Herr Rohmeyer, der Petitionsausschuss beschäftigt sich gerade mit einem Thema, das den Bremer Norden sehr bewegt, nämlich mit dem geplanten Hochhaus am Vegesacker Hafen. Wie ist der Stand der Dinge da?
Claas Rohmeyer: Der Stand der Dinge heute ist, dass wir die Petition in der öffentlichen Anhörung hatten. Dabei hat es einen Vortrag von Petentenseite gegeben. Die Senatorin für Bau, Maike Schaefer, hat darauf reagiert und auch auf Fragen des Gremiums geantwortet. Der Petitionsausschuss wird in einer seiner nächsten Sitzungen über das weitere Verfahren oder über den Abschluss der Petition beraten.
Welche weiteren Nordbremer Eingaben beschäftigen Sie gerade?
Wir haben auch die Petition zum Erhalt der nördlichen Lesumwiesen in der öffentlichen Beratung gehabt. Dort haben die Petenten der öffentlichen Petition sowie die weiteren Petenten – es gibt dort auch Petitionen, die nicht öffentlich sind – mit Vertretern der senatorischen Behörde für Umwelt und den Ausschussmitgliedern über Fragen gesprochen, haben nochmal Positionen klargemacht, haben auch auf eigene Gutachten verwiesen. Danach hat es noch keine weitere Beratung gegeben, weil es dort ein Mediationsverfahren, gerichtlich angeordnet, gegeben hat.
Gibt es noch weitere Themen aus dem Bremer Norden, die Sie aktuell beschäftigen?
Es gibt noch eine Petition zur Schaffung eines Sandstrandes in Vegesack. Außerdem haben wir noch eine Petition, dort geht es um Fragen bezüglich des Blumenthaler Marktplatzes. Wir haben natürlich auch zahlreiche nicht öffentliche Petitionen, die auch in Beratung sind.
Eine der erfolgreichsten Petitionen in der Stadt war die für den Erhalt der Frühchenstation am Klinikum Bremen-Nord mit fast 10.000 Unterschriften. Was ist daraus geworden?
Zu der Petition hat es Ende vergangenen Jahres eine öffentliche Anhörung gegeben. Dabei sind noch Fragen offen geblieben, die in einer der nächsten Sitzungen geklärt werden.
Wer kann eigentlich eine Petition einreichen?
Jede und jeder. Man muss nicht volljährig sein und auch nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Man muss auch nicht in Bremen wohnen.
Worauf müssen Bürger achten, wenn Sie eine Petition einreichen?
Eine Petition muss mit Verwaltungshandeln, mit hoheitlichem Handeln zu tun haben. Es gibt Dinge, die nicht petitionsfähig sind. Der Petitionsausschuss darf zum Beispiel kein Gerichtsurteil aufheben, wir haben Gewaltenteilung. Wir können auch keine Nachbarschaftsstreitigkeiten lösen und nur das beeinflussen, was auch im Land Bremen passiert. Es gibt kommunale Dinge Bremerhavens, für die die Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven zuständig ist. Aber innerhalb der Stadt Bremen und bei Landesaufgaben im Lande Bremen kann der Petitionsausschuss helfen.
Wie sehen Sie die Chancen für Petenten, dass sie tatsächlich Erfolg haben mit ihrer Eingabe?
Das hängt von der Petition ab. Wir haben Kleines bewegt, wir haben aber auch Großes bewegt. Wir haben erfolgreich eine Petition für den Erhalt der Schule in Burgdamm bearbeitet, was vielen Menschen in Bremen-Nord ein großes Anliegen war. Wir haben überall dort eine Chance, wo auch guter Wille seitens der Verwaltung vorhanden ist, das muss ich auch ganz deutlich sagen. So haben wir kürzlich zwei Schülerinnen die Möglichkeit eröffnen können, eine davon stammt aus Bremen-Nord, dass sie an der mittleren Schulabschlussprüfung teilnehmen können, nachdem sie ihr Auslandsschuljahr in Nordamerika abbrechen mussten, obwohl das so nach Schulverwaltungsgesetz eigentlich nicht vorgesehen war. Hier hat die Bildungsbehörde gemeinsam mit uns nach einer Lösung gesucht.
Wie hoch ist die Erfolgsquote von Petitionen im Land Bremen?
Das hängt vom Einzelfall ab. Es kann viele Petitionen geben, bei denen eine Umsetzung rechtlich einfach nicht möglich ist. Gleiches gilt für Petitionen, bei denen der politische Wille fehlt. Da das Parlament entscheidet, spiegelt sich natürlich auch die politische Mehrheit immer wieder. Der Petitionsausschuss versteht sich als Anwalt der Bürgerinnen und Bürger. Unser Anliegen ist es, Menschen zu helfen und wenn es möglich ist, gehen wir auch diesen Weg und versuchen, das zu erreichen.
Gibt es etwas, was Bürger beachten können, damit ihre Petition nach Möglichkeit erfolgreich ist?
Ja, sie dürfen die Petition nicht zu früh und nicht zu spät einreichen. Wenn es etwa um ein Baugebiet geht, gibt es auch Mitwirkungsmöglichkeiten. Ein Punkt, der auch in der Diskussion um das Hochhaus am Vegesacker Hafen angesprochen wurde. Das ist nichts, was sich irgendwo im Geheimen ausgedacht und anschließend fertig präsentiert wurde, sondern auch dort hat es öffentliche Prozesse gegeben, in die der Beirat eingebunden war. Manchmal hat man den Eindruck, dass viele Bürgerinnen und Bürger die Beiratsebene vielleicht gar nicht beachten. Das ist ein Fehler, denn der Beirat hat, was kommunale Bautätigkeiten angeht, natürlich eine ganz hohe Bedeutung. Zu spät wird es für eine Petition sein, wenn alles schon durch ist und die Bagger rollen.
Sie haben bereits die Dorfschule in Burgdamm angesprochen. Was hat da zum Erfolg der Petiton geführt?
Es ist ganz wichtig, engagiert im Petitionsausschuss mit Kolleginnen und Kollegen vor Ort zu agieren. Ich war lange auch bildungspolitischer Sprecher meiner Fraktion und kannte den Standort deshalb. Die Vorsitzende des Petitionsausschusses in der vergangenen Legislaturperiode, Insa Peters-Rehwinkel, kommt aus Bremen-Nord, genauso wie auch Rainer Buchholz, der dem Gremium damals ebenfalls angehörte. Wir hatten Leute im Ausschuss, die den Standort kannten und die wussten, dass das Gebäude vielleicht nicht ganz so marode war, wie es uns im ersten Eindruck hat vermittelt werden sollen. Es ist immer gut, wenn man sich vor Ort ein bisschen auskennt. Darum sind Ortstermine auch sehr wichtig.
Welche Rolle hat der öffentliche Druck gespielt?
Öffentlicher Druck spielt immer eine Rolle. Das ist nicht nur bei Petitionen so, das ist bei jeder politischen Entscheidung so. Ich glaube, man hat gesehen, dass man sich bei der Schule in Burgdamm keinen Zacken aus der Krone bricht, wenn man ein modernes Schulensemble schafft mit einer Beibehaltung von historischer Bausubstanz. Ich will die historische Bausubstanz jetzt nicht überhöhen, aber natürlich haben solche alten Gebäude oder Gebäudeteile immer etwas Prägendes für einen Ort. Und darum hat man am Ende auch in der Behörde eingesehen, dass ein profaner, schnöder Neubau vor Ort einfach nur zusätzlich Ärger gemacht hätte.
Könnte der öffentliche Druck auch bei der Petiton zum geplanten Hochhaus am Vegesacker Hafen eine Rolle spielen?
Wie gesagt, der spielt immer eine Rolle. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass das jedes Mal das ist, worauf die Menschen allein setzen sollten. Die Baudeputation hat mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken den Planfeststellungsbeschluss getroffen. Alle Fraktionen sitzen auch im Petitionsausschuss und in der Bremischen Bürgerschaft. Man muss manchmal politische Entscheidungen auch rechtfertigen, auch wenn da tausend Menschen stehen, die dagegen sind. Das ist immer eine Abwägungsfrage. Aber in dem Moment, in dem Menschen zeigen, dass sie für oder gegen etwas sind, hat das immer auch Auswirkungen auf jede Politikerin und jeden Politiker.
Sollte der Petitionsausschuss zu dem Ergebnis kommen, die Bürgerinitiative hat recht, mehr als fünf Geschosse sind nicht möglich, müsste das die Pläne nicht zwingend ändern.
Wir können mit einer Petition den Senat um Abhilfe bitten. Das ist unser sogenanntes schärfstes Schwert. Die andere Möglichkeit wäre, dass schon im Planungsverfahren reagiert würde. Dann wäre eine Petiton für erledigt zu erklären, weil sich der Sachverhalt schon verändert hat. Wenn wir nicht helfen können, dann ist eine Petition, so heißt es, nicht abhilfefähig. Wenn der Petitionsausschuss zu dem Ergebnis kommen sollte, dass wir den Senat bitten, etwas zu ändern, müsste das von der Bürgerschaft beschlossen werden. Ich will da wirklich keine Hoffnung wecken, die nicht gerechtfertigt ist. Der Beschluss der Baudeputation mit der Mehrheit der Koalition deutet darauf hin, dass es nicht zu einer solchen Bitte um Abhilfe kommen wird. Aber wir haben im Ausschuss darüber gesprochen, welche Möglichkeiten ein Gestaltungsgremium für den Bau haben wird. Das wird sicherlich auch einer der Punkte sein, über die wir zu sprechen haben. Die drei Koalitionsvertreter haben, glaube ich, zu erkennen gegeben, dass sie nicht gewillt sind, der Petition abzuhelfen. Aber ich kann dem Gremium nicht vorweggreifen.
Die Fragen stelle Aljoscha-Marcello Dohme.
Claas Rohmeyer (CDU) ist seit 1999 Abgeordneter der Bremischen Bürgerschaft. Seitdem gehört der 1971 in Bremen geborene Politiker auch dem Petitionsausschuss an. Den Vorsitz dieses Gremiums übernahm er 2019.