Weyhe. Für Inken Lauenstein war schon mit der Rückkehr zur Präsenzpflicht an den Weyher Schulen klar: „Wir wollen den Gesundheitsschutz erhöhen, Kinder und Familien schützen.“ Also zögerte die Mutter nicht lange und schaffte einen Luftreiniger für die Klasse ihre Tochter an der Grundschule in Sudweyhe an. Da Lauenstein selbst als Lehrerin an einer Bremer Schule arbeitet, wählte sie bewusst das Modell, mit dem die Hansestadt flächendeckend seine Klassenzimmer ausgestattet hat.
Doch rund zwei Monate später steht der Luftreiniger noch immer im heimischen Hof und filtert dort bei Bedarf die Aerosole aus den eigenen vier Wänden. Die Gemeinde Weyhe untersagte, dass das Gerät im Klassenzimmer aufgestellt wird. „Die Schulleitung war offen und fand das super“, berichtet Lauenstein. Auch der Elternbeirat habe die Idee unterstützt. Doch als sich die Verantwortlichen bei der Verwaltung rückversichern wollten, seien sie auf Ablehnung gestoßen.
Zunächst sei es um den Brandschutz gegangen, dann um den allgemeinen Nutzen der Luftreiniger in Klassenzimmern sowie um die Gleichberechtigung der Kinder, schildert Lauenstein verwundert. „Das war für mich Formsache, dass wir den Luftreiniger vorbeibringen“, rechnete sie nicht mit solchem Widerstand. Er hätte eine Ergänzung zu den bestehenden Lüftungs- und Hygieneregeln sein sollen.
Immerhin habe sie an ihrer Schule in Bremen mit 1200 Schülern gute Erfahrungen mit den Luftreinigern gemacht, sagt Lauenstein. Neue Forschungsergebnisse würden deren Nutzen bestätigen. „Das Lüften ist personenabhängig“, weiß sie aus der Praxis und merkt an: „Sobald es draußen warm wird, haben wir nicht genug Luftaustausch.“ Ein Luftfilter könne da zusätzlichen Infektionsschutz bieten.
Ferner verweist Lauenstein auf die hohen Inzidenzzahlen unter Kindern. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts lagen diese etwa in Kalenderwoche 16 in den drei Altersgruppen zwischen fünf und 19 Jahren allesamt über 220 und damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt. In der Gemeinde Weyhe sind seit Jahresbeginn drei Kinder im schulischen Kontext positiv auf das Coronavirus getestet worden, nach Angaben der Gemeinde ist die Ursache der Ansteckung jedoch nicht bekannt.
Entsprechend wenig Verständnis hat Lauenstein dafür, dass Eltern noch nicht einmal in Eigeninitiative Luftreiniger in den Klassenzimmern aufstellen dürfen. „Wir wollen unsere Tochter mit gutem Gefühl in die Schule schicken“, sagt sie. Für die sei es ohnehin das „blödeste“ erste Schuljahr, das man sich vorstellen könne.
Auch Björn Wendel hätte sich bereits im vergangenen Herbst gerne um Luftreiniger an der KGS Leeste bemüht. Nach Rücksprache mit der Klassenlehrerin und den Elternsprechern sei der Tenor gewesen: „Wenn wir zusammenlegen, können wir einen hinstellen.“ Doch bis zu einer Absage durch die Gemeinde sei es in diesem Fall gar nicht gekommen. „Solange kein Direktor benannt ist, kommen wir nicht weiter“, beschreibt er die Herausforderung. Durch seine Arbeit im Förderverein habe er diese Problematik für Ideen bereits mehrfach erfahren. „Wir sind komplett ausgebremst“, bemängelt Wendel.
Dass es offenbar keine Möglichkeit gibt, Luftreiniger in den Schulen aufzustellen, halte er für „fatal“. An der KGS Leeste gebe es wegen des Umbaus derzeit keine festen Klassenräume, nach dem Brand im Herbst sei die Situation noch problematischer. Und eine Lüftungsanlage sei bei den Planungen nicht einbezogen worden. Dabei halte er die Luftfilter für grundsätzlich sinnvoll - insbesondere für Allergiker und in der Pollensaison.
Gemeinde: „Keine Notwendigkeit“
Auf Nachfrage erklärt die Gemeindeverwaltung, dass sie sich an den Empfehlungen der Fachgremien auf Landes- und Bundesebene orientiere. „Wenn eine Lüftung des Klassenraums mittels Fensteröffnung möglich ist, besteht keine Notwendigkeit zum zusätzlichen Betrieb eines mobilen Luftreinigungsgerätes“, fasst Fabian von Weyhe, Leiter des Fachbereichs Bildung und Freizeit, zusammen. Mit den geltenden Regeln etwa beim Lüften werde das Infektionsrisiko durch mit Viren belastete Aerosole in der Raumluft als gering eingeschätzt.
Zudem halte er es für ein falsches Signal, „wenn in Weyher Schulen in einigen Räumen derartige Geräte eingesetzt werden, weil die Eltern sich dies leisten können oder die Förderkreise dies finanzieren können“, erläutert von Weyhe. Auch solle nicht der falsche Eindruck entstehen, dass mit den Luftreinigern ein Lüften nicht mehr notwendig sei.
Astrid Bruns vom Fachbereich Bau und Liegenschaften ergänzt, dass nach Angaben der Schulhausmeister alle Räume, in denen unterrichtet werde, ausreichend gelüftet werden könnten. „Fast überall ist sogar über den Flurbereich noch eine zusätzliche Querlüftung möglich“, betont sie weiter. Auch die politischen Gremien und die Lehrervertreter hatten sich nach Angaben der Gemeindeverwaltung mehrheitlich gegen die Anschaffung solcher Luftfilter ausgesprochen.
Diese Empfehlung bestätigt auch das Niedersächsische Landesgesundheitsministerium und verweist auf ein Merkblatt zur „Bedeutung mobiler Luftreinigungsgeräte für Infektionsrisiken durch SARS-CoV-2“ von Ende Januar. Dort heißt es unter anderem, dass „keine wissenschaftlich relevanten Studien bekannt“ seien, die einen realen Nutzen von Luftreinigern im Alltag belegten.
Unter anderem die Goethe-Universität Frankfurt hatte dagegen im Vorjahr eine Studie vorgelegt, wonach Luftreiniger mit der Filterklasse HEPA (H13) die Aerosol-Konzentration in einem Klassenzimmer in einer halben Stunde um 90 Prozent senken könnten. Das Landesgesundheitsministerium bilanziert: „Ein Misch-Betrieb zwischen freier Lüftung und mobilen Luftreinigern bedürfte vorab einer lüftungstechnischen und versorgungstechnischen Einzelraumprüfung durch Sachverständige oder Fachkraft.“ Der Einsatz mobiler Luftreiniger solle daher grundsätzlich anhand der weiteren Handlungsempfehlungen hinterfragt werden.