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Massive Umsatzeinbrüche bei Landgasthöfen Ungewisse Zukunft für Traditionshäuser

Landgasthöfe und Ausflugslokale leben von großen Festgesellschaften und der Einkehr von Gruppen. Beides findet wegen Corona nur in kleinem Rahmen statt, was Umsatzeinbußen bis zu 60 Prozent bedeutet.
01.08.2020, 05:00 Uhr
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Von Undine Mader

Landkreise Osterholz/Rotenburg. Was der Herbst wirklich bringen wird an Corona-Vorgaben, das weiß keiner. Auch nicht der Grasberger Gastronom Marc Israel vom Wörpedorfer Schützenhof. Die Pandemie hat sein Leben und das seiner Kolleginnen und Kollegen vor völlig neue Herausforderungen gestellt. Großveranstaltungen und große Feiern sind noch immer verboten, Tanzen ebenso, dazu Mindestabstand und weniger Tische sowie Gäste, die aus Angst vor einer Ansteckung lieber daheim bleiben. Unter diesem Vorzeichen schmelzen die Einkünfte der Gasthäuser dahin. Der einzige Trost: „Allen geht es schlecht“, so Israel. Wie der Schützenhof Wörpedorf leben Landgasthöfe und Ausflugslokale oftmals zu einem großen Teil von großen Veranstaltungen und Feiern.

80 Prozent macht beispielsweise im Tarmstedter Hof das Saalgeschäft aus, so Betreiber Ingo Lüpke. Bis Mitte Oktober aber sind alle Feiern storniert. Das bedeutet 80 Prozent weniger Umsatz. Obendrein ist mit der Tarmstedter Ausstellung seine umsatzstärksten Woche ausgefallen.

Essen außer Haus, Mittagstisch, à la carte, Biergarten: „Wir versuchen, alles mitzunehmen, was geht“, sagt der Tarmstedter Gastronom, der nun als Küchenmeister selber wieder am Herd steht. Er ist froh, dass die Stammgäste viel dafür getan haben, dass es mit dem Tarmstedter Hof weiter gehe. Kostendeckend kann er trotzdem nicht arbeiten. „Dafür ist das Haus zu groß“, so Lüpke. Und langfristig planen könne er auch nicht. Noch wisse niemand, was Weihnachten, Silvester oder zu den Kohlfahrten erlaubt sei. Das wird die Zeit der Bilanz. Lüpke sagt: „Danach wird sich zeigen, wo wir stehen.“

Zeltbewirtschaftung auf der Tarmstedter Ausstellung, Großveranstaltungen im eigenen Haus – ebenfalls Fehlanzeige im Schützenhof Wörpedorf. Und der Restaurantbetrieb decke die Kosten nicht, erzählt Marc Israel. Immerhin laufe das Hotel wieder gut. Wie in Tarmstedt packen auch im Schützenhof Wörpedorf die Betreiber soweit wie möglich selber an. Aber Israel weiß: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter warten, dass auch sie wieder mit der Arbeit beginnen können. So lastet als weitere Sorge auf ihm, dass diese sich bis zum möglichen Neustart einen anderen Job gesucht haben könnten.

Seit wenigen Tagen sei nun das sonntägliche Buffet wieder erlaubt. Vor der Pandemie speisten pro Termin rund 100 Gäste in Wörpedorf. Er müsse gucken, wie es jetzt angenommen werde, so Israel. Denn: „Das rechnet sich alles erst ab einer bestimmten Gästezahl.“ In Pessimismus will sich der Grasberger indes nicht ergehen. Er sagt: „Irgendwie geht es immer weiter.“ Aller Ungewissheit zum Trotz kündigt der Schützenhof Wörpedorf die Kohlsaison 2021 auf seiner Internetseite schon an. Mit der Kohlfahrtplanung wartet Johann Lütjen vom Grasberger Hof noch. Ihm hilft eine Mischkalkulation aus Hotel, à la carte und nunmehr wieder erlaubten kleinen Gruppen durch die Krise. Jürgen Bohling führt seit 1996 den Hüttenbuscher Schützenhof. „So was haben wir noch nicht erlebt“, beschreibt er den gastronomischen Ausnahmezustand. Die Umstellung auf den Euro sei ein kleiner Rückschlag gewesen. Aber jetzt: Die Hüttenbuscher Umsätze seien um 55 bis 60 Prozent zurückgegangen. Und: „Es wird leider noch lange dauern, bis wir wieder beim Normalzustand sind.“ Bohling rechnet bis Mitte 2021.

Auch bei Bohling wurden alle großen Gesellschaften storniert oder verschoben. In der coronabedingten Schließzeit habe er den Saal renoviert, als Ende April das Außerhausgeschäft erlaubt war, signalisierten ihm die rund 35 Aushilfskräfte des Hüttenbuscher Schützenhofs per Autokorso: „Was du nicht alleine schaffst, schaffen wir zusammen.“ Bohling freut sich, das habe das Außerhausgeschäft angekurbelt und das werde auch jetzt an Wochenenden noch nachgefragt.

Nach acht Wochen Wartezeit habe er den Bundeszuschuss erhalten. Bis dahin habe er von seinen Reserven gelebt. Was es nun braucht, ist für ihn klar: „Jetzt müsste es eigentlich wieder losgehen.“ Jüngst fand

der erste Tanznachmittag auf dem Saal mit 40 Gästen statt, bis 70 Personen seien möglich. Es brauche mehr Lockerungen. Wenigstens private Feiern bis 200 Gäste sollten wieder erlaubt sein, so Bohling. Um seine Zukunft sorgt er sich nicht: „Ich werde es schaffen."

„Es ist ja nicht nur Corona“, sagt Elke Schmidt-Prestin vom Lilienthaler Wümmeblick. Der Landkreis habe ihr obendrein eine dicke Baustelle vor die Nase gesetzt, über verbliebene Anfahrtswege informiert sie auf ihrer Internetseite. Dabei sei der Wümmeblick bei schönem Wetter mit Biergarten direkt an der Wümme ein gut besuchtes Haus. Bislang aber sind die für diese Jahreszeit üblichen Fahrrad- oder Sportgruppen und Ausflügler zu Wasser weggefallen. Sie habe die zweite Überbrückungshilfe beantragt, so Schmidt-Prestin.

Gut schläft sie trotzdem nicht. „Man grübelt“, sagt sie. Etwa auch über die Auszubildenden, die ausgelernt haben. „Wir gehen Verpflichtungen ein und wissen selber noch nicht, wie es weiter geht.“ Dabei war alles anders geplant: Vor fünf Jahren hatte die Familie die Gaststätte übernommen. Rücklagen seien in den ersten Jahren der Existenzgründung so gut wie unmöglich. 2020 sollten ihr Jahr werden!

Dann kam Corona und mit der Pandemie die Absage der angemeldeten Konfirmationen, Hochzeiten, Geburtstage. Im Innenbereich dürfen derzeit von 90 Plätzen nur 45 belegt werden. Was den möglichen Umsatz schon einmal halbiert. Das Geschäft laufe jetzt wieder an, so Schmidt-Prestin. Sie wisse aber nicht, wie sie das wieder aufholen solle. Was sie tun konnte, habe sie getan. Der Bootsanleger ist erneuert, der Fährbetrieb über die Wümme wieder erlaubt und sogar Masken für vergessliche Gäste habe sie angeschafft. Sie sagt: „Man guckt jeden Tag in den Ticker und hofft, dass sich was verbessert.“

Mit Blick auf die Gäste wirbt Schmidt-Prestin: „Raus aus den vier Wänden.“ Am Jahresende werde sie gucken, wie der Wümmeblick dastehe.

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Gaststätte Dammsiel öffnet wieder

Eine gute Nachricht für alle Fans des Gasthofs Dammsiel: Das Lokal öffnet wieder. Die neue Pächterin heißt Katja Behrens, die das Wirtshaus ab kommendem Sonnabend, 8. August, zu neuem Leben erwecken will. „Mit diesem mutigen Schritt in dieser für die Gastronomie schwierigen Zeit wird die Traditionsgaststätte wieder einen attraktiven Anlaufpunkt im Blockland bilden“, freut sich Wilfried Döscher, Geschäftsführer des Bremischen Deichverbands am rechten Weserufer. Der Verband ist Eigentümer der Gaststätte. Die 29-jährige Behrens, die die Lage des Gasthofs direkt an der Wümme so schätzt, bringt als Tochter von Jan Behrens (Bernis Diele in Vierhausen) viel Erfahrung in der Gastronomie-Branche mit.

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