Das hätte Gerd-Rolf Rosenberger nicht gedacht: Er ist Mitmensch des Jahres. „Ich bin total überrascht, dass man auf mich gekommen ist.“ Bereits zum dritten Mal hat der Vegesacker Pastor Volker Keller einen Nordbremer für besonderes Engagement geehrt. Während des Silvestergottesdienstes machte er deutlich, warum Rosenberger den Titel verdient hat.
Im Fall von Gerd-Rolf Rosenberger sind es dessen Einsatz für Menschen in schwierigen Lebenslagen und sein politisches Wirken. Seit 50 Jahren ist er in der Kommunistischen Partei, seit 52 Jahren in der Gewerkschaft. Er hat Unterschriften gesammelt, damit es einen Stolperstein für Karl Wastl gibt, der im KZ sowjetische Gefangene vor dem Hungertod rettete. Er machte Stolpersteine immer wieder sauber und setzte sich dafür ein, dass zwei Wege in Blumenthal nach NS-Widerstandskämpfern benannt wurden. Seit 18 Jahren ist er Mitorganisator der Freitags-Friedenskundgebungen der Initiative Nordbremer Bürger gegen den Krieg. Am 3. Januar gibt es die 895. Auflage. Nach eigenen Angaben hat er bisher kaum eine Kundgebung verpasst.
Einsatz für andere
Rosenberger sammelt bei den Kundgebungen Unterschriften für einen Friedensappell und Spenden für soziale Projekte, etwa für die Elektrifizierung eines Bergdorfes in Kuba. Dort soll die Stromversorgung stabilisiert werden. Das sei unter anderem wichtig für die medizinische Versorgung: Viele Medikamente müssten gekühlt werden. Seit 2005 hat die Initiative Nordbremer Bürger gegen den Krieg für dieses Projekt 9656 Euro gesammelt. „Wie viel Geld wir in den vergangenen 18 Jahren für alle unsere Projekte gesammelt haben, zählen wir aktuell noch“, sagt Rosenberger. Die Initiative stehe mit verschiedenen Netzwerken in Kontakt, um sicher gehen zu können, dass das Geld auch ankommt. „Wir kennen die Menschen, die zu den Projekten reisen persönlich.“
Auch für den Bremer Norden ist Rosenberger seit Langem sozial aktiv. „Seit 19 Jahren fährt er zum Beispiel an Feiertagen mit einem jetzt 42-jährigen Autisten, der blind ist und unter dem Down-Syndrom leidet, Tandem“, sagt Pastor Keller. Beruflich habe sich Rosenberger mehr als 40 Jahre als Pfleger für Menschen mit Behinderung eingesetzt und für ihre Rechte stark gemacht. „Durch die Wahl zum Nordbremer Mitmenschen des Jahres soll ein Blumenthaler geehrt werden, der Verantwortung für andere übernommen hat und bereit war, eigene Interessen zurückzustellen“, erklärt der Pastor.
14 Jahre lang habe Rosenberger einen Muskeldystrophiker begleitet. Muskeldystrophie ist eine Bewegungsunfähigkeit. „Der junge Mann konnte sich nur durch einen Computer mitteilen, den er mit den Augen steuerte – und dennoch hat er sein Abitur gemacht und Germanistik studiert“, sagt Rosenberger. So etwas könne man nur bewundern. Durch die lange Begleitung habe er mitbekommen, was eine solche Krankheit für die Familie bedeutet. „Natürlich tue ich viel, aber man darf die stillen Helden nicht vergessen: die Eltern. Ich muss einfach helfen, wenn ich sehe, was Angehörige alles zu leisten haben“, sagt Rosenberger.
Seit 2015 arbeitet er in dem Projekt „Patenschaft für Migranten“ der Arbeiterwohlfahrt mit und hilft jungen Menschen dabei, Deutsch zu lernen. Wöchentlich treffe er sich dafür mit einem Mädchen aus Syrien. Auch das Kulturcafé Nunatak unterstützt er bereits seit der Gründung. „Ich mache dort gemeinsam mit anderen den Thekendienst. Gegen eine kleine Spende geben wir Kuchen, Kaffee und Tee aus.“
Pastor Volker Keller bezeichnet Mitmenschlichkeit als den Mörtel der Gesellschaft. „Gerade in Zeiten der Selbstverwirklichung und Selbstoptimierung, in der Menschen mehr und mehr mit sich selbst beschäftigt sind, droht eine Gesellschaft sich in lauter Individuen, die jeweils ihr eigenes Glück suchen, aufzulösen“, meint er. Es gelte, Menschen zu fördern, die dabei helfen, die Einsamkeit der heutigen Zeit zu überwinden. Rosenberger stehe 2019 stellvertretend für alle Menschen, die sich engagieren.