Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Spielstark am Fußball und an der Gitarre Ein sehr persönlicher Abend mit dem Schweden Martin Bengtsson

Die Stimme von Martin Bengtsson begeisterte das Publikum, im Stuhrer Rathaussaal hatte er schnell seine Anhänger. Er war solo mit der akustischen Gitarre unterwegs, sang mal tragisch, mal melancholisch, mal heiter und es schien, als wäre er in das Leben verliebt.
11.05.2015, 00:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Anke Bayer-Thiemig

Die Stimme von Martin Bengtsson begeisterte das Publikum, im Stuhrer Rathaussaal hatte er schnell seine Anhänger. Er war solo mit der akustischen Gitarre unterwegs, sang mal tragisch, mal melancholisch, mal heiter und es schien, als wäre er in das Leben verliebt. Das war allerdings nicht immer so. Vor wenigen Jahren noch war der Künstler weit davon entfernt, als Musiker auf die Bühne zu steigen. Damals galt er als große Hoffnung des schwedischen Fußballs. Flink, dribbelstark, torgefährlich, durchsetzungsstark trotz seiner kleinen Körpergröße.

Mit im Gepäck hatte er deswegen nicht nur seine Gitarre, sondern auch seine Autobiografie „Freistoß ins Leben“ (Skuggan av San Siro). „Skuggan av San Siro“ ist schwedisch und bedeutet wörtlich übersetzt „Der Schatten von San Siro“. San Siro, heute Giuseppe-Meazza-Stadion genannt, ist das größte Stadion Roms, in dem unter anderem auch Inter Mailand und damit auch Bengtsson spielte. In seinem autobiografischen Jugendbuch schreibt Martin Bengtsson von seinen Anfängen, von seinem Traum in der Profikarriere, die ihn am Ende fast umgebracht hätte.

„Ich wollte die Hauptrolle“, sagte er am Freitagabend. Schon im Alter von fünf Jahren sei es sein ganz großer Wunsch gewesen, für einen großen italienischen Fußballklub auf dem Rasen zu stehen. Er trainierte wie besessen dafür und hatte offensichtlich auch das nötige Talent. Mit 16 Jahren schaffte er den Sprung in die erste schwedische Liga und debütierte in der Nationalmannschaft, mit 17 Jahren landete er bei Inter Mailand, doch der Leistungsdruck des modernen Fußballs ließ Schwedens Ausnahmetalent zerbrechen.

In einer Verletzungspause kaufte er sich eine Gitarre und brachte sich das Spielen selbst bei. Die Songs, die er schrieb, kritzelte er auf Zettel in seinem Zimmer im Jugendzentrum von Inter Mailand. Eines Tages kam er nach Hause und die Zettel waren weg. Die Putzfrau hatte sie weggeworfen. Songs zu schreiben, das passte einfach nicht ins Bild. Drei Tage später stand er im Badezimmer und schnitt sich die Pulsadern auf, nicht tief genug und er überlebte.

Im Jahr 2008 zog er nach Berlin, er startete neu durch, arbeitete an seinen Songs. Für ihn ist das Musikerleben ein großer Spaß. Seine Band heißt wie die Straße, in der er wohnte: „Waldemaar“. „Ich spürte eine Sehnsucht nach Wirklichkeit“, so eine Aussage aus seiner Autobiografie. Und er erinnerte sich: Schon früher war Musik seine große Leidenschaft neben dem Fußball gewesen. „Ich wollte beides sein: Kurt Cobain und Roberto Baggio.“

Wie gut er auch als Solomusiker ist, war am Freitagabend vor kleiner Kulisse zu hören. Unterstützung fand Bengtsson in Oliver Peuker, der zwischen den Songs aus Martin Bengtsson Autobiografie vorlas. Und in Karl Neukauf, der den Musiker am Klavier begleitete. Zudem fasste Bengtsson Episoden in gut verständlichem Englisch aus seinem bewegten Leben zusammen. Es war ein beeindruckender Abend, aber auch ein nachdenklicher und ein stimmungsvoller. Ein paar spontan umgedichtete Textzeilen, und schon flogen ihm die Herzen nur so zu. Wie auch mit einem Ausbruch von Temperament, als er spontan von der Bühne sprang, um mit seiner Gitarre ganz nah am Publikum zu sein.

Sein Song „Lava“ ein perfekter Mitwipper, sein „London Calling“ beeindruckte die Zuhörer. Er versprühte besonders im zweiten musikalischen Teil geradezu unbändige Lebensfreude. Unter den vielen Up-Tempo-Songs mischte sich auch das melancholische Stück „Mental Hospital“, in dem Bengtsson seinen Suizidversuch und den Klinikaufenthalt verarbeitet. Es ließen sich Folk, Pop, Rock, Punkrock und Discoelemente in seiner Musik finden, doch stand sie irgendwie auch ganz für sich selbst.

Der ehemalige Fußballprofi und jetzige Singer/Songwriter imponierte mit seiner eindringlichen Stimme und selbst geschriebenen Liedern über das Leben in allen Facetten. Und auch wenn das Mikro nicht ging, und der Musiker in alle Richtungen improvisieren musste, es war ein toller Abend. Die Autobiografie ist übrigens längst vergriffen, erscheint in Kürze als Neuauflage, mit einem aktuelleren Vorwort. Auch für Martin Bengtsson selbst geht es in eine weitere Runde, derzeit macht der 1986 geborene junge Mann in Schweden eine Ausbildung als Theaterschauspieler und Drehbuchautor. Applaus.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)