Grasberg. 430 Stück Federvieh gackern und krähen, schreien, gurren oder scharren in Käfigen und Volieren bei der alljährlichen "Rasse-, Park- und Ziergeflügelschau" in die Reithalle Grasberg. Seit 1896 sind die Grasberger Züchter im Nutz- und Rassegeflügelzucht-Verein Grasberg organisiert. Seit 1959 gehört Bahrenburg dazu und zeigt als erster Vorsitzender bei der Schau Zwerg-Brahmas, seine Lieblingshühner. Ob er die Tiere im kommenden Jahr wieder ausstellen wird, darüber entscheidet die Regierung in Berlin.
Im Gesetz liegt für die Nutz- und Rassegeflügelzüchter das Problem. "Qualzucht" lautet das Stichwort. Noch in diesem Herbst soll das überarbeitete Tierschutzgesetz in Kraft treten, erzählt Bahrenburg. Zuchtziele sollen laut Ziel der Regierung das Wohlbefinden der Tiere nicht beeinträchtigen. "Qualzucht liegt vor, wenn bei der Züchtung Merkmale geduldet oder gefördert werden, die mit Schmerzen, Leiden, Schäden oder Verhaltensstörungen für die Tiere verbunden sind", heißt es.
Nachdem ein Zuchtverbot für Haubenenten gescheitert war, will die Regierung aus Bahrenburgs Sicht nun den Weg über das Ausstellungsverbot gehen. Seine Zwerg-Brahmas mit ihren gefiederten Füßen wären betroffen, genau wie Seidenhühner oder Haubenhühner. Die Tiere könne man nicht zu ihrem Befinden fragen, sagt Bahrenburg. "Wenn das Qualzucht wäre, würden sie sich nicht fortpflanzen"
Ohne Ausstellung kein Wettbewerb, und ohne diesen seien die Rassemerkmale schnell verschwunden. "Wenn ich die Tiere nicht mehr zeigen darf", fragt Johann Bahrenburg, "warum soll ich sie noch züchten?" Bahrenburg fühlt sich nicht alleine. "Das ist für viele genau so blöd wie die Vogelgrippe", sagt er bitter. Das sei kein neues Tierschutzgesetz, sondern ein "Rassenvernichtungsgesetz". Auch wenn ihm da vielleicht nicht alle zustimmen würden, wie er einräumt.
Er zieht die Schultern hoch und malt als düsteres Zukunftsszenario aus, dass es irgendwann wesentlich weniger Rassen gebe. Er hoffe, dass noch "gewisse Textpartien" aus dem Gesetz entfernt würden, so wie ihm der Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeldt (CDU) gesagt habe. Letztlich fürchte er, als Züchter vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.
Über 46 Aussteller aus Grasberg und Umgebung präsentierten in diesem Jahr ihre Tiere. Höhepunkte will Bahrenburg nicht herausheben. Er sagt: "Jede Rasse ist etwas Besonderes." Diese Vielfalt wollen die Nutz- und Rassegeflügelzüchter erhalten und damit "ein altes deutsches Kulturgut". Um des Geldes willen züchten sie nicht, betont er. Denn wirtschaftlich hätten diese Rassen keine Bedeutung mehr.
Seit 32 Jahren züchtet Johann Bahrenburg seine Zwerg-Brahmas als Hobby und begründet es mit der Liebe zum Tier. Wenn die Küken im Frühling schlüpfen, erzählt er, drückt er sich noch immer die Nase am Stall platt. Der Schlupf fasziniert ihn wie am ersten Tag. Diesmal knabberten sich 25 Küken durch die Eierschalen. Nicht viele, meint Bahrenburg. Da musste er kaum Tiere verkaufen.
Ziel der Zucht, nicht nur bei ihm, sei der Wettbewerb. Auch wenn Bahrenburg weiß: "Das vollkommene Tier gibt es sehr selten." In der Bewertung nach gesetzlichen Standards ein "v" für vorzüglich zu bekommen, sei deshalb die Ausnahme. Einigen Züchtern gelang es für ihre Enten, Puten, Hühner oder Tauben. Johann Bahrenburgs Zwerg-Brahmas erhielten von den Preisrichtern viermal die Note sehr gut und einmal gut. Bewertet wird nach gesetzlichen Standards.
Seit mehr als 100 Jahren werden Zwerg-Brahmas in Deutschland gezüchtet. Über Amerika und England gelangte diese asiatische Rasse nach Deutschland. Seit über 1000 Jahre gebe es schon die japanische Zwerghuhn-Rasse Chabo. Auch diese falle unter das geplante Gesetz.
Derlei Probleme tragen die Besucher der Geflügelschau nicht mit sich herum. Sie bestaunen glänzendes Gefieder, einen Käfig voller Zwergsittiche oder suchen gezielt nach einem Tier. So halten es Ralf Kruse und Tochter Lykke. "Ich bin kein Züchter", erzählt der Vater. Im ehemaligen Spielhaus der Tochter leben inzwischen Melanie, Wilma, Trude, Frieda, Käthe wohnen – insgesamt neun Hühner verschiedener Rassen. Jetzt suchen die beiden Kruses noch einen Kumpel für ihr graues Seidenhuhn. Jeder in der Familie habe sein Lieblingstier erzählt Ralf Kruse, und Tochter Lykke schwärmt von ihrem Huhn Sprotte, das sich gerne kraulen und auf den Arm nehmen lässt. Dass sie manchmal auch Eier von dieser bunten Truppe bekommen, empfindet die Familie als erfreuliches Nebenprodukt.
Ihre Mini-Landwirtschaft erweitert haben in diesem Jahr Christoph Lange und seine Familie. Die Bienen bekamen Hühnergesellschaft. Allerdings schlüpften in diesem ersten Hühnerjahr zu wenige Hennen. Vier auf zehn Küken – und nur eine davon legt bis jetzt Eier. "Wir wollen gucken, ob wir noch eine Henne kriegen", erzählt der Biologe, Hobby-Ornithologe und -hühnerzüchter.
Die erfolgreichen Züchter der Grasberger Schau: VZI-Medaille: Jörg Cegielka, Bremen; Gemeindepokal und Vereinsmeister: Karl-Heinz Hastedt, Grasberg; Vereinsmeister Jugend: Sebastian Drewes, Grasberg