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WM der Gehörlosen-Basketballer an Handkes Ziel heißt Palermo

Ritterhude. Taipeh verpasst, Palermo im Visier: So lässt sich das Ziel von Maurice Handke beschreiben. Der 17-Jährige möchte bei der Gehörlosen-Weltmeisterschaft, die im September 2011 in Italien ausgetragen wird, dabei sein.
14.07.2010, 01:24 Uhr
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Von Jens Pillnick

Ritterhude. Taipeh verpasst, Palermo im Visier: So lässt sich das Ziel von Maurice Handke in fünf Wörtern prägnant beschreiben. Für den 17-Jährigen, der seit 2008 Mitglied der Gehörlosen-Nationalmannschaft im Basketball ist, kamen die Deaflympics - die Weltgehörlosen-Spiele - in Taipeh (Taiwan) im vergangenen Jahr etwas zu früh, so dass er den Sprung in den zehnköpfigen Kader nicht schaffte. Nun gilt die Konzentration der Gehörlosen-Weltmeisterschaft, die im September 2011 in Italien ausgetragen wird.

'Am liebsten bin ich bei der Nationalmannschaft', erzählt der in Ritterhude mit Mutter Angelika, Vater Stefan und dem älteren Bruder Julian unter einem Dach lebende Maurice Handke, der quasi sieben Tage in der Woche in Sachen Basketball unterwegs ist. Die wichtige, weil leistungsfördernde Integration in eine hörende Mannschaft ist ihm beim Vegesacker TV in der U18 (Landesliga) und der ersten Herren (Oberliga) gelungen, außerdem wird er mit dem Gehörlosen-Sportverband Bremen künftig in der Kreisliga um Punkte spielen.

Zu diesen Spiel- und Trainingszeiten kommen noch die jährlich drei bis vier Nationalmannschaftslehrgänge in Hannover hinzu. Dort, wie bei den Gehörlosen in Bremen, ist Maurice Handke eher ein Exot: Denn mit Hilfe von Cochlear-Implantaten, mit denen er im Alter von zwei Jahren versorgt wurde, konnte er hören und sprechen lernen. 'Dadurch lebt er als einer der wenigen Gehörlosen in beiden Welten', erklärt Mutter Angelika, warum sich die Eltern für ein Implantat entschieden haben. Dass er bei den Spielen im Kreise der Gehörlosen auf die technische Hilfe verzichten und sich in Gebärdensprache verständigen muss, versteht sich von selbst. Den Vorteil, sich mit Hörenden normal unterhalten zu können, möchte er aber nicht missen. Nicht so einfach ist allerdings die Verständigung auf dem Spielfeld, denn über das Mikrofon werden auch allerlei Nebengeräusche aufgefangen. In den Spielen mit dem VTV ist er schon auf den einen oder anderen Tipp seiner Mannschaftskameraden auf dem Feld angewiesen.

Der jüngste Lehrgang der Nationalmannschaft, zu dem er aus dem Familienurlaub im Allgäu anreiste, liegt gerade erst einige Tage zurück und lässt die Augen des jungen Mannes, der künftig die zehnte Klasse des Landesbildungszentrums für Hörgeschädigte in Oldenburg besucht, erstrahlen: 'Wir haben sehr viel individuelles Training gemacht und auch Übungen für zu Hause mitbekommen.' Übungen, die Maurice Handke und seinen Mannschaftskollegen von keinem Unbekannten vermittelt werden. Der Coach heißt nämlich Andreas Hundt und wurde im Jahr 2000 von der Kollegen der 1. Basketball-Bundesliga zum Trainer des Jahres gewählt.

So hoch dekoriert der Trainer auch ist, der Gehörlosensport für Basketballer hat mit finanziellen Problemen zu kämpfen, die Maurice Handke schon am eigenen Leib zu spüren bekam. Zu den deutschen Meisterschaften im April in München konnte der Gehörlosen-Sportverband Bremen nicht reisen, da die Bezuschussung durch das Land fehlte. Ob der 1,86 Meter lange und 85 Kilogramm schwere Aufbau- und Flügelspieler aus Ritterhude das Weltmeisterschafts-Event in Italien miterlebt, hängt auch auf nationaler Ebene finanziell am seidenen Faden und ist laut Andreas Hundt ungeklärt. Wenn es allerdings grünes Licht für Palermo gibt, dann stehen die Chancen für Linkshänder Maurice Handke nicht schlecht. Andreas Hundt: 'Wenn er sich anstrengt, dann werde ich ihn mitnehmen. Er ist willens, muss allerdings noch an seiner Athletik und Schnelligkeit am Ball arbeiten.' Das heißt natürlich: trainieren, trainieren, trainieren. Und das möglichst in höherklassig spielenden Mannschaften mit nicht hörgeschädigten Menschen.

Maurice Handke, der für den von ihm als 'Alleskönner' bezeichneten NBA-Star LeBron James schwärmt und sein Zimmer quasi mit den Basketball-Postern tapeziert hat, erfüllt dieses Profil. Beim VTV trainiert er rund neun Stunden in der Woche und bestreitet Spiele für zwei Mannschaften. Hinzu kommen die Aktivitäten für den Gehörlosen-Sportverband Bremen und der Schulsport.

'Basketball ist mein Leben', erklärt der junge Mann, der im Alter von elf Jahren beim TSV Lesum-Burgdamm mit dem Basketball begann und drei Jahre später zum VTV wechselte, folgerichtig und verneint die Frage nach weiteren Hobbys. Als sehr förderlich für die Gleichgewichtsschulung betrachtet Vater Stefan ein Ex-Hobby seines Sohnes. Seine sportlichen Anfänge lagen nämlich beim Karate. Dort erwarb er immerhin den blauen Gürtel.

Dass der Basketball die Freizeit verschlingt, ist für die sportbegeisterte Mutter Angelika zwar in Ordnung, aber die oberste Priorität gibt sie vor: 'Gute Noten und ein vernünftiger Schulabschluss.' Dass Maurice Handke mit 17 Jahren erst in die zehnte Klasse gehen wird, liegt schlicht und einfach daran, dass Hörgeschädigte bis zum Realschulabschluss zwei Schuljahre mehr absolvieren.

Schule, Hausaufgaben, Basketball - der normale Tagesablauf bewegt sich für Maurice Handke in geregelten Bahnen und darf das nach seinem Wunsch auch noch weiterhin so tun: 'Ich bin zufrieden so. Wichtig ist, dass die Mannschaft, in der ich spiele, nett ist. Und wichtig ist natürlich, dass sich Maurice Handke im September 2011 einen Platz im Kader der Gehörlosen-Mannschaft gesichert hat und in Palermo für Deutschland spielt. Um dieses Ziel zu erreichen, muss er sich in den Lehrgängen im Oktober und November in guter Verfassung präsentieren. Eine Anforderung, die er erfüllen sollte, denn zur Entfaltung der vollen Leistungfähigkeit gehört auch ein angenehmes Umfeld hinzu. Und das ist am Maschsee, wie Maurice Handke eingangs betonte, vollends vorhanden: 'Am liebsten bin ich bei der Nationalmannschaft.'

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