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Delmenhorst versus Stuhr Klage gegen Decathlon-Ansiedlung

Seit 2017 wehrt sich Delmenhorst gegen die Pläne der Stuhrer Nachbarn, in Brinkum-Nord einen Decathlon-Markt mit über 3000 Quadratmeter Verkaufsfläche zu genehmigen. Jetzt will Delmenhorst vor Gericht ziehen.
14.02.2020, 18:16 Uhr
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Von Eike Wienbarg und Andreas D. Becker

Delmenhorst/Stuhr-Brinkum. Dass Decathlon, ein Discounter für Sportartikel, einen Markt in Stuhr-Brinkum eröffnen will, war den Delmenhorster Stadtplanern ein Dorn im Auge, seitdem die Pläne bekannt geworden sind. Ulrich Ihm aus der Verwaltung hat daraus nie einen Hehl in den entsprechenden Planungsausschusssitzungen gemacht. Nur: Die Beschwerden und Bedenken der Delmenhorster haben die Stuhrer vielleicht gehört, aber nicht weiter beeindruckt. Am Mittwoch wurde der Satzungsbeschluss des Bebauungsplanes „Brinkum-Nord Sportfachmarkt“ gefällt. Delmenhorst reagierte prompt und will, wie bereits im Vorfeld angekündigt, beim Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht Normenkontrollklage einreichen. Das teilte Stadtsprecher Timo Frers auf Nachfrage mit.

Die Klagemöglichkeit besteht, sobald der entsprechende Bebauungsplan rechtsverbindlich geworden ist. Dafür muss der B-Plan nur noch veröffentlicht werden. Vor der Ratsentscheidung der Stuhrer hatte Delmenhorst eine Beschwerde beim Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz eingereicht. Eine Antwort stehe bislang noch aus, erklärte Frers. Die Stadt Delmenhorst kritisiert bei der Ansiedlung, dass der Sportfachmarkt Decathlon Artikel führt, die das Landes-Raumordnungsprogramm (LROP) als zentrenrelevant einstuft. Potenziell sieht sie ihren Einzelhandel gefährdet.

Das Gefahrenpotenzial des Decathlon-Maktes war bereits in mehreren politischen Sitzungen in Delmenhorst Thema. Zuletzt im September 2019, als es einmal mehr um die Wiederbelebung des ehemaligen Hertie-Kaufhauses ging. Bei den neuen Entwicklungsoptionen für das Gebäude wurden auch die Schwierigkeiten der Wiederbelebung thematisiert. „Leider stockt die Entwicklung der Revitalisierung des leerstehenden Hertie-Kaufhauses seit Monaten. Die vergangenen zwei Jahre haben gezeigt, dass das Revitalisierungskonzept mit dem Schwerpunkt Einzelhandel so nicht tragfähig ist“, führte die Verwaltung aus. Um dann auch noch einmal deutlich in Richtung der aktuellen Stuhrer Pläne zu keilen: „Die Erste Projektentwicklungsgesellschaft Delmenhorst konnte trotz intensiver Bemühun­gen keinen Ankermieter für die großflächigen Einzelhandelsflächen im Erdgeschoss und dem ersten Obergeschoss finden. Entwicklungen im Einzelhandel wie der wachsende Online­handel und die geplante Ansiedlung eines Decathlon in Stuhr sind dabei ein Teil des Problems.“

Der Delmenhorster Protest begann aber schon viel früher, nämlich als die Gemeinde Stuhr im Jahr 2017 ihr Einzelhandels- und Zentrenkonzept aktualisiert hatte. Dabei haben die Stuhrer zwei nun entscheidende Sortimente neu definiert, nämlich so, dass sie nicht mehr zentrenrelevant sind, also keine besonders große Bedeutung für die Innenstädte der Region haben: „Sportbekleidung/-schuhe“ sowie „Sportartikel (einschließlich Sportgeräte), Camping“. Delmenhorst widersprach dem damals schon vehement, auch die Stadt Bremen und der Kommunalverbund mischten sich ein. Die Stuhrer beeindruckte das aber nicht. Sie widmeten diese Sortimente um und gossen damit das Fundament für die jetzige Decathlon-Ansiedlung.

Im weiteren Verfahren führten die Delmenhorster Stadtplaner auch noch einmal sehr detailliert aus, warum Stuhr ihrer Meinung nach gegen mehrere Grundsätze des LROP verstoße. „Nach Ansicht der Stadt Delmenhorst resultieren aus dem mit den Bauleitplanungen beabsichtigten neuen Einzelhandelsgroßprojekt – das in gewichtigem Umfang frequenzbringende Sortimente vorsieht und zu einer Attraktivitätssteigerung des Einzelhandelsstandortes Brinkum-Nord führen wird – erhebliche nachteilige Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Region“, führte Ulrich Ihm aus. Er befürchtete eine „Verfestigung und Verschärfung raumordnerischer und städtebaulicher Missstände“, übrigens nicht nur in Delmenhorst.

Der Vorwurf an die Stuhrer und auch den von ihnen eingesetzten Gutachter lautete unter anderem, den Decathlon-Markt lediglich als einen weiteren Einzelhandelsstandort zu definieren. Die Delmenhorster sagen aber, dass die unmittelbare Nachbarschaft zu Ikea und dem Outlet-Center „Ochtum-Park“ entscheidend seien, dadurch komme es zu einer deutlichen Attraktivierung des Standortes Brinkum-Nord. „Die städtebaulichen Planungen widersprechen dem raumordnerischen Ziel der Entwicklung einer ausgewogenen Versorgungsstruktur in der Region. Außerdem berücksichtigen sie nicht den Entwicklungsbedarf angrenzender oberzentraler Kommunen“, argumentierten die Delmenhorster bislang vergeblich. Es geht dabei ums sogenannte Kongruenzgebot, das regelt, dass die Verkaufsfläche von Geschäften angepasst an die Versorgungsfunktion und die Verflechtungbeziehungen des Standortes sein muss. Das ist aus Sicht der Delmenhorster in Brinkum-Nord wohl schon lange nicht mehr der Fall, aber der Decathlon-Markt war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Auf der Fläche an der Gottlieb-Daimler-Straße in Brinkum war ursprünglich ein Sportfachmarkt mit 3800 Quadratmetern Verkaufsfläche geplant. An der Stelle wurde im Stuhrer Rathaus nach der Kritik aber – zumindest rein formell – nachgebessert, mittlerweile ist die Verkaufsfläche auf 3700 Quadratmeter reduziert worden. Bei der Abstimmung im Stuhrer Rat enthielt sich lediglich die SPD. Sie hätte gern noch die ausstehende Antwort aus dem Umweltministerium abgewartet.

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