Borgfeld/Landkreis Osterholz. Italien, Spanien – oder doch lieber Griechenland? Wohin lässt sich in diesem Sommer reisen? „Wie das Beispiel Portugal zeigt, können sich die Lagen vor Ort schnell ändern. Anfang des Jahres noch mitten in der Virusvarianten-Krise, steht das Land inzwischen nicht einmal mehr auf der Liste der Risikogebiete des Robert-Koch-Instituts.“ Das berichtet die Inhaberin des Borgfelder Reisebüros Nadine Bünger. Andere Länder machten eifrig Pläne, wie sie Urlaub trotz hoher Corona-Zahlen im Sommer möglich machen können, berichtet die 38-jährige Reiseverkehrskauffrau. Griechenland legte kürzlich neue Pläne für den Tourismus vor. Der Inselstaat Malta versucht sogar, Reisende mit Geldgeschenken zu locken. In einigen Ländern werden Überlegungen laut, die quarantänefreie Einreise nur dann zu gestatten, wenn Reisende eine Corona-Impfung nachweisen können.
Also besser in Deutschland bleiben? „Die Menschen sind verunsichert und warten natürlich erst einmal ab, wie sich die Lage entwickelt. Allerdings war das Buchungsaufkommen bis April so gut, dass die Kernzeiten über Himmelfahrt, Pfingsten, Sommer- und Herbstferien nahezu ausgebucht sind“, berichtet Martina Warnken, Ferienhof-Chefin und Vorsitzende des Land-Touristik-Verbandes Niedersachsen. „Die Nachfrage übersteigt praktisch das Angebot, zumindest was die Ferienzeiten und Feiertage betrifft.“
Während des Beherbergungsverbotes habe jeder Gast ein außerordentliches Stornierungsrecht. „Das bedeutet, er darf kostenlos umbuchen oder hat Anspruch auf Erstattung bereits geleisteter Zahlungen“, so Warnken. Allerdings seien die jeweils geltenden Corona-Verordnungen zu beachten. „Die gilt nur noch bis zum 10. Mai. Was danach kommt, wissen wir nicht“, räumt die Verbandschefin ein. „Eine schwierige Lage.“
Das bestätigt auch Verbraucherschützer Parsya Baschiri von der Bremer Verbraucherzentrale. „Seit Pandemiebeginn schießen bei uns die Zahlen von Anfragen zu Reisethemen durch die Decke“, teilt der Rechtsberater mit. Top-Themen seien Anfragen zu Stornierungskosten, die „oft exorbitant hoch seien“, so Baschiri. „Oder die Verbraucher bekommen ihre Anzahlungen nicht zurück, obgleich Veranstalter die Reisen absagen.“ Die Verbraucherzentrale stellt auf ihrer Homepage Informationen zum Thema Reisen zur Verfügung. Sie seien eine erste Hilfestellung für Reklamationen zu Flug- und Pauschalreisen. Für individuelle Kurzberatungen bietet die Verbraucherzentrale 20 Minuten Gesprächszeit zum Preis von 25 Euro an.
Bei ihr gehöre die Beratung zum Service, erklärt Reiseverkehrskauffrau Nadine Bünger. „In den vergangenen Wochen ist die Nachfrage nach Urlaubsreisen für den Sommer gestiegen. Die Sehnsucht, zu verreisen, ist da. Allerdings sagen viele Veranstalter ihre Reisen über Himmelfahrt und Pfingsten gerade ab“, berichtet die Unternehmerin aus Borgfeld. Inzwischen würden Veranstalter flexible Stornierungsoptionen anbieten. Bereits ab 29 Euro gäbe es danach die Möglichkeit, Urlaubsreisen zwei Wochen vor Ferienbeginn abzusagen. „Für viele Urlaubssuchende ist die Entscheidung dennoch schwierig. Viele haben gebucht und hoffen auf niedrige Inzidenzen, um ihre Reisen antreten zu können. Wer vorsichtshalber storniert, läuft Gefahr, am Ende ganz ohne Reise dazustehen“, sagt Bünger. Denn oft sei bereits alles ausgebucht.
Viele verschieben ihre Urlaubsreise deshalb noch einmal um ein Jahr, berichtet die Reiseverkehrskauffrau Jasmin Kampe. „Zurzeit sind wir damit beschäftigt, die Kunden auf einen späteren Zeitpunkt sowie auf das Jahr 2022 umzubuchen“, teilt die Inhaberin des Worpsweder Reiseladens mit. Die Nachfrage für den Sommer sei noch sehr verhalten. „Wir hoffen, dass sie in den nächsten Wochen, wenn die Impfkampagne vorangeht, steigen wird.“ Die Reisebüroinhaberin hofft auf Lockerungen. „Doch sollten sich die Zahlen in Deutschland und weltweit zunächst erholen.“
Sammelklage gegen Beherbergungsverbot
Philipp Rademann, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Stade und den Raum Elbe-Weser blickt mit Argusaugen auf die Modellregion Schlei und Eckernförde. „Bis zum 16. Mai läuft das Modellprojekt dort in den Urlaubsregionen, danach wissen wir hoffentlich mehr“, so der Verantwortliche für die Landkreise Osterholz und Rotenburg. Niedersachsen hatte seine Modellprojekte in vielen Regionen aufgrund des Infektionsschutzgesetzes erst einmal zurückgestellt. „Hinter den Kulissen werden jedoch noch einmal alle validen Konzepte überarbeitet. Pläne für einen Re-Start gibt es also.“
Vielen Betrieben gehe indes das Geld aus. „Die Verzweiflung wächst“, berichtet Martina Warnken, die als Verbandschefin Kontakt zu 250 Ferienhofbetrieben in ganz Niedersachsen hält. „Unsere Branche befindet sich nun seit dem 3. November 2020 im Lockdown“, kritisiert die Verbandschefin. „Wir haben schon vor langer Zeit Lösungsvorschläge direkt an das Ministerium übermittelt. Leider wurden wir bisher nicht gehört.“ Ihr Verband stehe im engen Austausch mit Vertretern aller touristischen Reiseregionen Niedersachsens, um das weitere Vorgehen zu planen. Überlegt werde eine Sammelklage gegen das Beherbergungsverbot, berichtet Warnken.
„In diesem Jahr wird es wohl einfacher, in den Süden zu kommen, als zu Ihnen auf den Hof, der weniger als 100 Kilometer entfernt ist“, zitiert die Huxfelder Unternehmerin einen Feriengast. „Das ist im Grunde ein Skandal, der politisch gefördert wird!“
Reisebedingungen ändern sich stetig
Aktuell rät die Bundesregierung weiterhin von allen nicht notwendigen, touristischen Reisen ab. Ein generelles Reiseverbot besteht jedoch nicht. Das Auswärtige Amt berichtet tagesaktuell über Reisebeschränkungen, Quarantänebedingungen und Test-Verordnungen (www.auswaertiges-amt.de).
"Das Risiko, eine Reise nicht realisieren zu können, schwingt immer mit", berichtet die Reiseverkehrskauffrau Nadine Bünger aus Borgfeld. Grundsätzlich gelte für alle Buchungen: "Ich muss mich sehr genau informieren. Wie ist die Einreisesituation? Wie ist die Situation vor Ort? Sind Entwicklungen absehbar? Welche Angebote geben mir Flexibilität?“, erklärt die Jung-Unternehmerin.
Wer Hilfe in Reisefragen sucht, kann unter anderem die Verbraucherzentrale in Bremen kontaktieren: Unter einem Reise-Spezial gibt es auf der Homepage der Zentrale „Tipps für Urlauber“ unter www.verbraucherzentrale-bremen.de. „Plötzlich ändern sich die Reisedaten, ein Nonstop-Flug bekommt plötzlich Zwischenlandungen oder der Flieger hebt gar nicht ab? Sie müssen nicht alles akzeptieren, was Reiseveranstalter ihren Kunden mitunter bieten“, sagt Parsya Baschiri, Rechtsberater der Verbraucherzentrale in Bremen.