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Früher testete Borgward hier Militärfahrzeuge Nur Bunker-Ruine erinnert an düstere Zeit

Achim. Seit 20 Jahren ist der Achimer Sandtrockenrasen, der die Ortsteile Bierden und Uphusen idyllisch und weiträumig miteinander verbindet, ein Naturschutzgebiet.
08.03.2014, 06:15 Uhr
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Nur Bunker-Ruine erinnert an düstere Zeit
Von Lars Köppler

Seit 20 Jahren ist der Achimer Sandtrockenrasen, der die Ortsteile Bierden und Uphusen idyllisch und weiträumig miteinander verbindet, ein Naturschutzgebiet. Das 57 Hektar große Areal hat eine bewegte Vergangenheit und birgt Geheimnisse, die auch an das Grauen des Zweiten Weltkrieges erinnern.

So manch ein Erholung suchender Spaziergänger, der auf den gekennzeichneten Wegen das Achimer Naturschutzgebiet „Sandtrockenrasen“ erkundet, rümpft verwundert die Nase.

Der markante Bunker mit dem gewölbten Rücken und den Graffitiverzierungen will so gar nicht in das Bild einer grünen Oase passen. Und doch gehört die Ruine zum Sandtrockenrasen wie die Pflanzen und Kleintiere, die dort unter Natur- und Artenschutz wachsen und gedeihen.

Fakt ist: Die Bunkerruine in den Bierdener Dünen – früher Uphuser Berge genannt – erzählt Geschichten, die selbst nicht mal allen Einheimischen bekannt sind.

So stand der Bunkerbau etwa im Zusammenhang mit Testserien für Militärfahrzeuge des Bremer Automobilbauers Borgward, für die der damals größte Arbeitgeber der Hansestadt ein geeignetes Areal suchte und in Bierden fand.

Wehrmacht ausgerüstet

Ziel der 1961 in finanzielle Schieflage geratenen und wenig später untergegangenen Unternehmensgruppe war es, die speziellen Fahreigenschaften ihrer Militärfahrzeuge auf der anspruchsvollen Dünenlandschaft unter extremen Belastungen zu testen und die deutsche Wehrmacht damit auszurüsten.

An der Aufrüstung des Dritten Reiches hatte sich Borgward indes schon ab 1930 beteiligt, ein Jahr vor Beginn des Zweiten Weltkriegs produzierte der Automobilbauer auf Grundlage der Ergebnisse aus den Bierdener Testläufen einen Drei-Tonner-Lastkraftwagen für die deutsche Wehrmacht. Zudem lieferte das Werk einen leichten Halbketten-Zugkraftwagen und in wesentlich geringerer Stückzahl auch einen mittleren Wagen dieses Typs. Ab 1940 beschäftigte sich das Bremer Traditionsunternehmen außerdem mit funkgelenkten Kettenfahrzeugen und entwickelte einen später ebenfalls in den Bierdener Sandbergen getesteten Minenräumwagen.

Schwere Bombenangriffe auf die Bremer Borgward-Werke im Jahr 1944 störten jedoch die Testserien des Automobilherstellers und brachten dessen Produktion zum Erliegen. Was auf dem Gelände blieb, war derweil der Bunker. Das einzige Bauwerk auf dem wilden Areal, auf dem sich im Laufe der Jahre wieder Buschwerk und Heidekraut ausbreiteten, rückte in der letzten Kriegsphase in den Mittelpunkt, als es zu Gefechten mit britischen Verbänden kam.

Nach dem Kriegsende lag das ehemalige Borgward-Testgelände vorerst brach. Die Briten nutzten die aus den Dünen ragende Vorderseite des Bunkers für Zielübungen mit ihren Flak-Stellungen. Die gewaltigen Löcher und Risse im Mauerwerk sind auch heute noch sichtbar.

Auf Druck der Alliierten nahm Borgward einige Jahre später die Produktion von Lastwagen wieder auf und kehrte auf das Bierdener Testgelände zurück. Diesmal waren es allradgetriebene Fahrzeuge, die das Bremer Unternehmen für die alliierten Streitkräfte baute. Bis 1959 fertigte der Automobilbauer außerdem Behördenfahrzeuge für den Bundesgrenzschutz und testete sie in Bierden auf Einsatztauglichkeit.

Mit dem Konkurs des Unternehmens im Jahr 1961 endeten auch die Testläufe. Auf dem Gelände begann ein umfangreicher Sandabbau, der das Gesicht des Areals wieder deutlich verändern sollte.

Konkurs beendet Testfahrten

So spielte der in Bierden abgetragene Dünensand eine wichtige Rolle im Bauvorhaben „Neue Vahr“ in Bremen. Das an der Uphuser Bahnstrecke entstandene Kalk-Sandstein-Werk bekam seinen Sand per Lorenbahn von dem Brachland geliefert, das erst nach dem Sandabbau wieder zur Ruhe kam.

Inzwischen hat sich auch die Natur in dem Gebiet zwischen Bunkerruine und dem durch Ausbaggerung entstandenen Ellisee erholt. „Der Sandtrockenrasen kann sich endlich ungestört entwickeln, nachdem der Badebetrieb nachgelassen hat“, sagt Silke Brünn, die beim Landkreis Verden für den Naturschutz zuständig ist.

Früher war der Ellisee ein Badeparadies und Geheimtipp, der Sonnenanbeter aus dem gesamten Bremer Umland angelockt hatte. Den Badespaß, der Anfang der 90er-Jahre wegen der Unmengen des am Ufer liegenden und im Wasser schwimmenden Mülls verboten worden war, betrübte indes nicht nur die regelmäßig patrouillierende Polizei.

Taucher und Spezialisten für Kampfmittelbeseitigung fanden im Sommer 1995 im Schlamm des Baggersees nicht nur Kochtöpfe, Autoreifen und andere Hinterlassenschaften der Badegäste, sondern – östlich des Sees – auch brandgefährlichen Munitionsschrott aus dem Zweiten Weltkrieg.

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