Es sollte ein Gag zum 200. Geburtstag der Bremer Stadtmusikanten sein: Wer etwas in einen der neuen Abfalleimer warf, bekam als Dankeschön ein Wuff, Kikeriki, Miau oder Iah zu hören. Doch während die Bremer auf dem Marktplatz sogar Geld in ein Loch werfen, um die Tierstimmen der Stadtmusikanten zu hören, hat die Bremer Stadtreinigung die 13 krähenden, bellenden, miauenden und iahenden Abfalltonnen in Bremen-Nord jetzt wieder zum Schweigen gebracht. „Die aufgelegten Tierstimmen haben die Benutzer verschreckt“, berichtet auf Anfrage Antje von Horn, Sprecherin der Stadtreinigung.
Es war ein Modellversuch für den Bremer Norden. „Es ist das Innovativste, was der Markt hergibt“, so von Horn über die sprechenden Mülleimer. Für insgesamt 100 000 Euro hatte die Stadtreinigung in diesem Jahr 300 neue Abfallbehälter für die Region angeschafft, darunter die 13 Solarpressbehälter mit dem eingebautem Sprachmodul: „Neue Solarabfallbehälter in Bremen-Nord bellen und krähen“, vermeldete die Stadtreinigung im Juni. Wer in Bremen-Nord die neuen Behälter nutzte, wurde mit einem Miauen, Krähen, Iahen oder Bellen belohnt. Mit diesen Geräuschen sollte der 200. Geburtstag der Bremer Stadtmusikanten im Juli gebührend gefeiert werden.
Was der Spaß im Einzelnen kostete, möchte von Horn nicht sagen. Sie nennt nur den Preis für das Soundmodul selbst. Er beliefe sich auf 150 Euro. Die Module seien aber vom Hersteller der Pressbehälter in der Ausschreibung als „Extrabonbon“ kostenlos mit angeboten worden.
Doch die Resonanz der Nutzer fiel ihren Worten zufolge verhalten aus: „Jetzt wird man auch noch angebellt, wenn etwas ordnungsgemäß entsorgt wird“, sollen Antje von Horns Kollegen beim Leeren der Behälter zu hören bekommen haben.
Blecherner Klang
Die Beschwerden haben die Stadtreinigung offenbar kalt erwischt: „Wir fanden das gut, aber wir denken nun, dass man nachschärfen muss. Die Rückmeldungen muss man ernst nehmen.“ Insgesamt spricht sie von fünf Beschwerden über die Tierstimmen. „Sie klangen etwas blechern“, urteilt Antje von Horn. „Die Stimmen waren irgendwie verzerrt.“ Deshalb sollte es am Mittwoch dieser Woche einen Termin mit dem Hersteller geben, bei dem das Team der Stadtreinigung auch über die Soundqualität sprechen wollen.
Anwohner-Beschwerden, weil die Tiere in der Nacht zu viel Krach machten, habe es jedoch nicht gegeben, so Antje von Horn. „Die Sprachmodule können so eingestellt werden, dass man die Nachtruhe einhält. Das war schon so in der Voreinstellung drin.“
Die Bremer Stadtreinigung hat sich dazu entschieden, die fest eingebauten Sprachmodule aus den Solarpressbehältern zu entfernen. Die Mülleimer an der Gerhard-Rolfs-Straße und an der Hindenburgstraße in Lesum sind bereits seit verstummt. „Natürlich wollten wir nicht, dass die Behälter als Belastung empfunden werden.“ Die Tierstimmen der Stadtmusikanten werden in Zukunft nicht mehr zu hören sein: Es hat sich ausgekräht.
Olaf Schneider von der Herstellerfirma Zöller-Kipper aus Mainz steht dennoch weiter hinter seiner Idee: Er hatte die Tierstimmen aus dem Internet zusammengesucht: „Was passt besser zu Bremen als die Bremer Stadtmusikanten?“ Aber es könne jeder x-beliebige Sound aufgespielt werden. „Auf einer Messe hat mich jemand vom Friedhofsamt gefragt, ob man auch 'Spiel mir das Lied vom Tod' nehmen kann.“ Vielleicht sei die Idee mit dem Soundmodul ein wenig schrill. Aber: „Mir ist jede Aktion Recht, die dafür sorgt, dass die Umwelt sauber bleibt.“ Beim Aufstellen der Behälter in Vegesack seien die Passanten jedenfalls begeistert gewesen. Deshalb hofft Olaf Schneider, dass die Eimer bald wieder sprechen: „Und wenn es ein norddeutsches 'Moin' ist.“
Laut Antje von Horn sollen die Soundmodule nun neu besprochen werden. „Wir bereiten gerade eine Sauberkeitskampagne vor. Da wollen wir die Sprachmodule integrieren.“ Was die Nordbremer Mülleimer in Zukunft von sich geben, ist jedoch offen: „Ich kann heute noch nicht sagen, in welche Richtung das gehen soll.“ Auch über die Kosten einer Neuvertonung schweigt sich Antje von Horn aus: „Ich kann keine Summe nennen.“
Christoph Burmann, Professor für innovatives Markenmanagement an der Universität Bremen, hat seit vielen Jahren ein Herz für die Bremer Stadtmusikanten. Kritik an ihren tierischen Lauten lässt auch er nicht gelten. „Die Stadtmusikanten sind schuldlos“, sagt Burmann. „Und ich glaube auch nicht, dass es eine Anti-Fraktion in Bremen-Nord gibt. Ich glaube, dass sich die Nordbremer genauso stark mit den Stadtmusikanten identifizieren, wie alle anderen Bremer.“
Der Wissenschaftler hält sprechende Mülleimer per se für „keine nutzerfreundliche Anwendung“. Die Reaktion der Nutzer ist aus seiner Warte verständlich. Unweigerlich führe es zu einer Schrecksekunde, wenn ein Geräusch ertönt, sobald man etwas einwirft. „Ich glaube, es würde immer derselbe Effekt eintreten – egal, ob da ein Hahn kräht oder ein Hund bellt, selbst, wenn eine menschliche Stimme 'Vielen Dank' sagt.“
Als unsinnige Geldausgabe werden die neuen Müllbehälter bei der Stadtreinigung nicht angesehen. Denn wie Pressesprecherin Antje von Horn betont, verfügen die Mülleimer über eine kleine Abfallpresse und könnten mindestens das fünffache Volumen von Standard-Behältern aufnehmen. Und wenn sie voll sind, funken sie den Disponenten an. Außerdem könnten sie gerollt und gekippt werden, was die Arbeiterinnen und Arbeiter entlastet. Und für Bürgerinnen und Bürger sei die Handhabung durch ein zusätzliches Fußpedal noch bequemer geworden.
Ab wann die Nordbremer wieder damit rechnen müssen, von Mülleimern angesprochen zu werden, wenn sie etwas wegwerfen, war am Donnerstag noch unklar.