Nebel hängt über der kabbeligen Weser. Schon seit Stunden gießt es in Strömen. Die Männer haben die Kapuzen ihrer Wetterjacken tief ins Gesicht gezogen. Es sind keine Schönwetter-Taucher, die sich an diesem ungemütlichen Sonnabendvormittag an der Weserpromenade in Vegesack auf einen Tauchgang vorbereiten. Die Mitglieder des Taucheinsatzzuges der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) haben Einsätze bei jedem Wetter und unter widrigsten Bedingungen. Deshalb ist es wichtig, dass sie auch unter solchen Voraussetzungen für den Ernstfall üben.

Signalmann Ingo Schiebenhöfer (rechts) unterstützt Jonas Michalewski bei der Vorbereitung und Überprüfung seiner Ausrüstung.
Die DLRG-Taucher kommen bei der öffentlichen Gefahrenabwehr und im Katastrophenschutz zum Einsatz – ehrenamtlich. Auch wenn der Verdacht besteht, dass eine vermisste Person sich im Wasser befindet, wird der Taucheinsatzzug über die Rettungsleitstelle alarmiert. Zwölf aktive Einsatztaucher hat der DLRG-Bezirk Bremen-Nord aktuell. An diesem Tag geht es um die Prüfung eines künftigen Taucheinsatzführers.
„Ohne Taucheinsatzführer kann der Tauchgang nicht stattfinden. Er übernimmt die Leitung und die Verantwortung für den gesamten Einsatz und alle beteiligten Kräfte“, erläutert Lehrtaucher Jan Müller die Stellung und Aufgabe dieser Position. Gemeinsam mit Eike Wehrenberg, Lehrtaucher bei DLRG und Feuerwehr, wird er den erfahrenen Rettungstaucher Markus Kornau gleich prüfen. Der weiß zu diesem Zeitpunkt noch nicht, welche Prüfungssituation gleich auf ihn zukommen wird. Seine Aufgabe lautet zunächst einmal: Vorbereitung eines Übungstauchgangs.

Markus Kornau (Mitte) koordiniert die Übung, die gleichzeitig seine Prüfung zum Taucheinsatzführer ist.
In Höhe des Anlegers an der Signalstation machen sich alle Einsatzkräfte fertig. Markus Kornau hat sie eingeteilt, Aufgaben vergeben, den Ablauf besprochen. Ein großes Schild mit der blau-weißen Alpha-Flagge darauf weist Schiffe darauf hin, dass gleich ein Taucher im Wasser sein wird, damit sie ausreichend Abstand halten. Auch das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt und die Polizei sind informiert worden.
Routiniert machen sich alle fertig. Jonas Michalewski hat schon seinen Taucheranzug an. Jetzt sitzt er im Einsatzfahrzeug und überprüft noch einmal seine Ausrüstung, darunter Maske, Atemregler, Druckluftflaschen. Parallel bereiten Sebastian Sobota und Günther Neumann sich vor. Sie stehen als Ersatz- und Sicherungstaucher bereit. Signalmann Ingo Schiebenhöfer wartet mit dem Tauchertelefon auf dem Anleger. Der Kontakt zum Taucher ist hier besonders wichtig, denn die Sicht in der Weser ist gleich null. Von einem Boot auf dem Wasser aus sorgen Jan Hashagen und Corinna Schaar für Sicherheit. Mirko Klein steht als Helfer bereit.

Die Alpha-Flagge (vorne) signalisiert, dass ein Taucher im Wasser ist.
Plötzlich wendet sich Jan Müller an Markus Kornau. „Eben wurde hier noch eine Person gesehen. Jetzt ist sie plötzlich weg, und da vorne auf dem Anleger liegt Kleidung. Sie ist vielleicht ins Wasser gefallen.“ Mit so einer Meldung von Passanten beginnen häufig die Einsätze der DLRG. Wäre die beschriebene Situation real, dann würde aus der Übung jetzt ein Einsatz werden. In diesem Fall beginnt die Prüfung für Markus Kornau.
Er hat schon zahlreiche Einsätze mitgemacht, ist routiniert, gibt Anweisungen. Zusätzliche Rettungskräfte sollen alarmiert werden. Jonas Michalewski beauftragt er, unter Wasser den Bereich vor der Spundwand abzusuchen. Vom Boot aus geht der Taucher ins Wasser, verschwindet in der Tiefe. Dort erwarten ihn extreme Bedingungen: Kälte, Strömung, keine Sicht. „Die Gefahren sind nicht zu unterschätzen. Der Taucher könnte irgendwo hängen bleiben“, sagt Jan Müller. Ingo Schiebenhöfer hat deshalb ständig Kontakt zu dem Mann unter Wasser.

Vom Boot der DLRG lässt sich der Taucher ins Wasser fallen. Kurze Zeit später verschwindet er in der Tiefe.
Eike Wehrenberg befragt Markus Kornau inzwischen nach seiner weiteren Vorgehensweise. Der Taucher wird ausgetauscht. Der Kontakt zur Leitstelle besteht. Weitere Rettungskräfte treffen in Kürze ein. Alles verläuft so, wie es im Ernstfall sein sollte. Schließlich löst Jan Müller die Situation auf. „In der Fußgängerzone läuft eine Person mit nasser Kleidung herum. Es ist davon auszugehen, dass es sich um den Vermissten handelt.“ Markus Kornau besteht seine Prüfung. Der Taucheinsatzzug in Bremen-Nord hat nun vier Taucheinsatzführer.