Worpswede/Lilienthal/Borgfeld. In diesem Jahr ist vieles ungewohnt. Christi Himmelfahrt, gemeinhin auch als Vatertag bekannt, lässt normalerweise scharenweise Väter und andere Ausflügler nach Neu Helgoland pilgern. „Dieses Mal wird das eher unspektakulär“, vermutet Ralf Soujon für den kommenden Donnerstag. Ein unspektakulärer Vatertag? Hört sich merkwürdig an, weiß Soujon aus eigener Erfahrung. Er betreibt den Campingplatz am Hammehafen in Worpswede, auch ein Bistro gehört dazu. Wenn Soujon von seinen Vorbereitungen spricht, wird schnell klar, dass es vielleicht doch gar nicht so unspektakulär wird – nur anders.
Der Landkreis Osterholz und die Polizei Verden/Osterholz haben in einer gemeinsamen Mitteilung klar gemacht, wie die Ausflüge am Donnerstag ablaufen dürfen. Dabei orientieren sie sich strikt an den gängigen Regeln. Größere Ansammlungen und feiernde Freundescliquen sind tabu. Die sonst üblichen Fahrradtouren in großen Gruppen oder der traditionelle Mannschaftsausflug mit dem Bollerwagen müssen ausfallen. Was zunächst nach strengen Vorgaben klingt, ist tatsächlich eine vergleichsweise milde Regelung. Mehrere andere niedersächsische Landkreise haben für den Vatertag gesonderte Anordnungen erlassen. So dürfen Gaststätten und Restaurants zum Beispiel im ostfriesischen Landkreis Aurich keinen Außer-Haus-Verkauf von alkoholischen Getränken anbieten. Zunächst war sogar von einem Alkoholverbot an den Tischen die Rede. Nach kritischen Reaktionen wurde diese Vorgabe jedoch wieder gelockert.
Strengere Auflagen in Bremen
Im Landkreis Osterholz gibt es keine gesonderte Verfügung. Ralf Soujon will das nutzen, um zumindest ein bisschen Vatertagsnormalität zu erzeugen. So werde es im Außenbereich seines Bistros einen Ausschank geben. „Damit wollen wir etwas Druck aus dem Innenbereich nehmen“, sagt Soujon. Für diese Bierinsel habe er mit dem Landrat Rücksprache gehalten. „Solange der Abstand eingehalten wird, ist das in Ordnung.“ Auf der einen Seite sei Himmelfahrt in diesem Jahr fast wie ein normaler Tag, meint Soujon. Ein großes Barbecue oder Live-Musik werde es natürlich nicht geben. Andererseits rechnet er angesichts des guten Wetters doch mit einem gewissen Andrang. „Die Leute werden kommen“, ist er sicher. „Wir haben ein großes Gelände, auf dem sich für jeden ein Sitzplatz findet“, sagt Soujon. Als Gastronom wisse er aber auch, wie Vatertage ablaufen. Schwierig werde es vor allem, wenn die Leute alkoholisiert sind. Ob man dann noch an die Abstandsregeln denkt? Ralf Soujon hofft das zumindest, und bittet darum, die Regeln einzuhalten. „Gerade diese Tage könnten sonst dafür sorgen, dass es kippt und Lockerungen zurückgenommen werden.“
Mit seinen Befürchtungen ist Soujon nicht allein. Das Nachbarland Bremen hat aus diesem Grund eine Allgemeinverfügung erlassen, die der Senat als „Kompromiss“ bezeichnet. So dürfen die Gaststätten zwar ihre Innen- und Außenbereiche öffnen und dort auch Alkohol servieren, diesen allerdings nicht im Außer-Haus-Verkauf anbieten. „Jeder weiß, dass mit steigendem Alkoholkonsum gute Vorsätze schnell in Vergessenheit geraten, zumal sich viele Menschen in ihre alte Normalität zurücksehnen“, so der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD).
Die unterschiedlichen Regeln in Bremen und Niedersachsen könnten in der Praxis für skurrile Situationen sorgen. Während auf der niedersächsischen Seite der Wümme zumindest kleine Gruppen den Bollerwagen voller Bier und Schnaps über den Deich ziehen dürfen, verbietet Bremen das Mitführen von Alkohol im Bollerwagen per Allgemeinverfügung. Wer also beispielsweise eine Tour von Lilienthal aus zum Landhaus Kuhsiel in Borgfeld plant, muss seinen Bollerwagen vor Überschreiten der Wümme-Brücke leeren. Ob deshalb mit einem Ansturm in umgekehrter Richtung zu rechnen ist, bleibt offen. Im Landhaus Kuhsiel jedenfalls wisse man nicht, was am Vatertag zu erwarten ist. „Wir haben ganz normal geöffnet, machen nichts Besonders“, sagt Kuhsiel-Betreiberin Galyna Bielefeld.
Was auf beiden Seiten der Wümme gleichermaßen gilt, ist das Verbot von Veranstaltungen. Für Lokale, die sich auf Feiern spezialisiert haben und kein Tagesgeschäft anbieten, wird der normalerweise umsatzstarke Vatertag in diesem Jahr zum Ruhetag. Das betrifft auf Bremer Seite zum Beispiel das Borgfelder Landhaus und den Landgasthof Heuer. In Worphausen hätte traditionell das Schützenfest in Gerdes Landhaus stattfinden sollen – der Umzug und die anschließende Feier fallen in diesem Jahr aus. Mitten in der Vorbereitung für Donnerstag befindet sich hingegen Marc Israel. Im Schützenhof Wörpedorf hat der Biergarten am Vatertag geöffnet. Gäste müssen ihre Plätze vorab reservieren. „Wir sind schon sehr gut ausgelastet“, sagt Israel. Die Musik kommt in diesem Jahr allerdings aus der Box statt live von der Bühne.
Vorbereitet sind nicht nur die Gastronomen, sondern auch die Polizei. Man werde im Landkreis präsent sein und die Einhaltung der Corona-Regelungen kontrollieren, kündigt die Polizei Verden/Osterholz an. Für eine Missachtung der Personenbeschränkung sei ein Bußgeld von mindestens 200 Euro pro Person fällig, heißt es in einer Mitteilung. Auch die Klinik Lilienthal trifft Vorkehrungen für den Vatertag. Angesichts der besonderen Lage sei zwar mit weniger Nachfrage in der Notaufnahme zu rechnen als in den vergangenen Jahren, dennoch berge ein Feiertag immer ein gewisses Risiko, teilt eine Sprecherin mit. Die Klinik sei deshalb personell und medizinisch auf alles vorbereitet.
Was ist erlaubt, was nicht?
Im Landkreis Osterholz gelten für den Vatertag die grundsätzlich gültigen Regeln des Landes Niedersachsen. Personen aus maximal zwei Haushalten dürfen sich in der Öffentlichkeit treffen; zu allen anderen Personen ist der Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten. Familienausflüge per Rad oder zu Fuß sind also auch an Himmelfahrt erlaubt, Veranstaltungen hingegen generell verboten. Gastronomen dürfen im Innen- und Außenbereich Alkohol ausschenken und auch zum Außer-Haus-Verkauf anbieten. Für den Landkreis Rotenburg gilt prinzipiell das Gleiche, lediglich am Vörder See ist der Konsum von Alkohol generell verboten.