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Serie Hausmusik Teil 1 Stille Nacht mit Topf und Tröte

In der Familie zu singen und zu musizieren, das ist für viele gewöhnungsbedürftig. Warum es sich dennoch lohnt und wie der Anfang gelingt, erklärt der Borgfelder Kirchenmusiker Daniel Skibbe.
14.12.2020, 00:00 Uhr
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Stille Nacht mit Topf und Tröte
Von Antje Stürmann

Borgfeld. Wenn die Wohnstube zur Bühne wird, Papa nach 40 Jahren wieder mal zur Blockflöte greift und die Kinder mit Mama gemeinsam singen, dann ist Hausmusik angesagt. Eine gute Idee, findet Kirchenmusiker Daniel Skibbe, denn Musik tut Körper und Seele gut. Besonders in Zeiten, in denen Abstand gefragt ist. Wie schnell ein kleines Weihnachtskonzert in der Familie auf die Beine gestellt ist, und dass das auch für Anfänger gar nicht so schwer ist, erklärt der Profi in einer vierteiligen Serie in der WÜMME-ZEITUNG.

Zu singen und zu musizieren fasziniert Daniel Skibbe, seit er zwölf Jahre alt ist. „Ich wollte unbedingt Orgel spielen“, erinnert sich der heute 37-Jährige an seine Zeit im Konfirmandenunterricht. „Wenn ich ins Musizieren vertieft bin, dann schwebe ich in anderen Sphären, dann befinde ich mich nicht mehr in diesem Raum“, beschreibt er, „dann gibt es keine irdischen Probleme“. Und das ist es, was das einfache Musizieren jetzt zu Hause noch wertvoller macht: Die Hände tun etwas, der Kopf vergisst Infektionszahlen und Kontaktverbote.

„Wir Menschen sind soziale Wesen; alles, was das Gefühl vermittelt, mit anderen verbunden zu sein, tut uns gut“, sagt die Geschäftsführerin des Bremer Tonkünstlerverbandes, Stefanie Lubrich. Gemeinsam zu singen und zu musizieren zähle dazu. Wissenschaftliche Belege fallen ihr nicht ein, aber ein Praxisbeispiel: „Es ist schon so, dass sich im ersten Shutdown vermehrt Nachbarn getroffen und gemeinsam gesungen haben“, weiß die Leiterin mehrerer Chöre. Als Trend will sie das nicht gleich bezeichnen. Eher als Tendenz. Lubrich: „Der Wunsch der Menschen ist da, etwas zu tun, wenn sie auf sich selbst zurückgeworfen sind.“

Wenn Musik die Seele berührt

Dass die Musik seine Seele berührt, erlebte Daniel Skibbe schon als Jugendlicher. Um in der Kirche an der Orgel ausgebildet zu werden, musste Skibbe zunächst den Chorleiterschein machen. „Heutzutage bin ich mehr Chorleiter als Organist, ich singe lieber gemeinsam mit Menschen“, sagt Skibbe, der seine Chöre auch am Klavier begleitet. Er singt Tenor, Bass und – was nur wenige Sänger können – Kontertenor. Nach der Ausbildung zum Erzieher und acht Jahren Arbeit in einer Kita studierte Skibbe in Herford Kirchenmusik. „Ich habe schon als Erzieher Chöre geleitet, Konzerte gegeben und selber gesungen“ – vieles davon ehrenamtlich. In dieser Zeit lernt er, dass die Nachwuchsarbeit für Chöre am besten im Kindergartenalter beginnt.

Inzwischen lebt der bei Osnabrück geborene und in Melle aufgewachsene Skibbe von der Musik. Seit 1. Mai dieses Jahres ist er in den Gemeinden Borgfeld, St. Andreas und Horn in Vollzeit als Kirchenmusiker angestellt. Er plant und koordiniert den musikalischen Part bei Gottesdiensten, leitet Chöre, organisiert Konzerte und steht selbst vor Publikum. Pastorin Almut Wichmann lobt seine Gabe, Talente zu erkennen, diese mit Begeisterung und pädagogischem Geschick zu fördern, sie herauszufordern und so weiterzuentwickeln.

Vieles davon liegt auf Eis. Die Singschule, die Daniel Skibbe in seinen drei Gemeinden aufbauen möchte, muss warten. Festliche Konzerte mit Pauken und Trompeten wird es vorerst nicht geben. Kein Kinder- und Jugendchor erfreut zur Weihnachtszeit mit Sing- und Krippenspielen. Die Blechbläser auf dem Weihnachtsmarkt fehlen. Kein Singen in der Kirche, kein „Weihnachtsoratorium“ von Johann Sebastian Bach. Für Skibbe ein ganz persönlicher „Weihnachtsalbtraum“. Der Kirchenmusiker vermisst vor allem das Gemeinschaftsgefühl, das entsteht, wenn „alle darauf warten, gemeinsam die alten und vertrauten Lieder anzustimmen“. Besonderer Höhepunkt eines jeden Weihnachtsgottesdienstes: „wenn am Ende bei gedimmtem Licht in der Kirche das Lied ,O, du fröhliche' erklingt“.

Dieses Jahr ist alles anders. „Es heißt: Abstand halten, Maske tragen, Kontakte vermeiden und bloß nicht gemeinsam singen und musizieren.“ Keiner weiß so gut wie Skibbe, was das bedeutet. Die Weihnachtsgottesdienste sollen zwar stattfinden, aber statt der 500 Besucher werden höchstens zwei Sängerinnen oder zwei Blasinstrumente zu hören sein. Zusätzlich dürfen Streichinstrumente spielen. Auch die Anzahl der Zuhörer ist begrenzt – dennoch so vielen wie möglich einen Besuch beim Weihnachtsgottesdienst zu ermöglichen, bezeichnet Skibbe als logistische Herausforderung. „Ob die angeordneten Maßnahmen verhältnismäßig und angemessen sind, möchte ich nicht kommentieren“, sagt er, „darüber darf, muss und sollte sich jede beziehungsweise jeder seine eigene Meinung bilden“. Was laut Skibbe aber klar ist: „Wir müssen einen Weg finden, damit umzugehen.“

Weihnachten 2020 wird vielleicht vielerorts stiller sein. Für die eigenen vier Wände muss das nicht gelten: „Will man auf die musikalischen Erlebnisse, gerade in der Advents- und Weihnachtszeit, nicht ganz verzichten, ist es vielleicht an der Zeit, an das häusliche Musizieren zu denken“ – oder ans Töpfe-im-Takt-Schlagen, ans Tröten und Flöten, ans kräftige Drauflossingen und ans Mitsummen. „Vielleicht sollten wir uns alleine oder im kleinen Kreis wieder bewusst machen, was früher selbstverständlich war“, sagt Daniel Skibbe. Dazu gehöre auch das gemeinsame Singen vor der Bescherung unter dem Tannenbaum. „Vielleicht können wir das Musizieren zu Hause wiederentdecken.“

Info

Zur Sache

Tipps für den Einstieg ins gemeinsame Singen

Wer mit dem Singen anfangen möchte, sollte sich bewusst Zeit für die gemeinsame Musik nehmen und die Termine rechtzeitig in den Kalender eintragen. „Oft setzen wir uns abends auf das Sofa und schauen fern, vielleicht wäre es gut, sich stattdessen Zeit für Musik zu nehmen“, regt Kantor und Pädagoge Daniel Skibbe an. Wegen der Pandemie abgesagte Konzerte und Chorproben böten auch Freiraum. „Im Kalender könnte zum Beispiel stehen, dass ich mir stattdessen eine CD mit Chormusik anhöre oder ein Instrument spiele oder singe.“ Was die Lieder anbelangt, finden sich Anregungen und Texte in Volkslieder- und Gesangbüchern, die bereits im eigenen Bücherregal stehen, und die es auch in jeder Buchhandlung zu kaufen gibt. Passend zur Weihnachtszeit bieten viele Buchhändler Sammlungen der schönsten Weihnachtsgeschichten, Gedichte und Lieder an. „Schlagen Sie einfach eine Seite auf, das eine oder andere Lied werden Sie kennen“, ermutigt Skibbe, „singen und musizieren Sie nach Lust und Laune“. Für den Anfang reiche ein einfaches Stück. „Es zu singen oder zu spielen, sollte keine Mühe, sondern Freude bereiten.“ Wer kein Gesangbuch besitze und keines kaufen möchte, könne sich eines leihen oder sich von Bekannten ein Lied kopieren lassen, so Skibbe. Noten bieten die Musikalienhändler der Region an.

Weitere Informationen

Im nächsten Beitrag unserer vierteiligen Hausmusik-Serie sprechen wir mit Daniel Skibbe darüber, wie das Singen und Musizieren in der Familie gelingen kann und dabei jeder sein Instrument findet.

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