Niedersachsens Verfassungsschutz wird um 50 Stellen aufgerüstet. Die beiden Koalitionsfraktionen von SPD und CDU verkündeten nach ihrer Haushaltsklausur am Dienstag, 1,6 Millionen Euro für zusätzliches Personal sowie eine weitere Million Euro für die Datenverarbeitung in dem Geheimdienst locker zu machen. Einen direkten Zusammenhang mit der Affäre um den vor einer Woche in Göttingens linker Szene enttarnten V-Mann verneinten SPD-Fraktionschefin Johanne Modder und ihr CDU-Kollege Dirk Toepffer allerdings. Die Aufstockung sei bereits vor vier Wochen angemeldet worden; sie sei angesichts der Belastungen der bisher 280 Verfassungsschützer und des gestiegenen Observationsbedarfs in der rechten, linken und islamistischen Szene erforderlich.
Zwei Tage hatten die rot-schwarzen Abgeordneten hinter verschlossenen Türen getagt, um noch einige eigene Schwerpunkte für den Etat 2019 festzuzurren. Für die kommunalen Theater springen zwar nicht die versprochenen sechs, aber immerhin noch drei Millionen Euro heraus. 2,3 Millionen Euro gibt es für 200 zusätzliche Anwärterstellen bei der Polizei, zwei Millionen für schusssichere Helme. Die Gerichte bekommen 15 zusätzliche Wachtmeister, die Gefängnisse 20 weitere Vollzugsbeamte.
Gute 60 Millionen Euro
Vier Millionen Euro sollen in die Sozialarbeit in benachteiligten Stadtteilen etwa in Delmenhorst, Wilhelmshaven oder Salzgitter fließen. Weitere vier Millionen Euro gehen an die allgemeinbildenden Schulen für 50 pädagogische Mitarbeiter sowie an die Berufsschulen für 50 Schulsozialarbeiter. Mit 1,5 Millionen Euro steigt die Koalition in die Schulgeldfreiheit für Therapieberufe wie Logopäden und Physiotherapeuten ein. „Wir brauchen hier mehr Nachwuchs“, erklärte Modder mit Blick auf Versorgungsengpässe im ländlichen Raum. Es gehe auch darum, Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Bundesländern abzubauen, meinte Toepffer mit Blick auf Bremen, wo das Schulgeld bereits abgeschafft sei.
„Politische Liste“ heißen solche traditionellen Nachbesserungen offiziell; Spötter sprechen angesichts des geringen Volumens auch gern von „Spielgeld“. Gut 60 Millionen Euro umfasst dieser Topf in diesem Jahr, das sind gerade mal 0,2 Prozent der 32,9 Milliarden Euro im Gesamthaushaltsentwurf von Finanzminister Reinhold Hilbers (CDU). „Wir haben der Versuchung widerstanden, allzu viel Geld auszugeben“, erklärte sein Parteifreund Toepffer. „Es waren harte Auseinandersetzungen, aber wir haben alle Punkte schnell und sachorientiert abgeschlossen“, berichtete Modder.
Mit den Beschlüssen stärke man auch das Ehrenamt, betonte SPD-Haushaltsexpertin Frauke Heiligenstadt mit Blick auf die Zuschüsse für 16 Geo- und Naturparke (1,7 Millionen Euro) oder moderne Fahrzeuge für den Katastrophenschutz (1,5 Millionen Euro). Ihr CDU-Kollege Ulf Thiele nannte als wichtige Schwerpunkte den Einstieg in die neuen Digitial-Professuren (2,9 Millionen Euro), die Förderung der Luft- und Raumfahrt insbesondere an den Airbus-Standorten (drei Millionen Euro) sowie Hilfen für die von Sturm und Borkenkäfern geplagte Forstwirtschaft (1,7 Millionen Euro).
An einen Einstieg in bessere Gehälter für Grundschullehrer wagte sich die Koalition angesichts vieler rechtlicher und finanzieller Fragen jedoch nicht ran. „Da sind wir noch nicht so weit“, gab Modder zu. „Aber natürlich müssen wir darüber nachdenken“, meinte
Toepffer. Auch beim Werben um junge Lehrkräfte stehe Niedersachsen im Wettbewerb mit anderen Ländern. Die Koalitionsrunde lehnte ebenfalls eine insbesondere von der SPD geforderte Weideprämie für Kuh- und Schafhalter ab. Sechs Millionen Euro waren dafür angedacht. Das bringe angesichts des hohen Bürokratieaufwandes nicht viel, erklärte Thiele. Für eine echte Hilfe müsse man daher auf EU-Mittel in der nächsten Förderperiode ab 2021 warten.
„Die großen Würfe fehlen“, bemängelte die Lehrergewerkschaft GEW. „Wertschätzung für das eigene Personal sieht anders aus“, kritisierte der Niedersächsische Beamtenbund, der sich ein Signal für eine bessere Besoldung gewünscht hatte. Die Opposition ließ ebenfalls kein gutes Haar an der Liste. Von „Flickschusterei“ sprach Grünen-Haushaltsexperte Stefan Wenzel, sein FDP-Kollege Christian Grascha von einem „Sammelsurium an Kleinmaßnahmen“ anstelle einer „klar erkennbaren Strategie mit Schuldenabbau und Investitionen in die Zukunft“.
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