gerätschaften. Das Einpflegen in das System sei aufwendig, sagt Dennis Bösche. Beispiel Funkgeräte. „Jedes einzelne Gerät ist genau zu beschreiben, einem Fahrzeug und manchmal auch einer Person zuzuordnen. Das kann 15 bis 20 Minuten dauern. Und wir haben rund 30 Funkgeräte.“
Alle Hände voll zu tun haben die Gerätewarte. In Schwanewede leisteten sie mit ihren Helfern im vergangenen Jahr 655 Dienststunden. „Jedes Stück Material auf den Fahrzeugen muss geprüft werden. Allein bei unserem Rüstwagen sind das über 500 Einzelteile“, sagt Ortsbrandmeister Jörg Laude. Strengere Prüfvorschriften kosten nach seine Worten Zeit. „Die Prüfung einer einzelnen Leiter kann bis zu einer halben Stunde dauern. Wir haben fünf Leitern, die einmal im Jahr zu prüfen sind. Da sind wir gut zwei Stunden mit beschäftigt.“
In Lemwerder sieht es ähnlich aus. „Für den Gerätewart kommen schnell 500 Stunden im Jahr zusammen, plus Helferstunden sind wir bei 600 bis 700 Stunden“, sagt der stellvertretende Ortsbrandmeister. Noch könne die Wehr das leisten. „Wir haben genug Aktive, die bereit sind, die Aufgabe des Gerätewartes ehrenamtlich zu übernehmen.“ Er weiß aber von freiwilligen Wehren wie der in Nordenham, die schon auf hauptamtliche Werkstatt-Kräfte zurückgreift.
Über die Idee wird im Landkreis Osterholz nachgedacht. „Es gibt solche Überlegungen“, bestätigt der Schwaneweder Gemeindebrandmeister Kai Teckentrup. Die Gemeinde- und der Stadtbrandmeister der Kommunen im Landkreis hätten „übereinstimmend festgestellt, dass ein dringender Handlungsbedarf besteht, die ehrenamtlichen Funktionsträger zu entlasten. Und zwar bevor es zu Schwierigkeiten bei der Besetzung von Dienstposten kommt. Die dringend notwendige Entlastung könnte durch die Anstellung eines hauptamtlichen Gerätewartes erfolgen.“
Als mögliche Aufgaben für eine solche Kraft nennt Teckentrup unter anderem die Dokumentation von Geräteprüfungen, die Überwachung von Prüffristen, Pflege- und Instandsetzungsarbeiten an Fahrzeugen und Geräten oder das Überführen von Einsatzfahren zu Wartung und Reparatur bei der Feuerwehrtechnischen Zentrale. „Es geht nicht darum, irgendwelche ehrenamtlichen Dienstposten abzuschaffen, sondern darum, ehrenamtliche Funktionsträger da zu entlasten, wo Entlastung benötigt wird“, betont der Schwaneweder Gemeindebrandmeister. Bei der Gemeinde hat Teckentrup nach eigenen Angaben bereits einen Antrag für die Stelle eines hauptamtlichen Gerätewartes gestellt.
Über eine Mehrbelastung durch Verwaltungsaufgaben und Prüfpflichten können die freiwilligen Brandschützer in Vegesack nicht klagen. „Bei uns ist der Aufwand deutlich reduzierter“, sagt Wehrführer Jan Eike Hartmann. Anders als in Niedersachsen gibt es in Bremen eine Berufsfeuerwehr, die von 19 freiwilligen Wehren ergänzt und unterstützt wird. „Einen großen Teil des Einsatzdienstes im Stadtgebiet übernimmt die Berufsfeuerwehr“, sagt Hartmann. 2019 kam die freiwillige Feuerwehr Vegesack auf 42 Einsätze. „Ein geringer Teil davon waren Einsätze, die wir ohne die Berufsfeuerwehr alleine abarbeiteten“ erklärt der Wehrführer.
Weil die Berufsfeuerwehr nach seinen Worten auch die Dokumentation für alle gemeinsamen Einsätze übernimmt, halte sich der Aufwand bei den Freiwilligen Feuerwehren in Grenzen. Auf zwei bis drei Stunden in der Woche beziffert er ihn für seine Wehr. Die Instandhaltung und Prüfung der Geräte der freiwilligen Feuerwehr liege ebenfalls überwiegend in der Hand der Berufsfeuerwehr. „Der größte Aufwand für uns ist die Grundreinigung unserer drei Fahrzeuge.“