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Betreuung in der Corona-Krise Pflegeheime wollen für Besucher offen bleiben

Auch bei bundesweit steigenden Infektionszahlen sollen die Alten- und Pflegeheime für Besucher offen bleiben. Eine Herausforderung für die Einrichtungen, die sie auch mithilfe von Schnelltests meistern wollen.
05.11.2020, 21:00 Uhr
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Von Irene Niehaus und Brigitte Lange

Lilienthal/Grasberg/Tarmstedt. Keine Besuche und das über Wochen – der Lockdown im Frühjahr hatte die Bewohner von Alten- und Pflegeheimen besonders hart getroffen. Das solle sich möglichst nicht wiederholen, heißt es inzwischen aus Regierungskreisen in Berlin. Entsprechend betreffen die Einschränkungen des aktuellen „Lockdown light“ diese Einrichtungen nicht.

„Eine Isolation der Bewohner ist der schlechteste Weg“, bestätigt Jörg Nolte vom Qualitätsmanagement der evangelischen Dienste Lilienthal. Um bei steigenden Corona-Zahlen Besuche nach wie vor möglich zu machen, würden sie die neuen Schnelltests nutzen, teilt er mit: „Sie sind ein weiterer Baustein, Infektionen zu verhindern.“ Ähnlich wie ein Schwangerschaftstest liefern diese Schnelltests bereits 15 Minuten nach dem Rachenabstrich ein Resultat auf einem kleinen Display.

Am wichtigsten sei in dieser Pandemie aber, so Nolte, dass sich alle an die Hygieneregeln hielten. Bei ihnen gehöre dazu, dass die Besucher beim Betreten des Gebäudes FFP2-Masken gestellt bekämen. „Darauf bestehen wir; sie schützen deutlich besser als die Alltagsmasken.“ Auch werde jeder Besucher über die Verhaltensregeln informiert, müsse unterschreiben, dass er sich daran halte. Ob das geschehe, könnten sie nicht sagen, räumt Nolte ein. Besuche seien inzwischen auch wieder in den privaten Zimmern der Bewohner erlaubt. Nolte: „Wir können und wollen nicht daneben stehen.“

Die evangelischen Dienste haben je Bewohner 20 Tests pro Monat beim Gesundheitsamt beantragt. Beschaffen müssten sie sie selbst, bekämen aber die Kosten erstattet, sagt er. Mit ihnen sollen die Bewohner und ihre Besucher sowie die Mitarbeiter einmal die Woche getestet werden. Lehne ein Besucher den Test ab, dürfe er trotzdem ins Gebäude, stellt Nolte klar. Es werde nur vermerkt, dass er nicht getestet wurde. Aus organisatorischen Gründen würde die Einrichtung es begrüßen, wenn sich Besucher vorab anmeldeten. „Solch ein Test wird schließlich immer von einer unserer Fachkräfte mit Vollschutz durchgeführt.“ Und sobald der Besuch vorbei sei, müssten in den Zimmern die Flächen desinfiziert werden. Kurz: „Jeder Besuch ist anstrengend.“

Risikogruppen sollen laut der verschärften Corona-Regeln von Bund und Ländern aufgrund der steigenden Infektionszahlen besonders geschützt werden. Mit dem „Lockdown light“ Anfang November führte das Haus am Markt in Lilienthal wieder striktere Besuchsregeln ein. In isolierten Räumen mit zwei Eingängen sowie im Garten dürfen Verwandte derzeit zwei Mal in der Woche ihre Angehörigen treffen. Zudem gibt es eine Beschränkung der Besuchsdauer auf 30 Minuten, sowie weitere Besuchsregeln. Die Einrichtung achtet darauf, die Tage nicht zu voll packen, um das Ganze zu entzerren. „Es ist ein schwieriger Spagat zwischen dem Infektionsschutz und dem Bedürfnis nach sozialen Kontakten“, räumt Geschäftsführer Sven Mensen ein. Für die stationäre Einrichtung seien fürs Erste 500 Schnelltests bestellt worden, um Personal und Bewohner regelmäßig auf das Coronavirus zu testen. „Die Tests dienen dazu, den Worst Case zu verhindern“, sagt Mensen. Zudem habe er die Hoffnung, dass Mitarbeiterinnen in Quarantäne dank der Tests schneller wieder einsatzbereit sind. Weiterhin wichtig sei jedoch, dass sich alle an die Regeln des Hygienekonzeptes hielten und die Schnelltests nicht dazu führten, im Umgang mit den Sicherheitsmaßnahmen fahrlässiger zu werden.

Problematisch ist für alle Einrichtungen, dass das Pflegepersonal die Schnelltests machen muss. Auch wenn das Ergebnis in 15 Minuten da ist, kosten sie Zeit. „Es ist eine große Herausforderung gerade in Zeiten, in denen Fachkräfte rar sind“, betont Sven Mensen.

In den Pflegeheimen, in denen wir uns umhörten, legen die Mitarbeiter angesichts steigender Covid-19-Zahlen den Bewohnern und ihren Angehörigen ans Herz, die Kontakte zu beschränken. Unter strengen Auflagen sind Besuche im Grasberger Seniorenheim Haus Eichengrund erlaubt. Als die Corona-Fallzahlen im September stiegen, hoben Uwe Peters und sein Sohn Marc, die die Einrichtung betreiben, die Lockerungen wieder auf. Seitdem gilt das „Fensterprinzip“: Angehörige können sich draußen von einem überdachten Strandkorb aus durch ein auf Kipp stehendes Fenster, das zusätzlich mit einem stabilen Fliegengitter geschützt ist, mit den Bewohnern unterhalten. „Wir haben diese Lösung gewählt, weil wir das Leben unserer Bewohner nicht aufs Spiel setzen wollen“, sagt Marc Peters. Ob und wie sein Haus Schnelltests benutzen werde, könne er noch nicht sagen, er sei gerade dabei, sich über ihre Möglichkeiten und Grenzen zu informieren.

Schnelltests einsetzen will demnächst das Jan-Reiners-Seniorenzentrum in Tarmstedt. „Wir haben nach Maßgabe der nationalen Teststrategie ein Testkonzept entwickelt und dem Gesundheitsamt zur Freigabe vorgelegt“, teilt Bernhard Rössler, Pressesprecher der Residenz-Gruppe Seniorenresidenzen, zu der die Tarmstedter Einrichtung gehört, mit. Außerdem seien Mitarbeiter bestimmt worden, die dafür geschult werden, Bewohner und Besucher zu testen. „Wir haben alle Angehörigen angeschrieben und darüber informiert, dass wir in Zukunft Schnelltests verwenden werden, um die Gesundheit der Bewohner zu schützen“, so Rössler. Dem Vernehmen nach sollen Personal und Bewohner ein Mal in der Woche sowie Angehörige eine Viertelstunde vor dem Besuch getestet werden. Seitdem der Landkreis Rotenburg im Oktober zum Risikogebiet erklärt worden ist, können Angehörige ihre Verwandten im Jan-Reiners-Seniorenzentrum unter hohen Hygieneanforderungen in der Besucherbox im Foyer sprechen. „Es ist uns wichtig, für Bewohner und Angehörige eine gute Balance zwischen Gesundheitsschutz und Begegnungen zu ermöglichen“, so Rössler.

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Zur Sache

Millionen Tests für die Pflegeheime

Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa) wird seine Pflegeheime und Pflegedienste mit einem ersten Kontingent von fünf Millionen Corona-Schnelltests versorgen. „Damit können wir mehr Sicherheit schaffen als bisher“, sagt BPA-Präsident Bernd Meurer. Allerdings verursache der Einsatz der Schnelltests in den Pflegeheimen und bei den ambulanten Diensten einen erheblichen Zeitaufwand bei den ohnehin schon ausgelasteten Pflegekräften. Meurer: „So ein Schnelltest nimmt für jede Person etwa 20 Minuten in Anspruch.“ Der BPA bildet mit mehr als 12000 aktiven Mitgliedseinrichtungen die größte Interessenvertretung privater Anbieter sozialer Dienstleistungen in Deutschland. Auch der Niedersächsische Evangelische Verband für Altenhilfe und Pflege begrüßt die Möglichkeit, Schnelltests zur Verfügung zu bekommen. Viele fachliche Fragen und die Refinanzierung der zusätzlichen personellen Aufwendungen seien allerdings noch nicht geklärt, sagt Verbandsgeschäftsführer Frank Pipenbrink.

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