Man muss ein paar Jahre zurückgehen, um zu verstehen, was da gerade passiert bei den Fischtown Pinguins in Bremerhaven. Es ist erst zehn Jahre her, da haben sie noch in einer besseren Trainingshalle Eishockey gespielt. „Die Halle war überall als Fischdose bekannt“, sagt Alfred Prey, der Manager. Und jetzt erleben sie einen riesigen Meilenstein, wie er das nennt: Ab August dürfen sie in der Champions League spielen, zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte. „Wenn man sieht, wo wir herkommen“, meint Prey, „dann ist das einfach nur traumhaft. Die Champions League ist für die Stadt Bremerhaven und für unsere Fans etwas Besonderes.“
In den letzten Saisons waren sie manchmal eingeladen, Prey und Hauke Hasselbring, der Geschäftsführer der Pinguins, um sich die Endspiele dieses Wettbewerbs anzuschauen. Ganz großes Eishockey war das. „Gegen solche Teams jetzt mal spielen zu dürfen, ist doch was für die Geschichtsbücher. Davon werden unsere Fans noch in 20 Jahren erzählen“, freut sich Prey.
Im sonst oft so überhitzten Profisport wirkt Bremerhaven mit seinem Eishockey-Mini-Etat und der eher hemdsärmeligen Herangehensweise ja ohnehin schon wie eine Oase, die Teilnahme an der Champions League kommt jetzt noch hinzu wie ein romantischer Ausreißer. Es hat nicht die Falschen getroffen, das kann man sagen, auch wenn die Pinguins auf diesem Niveau als krasser Außenseiter starten werden. Mit Eishockey kennen sie sich aber aus, der Neuling in der Königsklasse kommt mit mehr Geschichte daher als viele andere Vereine. Seit 1941 wird in Bremerhaven Eishockey gespielt, der Verein ist mit seinen Wurzeln das Gegenteil einer Retorte. Damals gab es noch nicht mal ein Spielfeld, da wurde noch auf gefrorenen Freiflächen dem Puck nachgejagt.
„Diese fest verwachsene Fangemeinde ist unser Pfund“
Seit den 70er-Jahren spielen sie an der Küste auf einem professionellen Level, allen Ligareformen zum Trotz, die es in Deutschland seither gab. Auch mit vielen Aufs und Abs. Meisterschaften in der zweiten Liga folgte der überraschende Abstieg in die Oberliga – ein Betriebsunfall, der korrigiert wurde. Der große Traum war immer die DEL, das Geld dafür wurde quasi im Sparstrumpf angesammelt, um dafür bereit zu sein. Der große Moment kam mit dem finanziellen Kollaps der Hamburg Freezers 2016. Bremerhaven konnte die Lizenz übernehmen und spielt nun seit fünf Jahren in der höchsten Klasse, dabei gelang immer der Sprung in die Play-offs. Die Fans sind den langen Weg mitgegangen. „Diese fest verwachsene Fangemeinde ist unser Pfund“, weiß Prey, „die Leute hier identifizieren sich mit dem Eishockey und leben diesen Sport mit.“

Seit fast 40 Jahren in Bremerhaven: Pinguins-Manager Alfred Prey, ein gebürtiger Bayer.
Anders als im Fußball kann der Verein in der Champions League nun keine Reichtümer einnehmen, sie müssen eher jeden Cent zusammenkratzen, um das neue Abenteuer bestehen zu können. „Wir müssen es eben auf unsere Art machen“, sagt Prey. Was bedeutet: keine teuren Charterflüge zu den Auswärtsspielen, kein größerer Kader trotz der zusätzlichen Spiele. Antrittsprämien oder TV-Millionen gibt es nicht, nur einen Reisekostenzuschuss. Prey: „Aber wenn man das mal geschafft hat, dort mitspielen zu dürfen, dann will man das auch hinbekommen – und das werden wir schaffen.“
Die Einnahmen generieren sich auch in der Champions League vor allem aus dem Kartenverkauf – wenn denn ab August wieder Zuschauer dabei sein dürfen. Die abgelaufene Saison mit den Geisterspielen führte zu einem Minus in der Vereinskasse. Klar ist: Ohne zahlendes Publikum wäre der Sport bald tot. Dabei wollen sie gerade jetzt ihren Traum leben.
Fans planen einen Sonderzug
Prey hofft zum Beispiel, dass Sparta Prag zu den Gegnern zählen wird – dieser Eishockey-Riese aus Tschechien mit mehr als 100-jähriger Tradition: „Das wäre ein Traum, einmal gegen die ein Pflichtspiel zu haben. Da spielen Mannschaften, zu denen man aufschaut. Absolute Topvereine, auch aus Schweden oder der Schweiz.“ Das Ziel lautet: einfach mal dabei sein und es genießen. „Dass wir unseren Fans so ein Erlebnis bescheren können, ist eine tolle Geschichte“, betont der Manager, „da muss man nicht glauben, man kommt da als kleiner Verein aus Bremerhaven direkt mal eine Runde weiter. Das wäre völlig übertrieben.“ Jetzt schon überlegen die Fans, ihr Team nach Tschechien oder Schweden mit einem Sonderzug zu begleiten, mit mehr als tausend Leuten. Sie sind schon mal mit 1500 Fans auf dem Rhein nach Düsseldorf gefahren. So geht Eishockey-Verrücktsein.
Auch für diese Leidenschaft ist die Champions League eine Belohnung und vielleicht das wichtigste Datum seit dem 6. März 2011, als sie ihre kleine, aber moderne Eisarena in Bremerhaven beziehen konnten. Fassungsvermögen: 4646 Zuschauer. In den vergangenen Jahren lag die Auslastung immer bei 96 Prozent.
Ob Play-offs oder nun Champions League – ihre Bescheidenheit haben sie nicht verloren. Mit einem Etat von 4,6 Millionen Euro sind sie der Zwerg unter den deutschen Eishockey-Riesen. Sie haben keinen Großkonzern im Rücken wie viele Ligakonkurrenten. 189 regionale Sponsoren und die treuen Zuschauer ersetzen den einen Großsponsor, daran wird sich auch durch die Champions League nichts ändern.
Auch nach ein paar Jahren kommt es Prey eher noch surreal vor, was sie da mit Bremerhaven erleben. „Ganz ehrlich“, erzählt er, „ich bekomme heute noch eine Gänsehaut, wenn ich in die großen Arenen in Köln oder Berlin komme und wir dort vor 16.000 Zuschauern spielen dürfen. Wenn man dann zurückdenkt an unsere alte Fischdose, wo wir vor 1200 Fans gespielt haben, die bei Regen fast schon mit Gummistiefeln kommen mussten – dann fühlt man sich manchmal wie bei Alice im Wunderland.“