Osterholz-Scharmbeck. Es habe ihn betroffen gemacht, in den vergangenen Jahren immer wieder lesen zu müssen, dass Kinder und Jugendliche beim Sommervergnügen im Freibad oder Badesee ertrunken seinen, sagte Fritz Bokelmann, Vorsitzender der Inge-Küster-Stiftung. Als die Stadt Osterholz-Scharmbeck für ihr Projekt um Unterstützung bat, das Grundschülern und Jugendlichen in der Sekundarstufe I das Schwimmen beibringen soll, stieß sie bei Bokelmann auf großes Interesse. „Inge Küster hat sich immer besonders für die sportliche Förderung von Jugendlichen, und hier ganz besonders der Mädchen, eingesetzt“, betonte Bokelmann im Beisein der Ersten Stadträtin Bettina Preißner sowie der Leiterin des Fachbereichs Bildung und Erziehung, Susanne Fedderwitz. Daher sei es den Vorstandsmitgliedern der Inge-Küster-Stiftung leicht gefallen, das Schwimmlern-Projekt mit 70 000 Euro zu unterstützen.
Vorausgegangen war dieser Bitte um Unterstützung eine Umfrage, die die Stadt Osterholz-Scharmbeck als Schulträgerin im Schuljahr 2018/19 in ihren Grund- und Sekundarschulen gestartet hatte. Das Ergebnis erschrak die Verantwortlichen. Demnach konnten in 586 Kinder - 58,3 Prozent - nicht schwimmen; in den fünften bis zehnten Jahrgängen waren es 240 Kinder - noch immer 22 Prozent.
„Die Gründe dafür sind vielfältig und liegen sowohl im familiären und kulturellen, als auch im schulischen Bereich“, sagte Susanne Fedderwitz. Die Fähigkeit, Schwimmen zu können, sei nicht nur ein Stück Lebensqualität, sondern auch eine Lebensversicherung, betonte sie. Doch leider gebe es in den Schulen immer weniger Lehrkräfte, die befähigt sind, den Kindern das Schwimmen beizubringen. Und nicht alle Eltern könnten sich einen Schwimmkursus, wie ihn beispielsweise das Allwetterbad anbietet, für ihre Kinder leisten.
Bei der Suche nach einem Träger für das Schwimmlernprojekt war die Stadtverwaltung beim SOS-Kinderdorf in Worpswede fündig geworden. Joachim Schuch, Geschäftsführer im SOS Kinderdorf Worpswede, hält Schwimmen nicht nur für eine Grundkompetenz, die Kinder erlernten müssten. „Schwimmen zu können unterstützt die Kinder auch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung“, betonte Schuch. Daher habe sich der Kinderdorf-Verein sehr gern bereit erklärt, als Personalträger für das Projekt zu fungieren. Sieben ausgebildete Schwimmlehrer unterrichten mittlerweile die Kinder in Kleingruppen von maximal acht Kindern im Grundschulalter; bei den weiterführenden Schuen sind es höchstens sechs Kinder und Jugendliche pro Lerngruppe.
Amara, André und Benjamin besuchen die vierte Klasse der Beethovenschule und haben bereits erfolgreich am Schwimmlernprojekt teilgenommen. Gestartet wurde das Projekt an allen Schulen nach den Sommerferien 2019. Es findet zum Teil parallel zum Schwimmunterricht der Schulen statt, teilweise aber auch außerhalb der Schulzeit.
Übers Seepferdchen zu Bronze
„Oft haben wir es mit Kindern zu tun, die noch nie ein Schwimmbad von innen gesehen haben“, sagte Katja Wätjen, eine vom DLRG ausgebildete Schwimmlehrerin. „Wir beginnen mit Wassergewöhnung und Gleitübungen mit dem Brett, bis die Kinder die Anforderungen des Seepferdchen-Abzeichens erfüllen." Das heißt: Vom Beckenrand springen, 25 Meter Brustschwimmen und einen Gegenstand in schultertiefem Wasser vom Grund holen. Ist das geschafft, wird für das Bronze-Schwimmabzeichen weiter geübt. Dafür müssen die Teilnehmer vom Beckenrand ins Wasser springen und anschließend 200 Meter in weniger als 15 Minuten schwimmen. Dabei ist kein besonderer Schwimmstil vorgegeben und der Schwimmer darf sich zwischendurch nicht am Beckenrand festhalten. Zudem müssen ein Schwimmring aus zwei Meter tiefem Wasser hochgeholt und ein Sprung vom Einmeterbrett oder ein Startsprung vom Startblock absolviert werden. Außerdem werden die Baderegeln abgefragt.
Amara hat das Seepferdchen bereits in der Tasche und trainiert nun fürs Bronzeabzeichen. André hat das Bronzeabzeichen bereits erreicht. Er liebt besonders das Springen vom Einer. Benjamin hat ebenfalls das Bronzeabzeichen erreicht und springt am liebsten vom Fünfmeterbrett. „Deshalb will ich jetzt auf jeden Fall auch noch das Silberabzeichen schaffen“, sagt er mutig.
Obwohl die Zeit nach den Sommerferien durch die Herbstferien zum Üben recht kurz war, hatten im Dezember 2019 bereits 16 Kinder das Seepferdchen-Schwimmabzeichen erhalten, 13 Kinder hatten die Prüfung für das bronzene Schwimmabzeichen bestanden und zwei Kinder sogar das Schwimmabzeichen in Silber in Empfang nehmen können. Um möglichst vielen Kindern und Jugendlichen eine Schwimmausbildung zu ermöglichen, rücken Nichtschwimmer automatisch nach, sobald eine Schülerin oder ein Schüler der jeweiligen Gruppe die Schwimmfähigkeit erlangt hat.