Delmenhorst. Der silbern glänzende Siegerpokal stand vor ihr auf dem Holztisch, doch Anke Libuda hatte für die imposante Trophäe gerade keinen Blick übrig. Sie legte ihren Arm auf den Tisch, stützte ihre Stirn darauf ab und schlief fast ein. Es war ein Bild, das all die Belastungen und die ganze Quälerei, aber auch die beeindruckenden Leistungen symbolisierte, die die Teilnehmer beim 24-Stunden-Burginsellauf von Sonnabend, 12 Uhr, bis Sonntag, 12 Uhr, wieder einmal zeigten. Anke Libuda hatte jedes Recht erschöpft zu sein, denn sie war in den 24 Stunden vorher so weit gelaufen wie noch keine andere Frau zuvor bei der Veranstaltung in der Delmenhorster Graft, die am Wochenende ihre 13. Auflage erlebte. 211,541 Kilometer legte die Ultraläuferin der BSG Springorum Bochum zurück.
Damit schaffte Libuda ein Novum: Zum ersten Mal gewann eine Frau die Gesamtwertung vor allen gestarteten Männern. Außerdem stellte die Bochumerin im Frauenbereich einen neuen Streckenrekord und eine neue deutsche Jahresbestleistung für 24-Stunden-Läufe auf. „Mein Ziel war es vor allem, mich für die Europameisterschaft zu qualifizieren. Das habe ich zum Glück geschafft“, sagte Libuda.
Rekordhalter Leu steigt aus
Rund sieben Kilometer weniger als die 37-Jährige lief der beste Mann im Starterfeld: Burkhard Widera vom TV Lengerich kam auf 204,494 Kilometer. Damit verwies er den sechsmaligen Burginsellauf-Sieger Thomas Eberhardt vom RV Urania Delmenhorst auf Rang drei der Gesamtwertung. Im vergangenen Jahr hatte der Bookholzberger sich noch mit 210,708 Kilometern den Sieg gesichert. Dieses Mal machten Eberhardt allerdings Übelkeit und Blasen an einem Fuß zu schaffen. „Ich esse während des Laufs nichts, und die süßen Getränke schlugen mir auf den Magen“, erklärte er. Zwar hatte Eberhardt ähnliche Probleme bereits im Vorjahr, doch damals sei er besser damit zurecht gekommen. Im Endeffekt zeigte sich „Iron Tom“ mit Rang zwei bei den Männern zufrieden. Zwischenzeitlich, genau genommen gegen Mitternacht, hatte er allerdings seine Siegchance gewittert. Zu dem Zeitpunkt stieg nämlich der große Favorit überraschend aus. An Oliver Leu von der LG Bremen-Nord hätte normalerweise kein Weg vorbei geführt. Mit 238,355 Kilometern hält er den Streckenrekord, gelaufen im Jahr 2011. Auch dieses Mal hatte sich Leu einiges vorgenommen und legte ein wahnsinniges Tempo vor. Doch dann „hatte er mentale Probleme. Der Kopf machte nicht mehr mit“, berichtete Dieter Meyer, der Sportliche Leiter des Burginsellaufs, warum der Topfavorit nach knapp 123 gelaufenen Kilometern aufgehört hatte.
Thomas Eberhardt teilte sich einen Zeltpavillon mit Oliver Leu und erfuhr daher als einer der Ersten von dessen Ausstieg. „Ich hätte ihm den ersten Platz gegönnt, aber natürlich habe ich dann auch Blut geleckt, als ich davon gehört habe. Plötzlich war der Sieg wieder möglich“, schilderte der Bookholzberger. Er musste letztlich aber anerkennen, dass Libuda und Widera „einfach zu stark waren“.
Immerhin setzte sich Eberhardt in seiner Altersklasse M50 souverän durch. Darüber hinaus triumphierten noch weitere Lokalmatadore in ihrer jeweiligen Klasse. In der W70-Wertung siegte die Delmenhorsterin Jutta Fehlberg von Werder Bremen konkurrenzlos (131,726 Kilometer). Die Männerklasse entschied Rico Bogacz von den Stadtläufern Delmenhorst mit 159,735 Kilometern für sich. Der Delmenhorster Mirco Fehlberg wurde Erster in der U23-Konkurrenz, wo er der einzige Starter war (80,735). Gleiches gilt für Rudi Hanisch von Eintracht Delmenhorst in der Klasse M75 (106,175). Ältester Teilnehmer war übrigens der 80-jährige Horst Preisler vom LAV Hamburg-Nord, der 60,408 Kilometer zurücklegte.
Bei den Mannschaften bot der Burginsellauf wieder einmal ein buntes Starterfeld. Viele Teams von Firmen nahmen teil. Den Gesamtsieg sicherte sich der „TSV Nieder-elsungen“ mit 362,941 Kilometern vor dem „TSV Neuenwalde and Friends 2“ (351,534) und „Nur deine Mudda rennt schneller“ (341,086).
Unabhängig von den Platzierungen waren alle Starter glücklich, als die rote Digitalanzeige am Sonntag um 12 Uhr auf „0:00:00“ sprang. Während „Ein Hoch auf uns“ aus den Lautsprechern schallte, lagen sich die Läufer lachend in den Armen. Und auch die Organisatoren wirkten allesamt zufrieden. „Es war insgesamt eine gute Veranstaltung“, waren sich Birgit Woltjen-Ulbrich und Dieter Meyer aus dem Organisationsteam einig. Mit 1059 Startern erlebte der Burginsellauf zudem einen Teilnehmerrekord. „Das ist toll, aber mehr geht auch nicht mehr. Das würden wir nicht mehr hinkriegen, und auch die Strecke und der Veranstaltungsplatz wären dafür nicht geeignet“, betonte Meyer.
Mit dem Wetter hatten die Organisationen in diesem Jahr zwar etwas Pech, doch der Regen konnte ihre Stimmung nicht trüben. „So viel Wasser von oben hatten wir bisher nur im ersten Jahr des Burginsellaufs, aber wir haben das Beste daraus gemacht“, sagte Meyer. Musik am Lagerfeuer gab es zum Beispiel nicht, dafür spielten „Silvy Braun & Detlef Blanke“ in einem Zelt – ohne Feuer. „Die Stimmung war trotzdem super“, betonte Woltjen-Ulbrich. Einziger Wermutstropfen: Eine Läuferin knickte derart unglücklich um, dass sie ins Krankenhaus musste, wo ein Fußbruch diagnostiziert wurde. „Das war wirklich Pech. Solch eine schlimme Verletzung hatten wir noch nie“, sagte Meyer. Er freute sich daher umso mehr, dass die Läuferin nach dem Klinik-Aufenthalt mit einem Gips am Fuß wieder in die Graft kam, um ihre Mannschaft anzufeuern.