Herr Kromer, Bundestrainer Alfred Gislason ist Isländer, und am 7. Januar spielt die deutsche Handball-Nationalmannschaft hier in Bremen gegen Island. Wie besonders ist dieses Spiel?
Axel Kromer: Alfred hat bereits eine unglaublich lange Trainerkarriere hinter sich und auf seinen Stationen immer mal wieder gegen ehemalige Teams und isländische Mannschaften gespielt. Das ist für ihn auch nichts Neues. Ich glaube, wir müssen lange nach Ideen suchen, wie wir Alfred aus der Ruhe bringen können. Den Gegner Island hat nicht er allein ausgesucht, ich habe ihn gefragt, ob das sportlich eine gute Idee ist. Island haben wir schon oft in der Vorbereitung gehabt.
Apropos Vorbereitung: Wie läuft die momentan?
Es ist gerade die Beobachtungszeit mit Spielen in der Bundesliga, im DHB-Pokal, der Champions League und der Euroleague. Alfred und sein Co-Trainer Erik Wudtke haben sich bis Anfang der Woche verschiedene Spiele angeschaut, ich selbst habe mich auch in einige Spiele geklickt. Wir haben vermehrt mit den Spielern Kontakt, die Anwärter für den WM-Kader sind, um zu gucken, wie es denen geht. Die Spiele in der Bundesliga haben ja zum Teil eine ähnliche Frequenz wie bei der Weltmeisterschaft. Da ist dann schnell herauszuhören, wie es um die Belastungsfähigkeit bestellt ist.
Zeichnen sich bereits Schlüsselspieler für den WM-Kader ab?
Stand jetzt, ist das ein Kader, bei dem wir auf Spieler zurückgreifen, die wir in den letzten Monaten zusammenspielen lassen haben. Das ist eine Art Konstanz, die wir in den letzten Jahren nicht hatten. Dass wir mal auf etwas aufbauen können, diente uns auch als Zwischenziel.
Ist das auch die Strategie, um an vergangene Erfolge anknüpfen zu können? Seit Bronze bei Olympia in Rio 2016 und der EM im selben Jahr läuft es ja eher durchwachsen für die DHB-Auswahl.
Das ist zweifelsfrei richtig. Wobei ich auch sagen muss, dass die WM 2019 trotz des verpassten Finales auch eine sportliche Leistung war, auf die man gucken und sagen kann: „Das war gut“. Wir haben das Halbfinale gegen Norwegen verloren und uns unter Wert schlagen lassen müssen. Bronze haben wir gegen Frankreich erst in letzter Sekunde verpasst. Wir haben da von vielen internationalen Fachleuten trotzdem Zuspruch bekommen. Es ist immer schwierig, eine sportliche Leistung am bloßen Ergebnis zu messen. Natürlich ist es mit der Nationalmannschaft unser Ziel, Medaillen zu gewinnen – und da sind wir in den letzten Jahren nicht hingekommen. Dafür gibt es verschiedene Gründe.
Welche wären das?
Zum einen ist die internationale Spitze immens gewachsen. Da spielen nun Mannschaften, die in den letzten Jahren die Schritte gegangen sind, die Teams wie Dänemark, Frankreich oder Norwegen schon in den 90er-Jahren zurückgelegt haben. Und zum anderen ist es auch so, dass wir selten mit dem gewünschten Kader antreten konnten. Es ist leider oft so, dass nicht alle Spieler zur Verfügung stehen, beispielsweise, weil sie verletzt sind oder weil sie während der Hochphase der Corona-Pandemie nicht ins vermeintliche Risiko einer WM in Ägypten gehen wollten. Wir hatten Spieler, die haben ihre Karriere im Nationalteam früher beendet als erwartet. Das sind – bei allem Verständnis für den Einzelnen - natürlich Dinge, die uns in der Gesamtheit wehtun. Eine ausgebliebene Medaille ist für die deutsche Handballnation ein verpasstes Ziel, aber es ist nicht so, dass in der Gesamtstruktur des Verbandes etwas schlecht läuft. Wir haben die Basis für Erfolg.
In deutschen Vereinen ist es oft so, dass die Schlüsselpositionen mit ausländischen Spielern besetzt sind. Gibt es da vonseiten des Deutschen Handballbundes eine Strategie, um den deutschen Nachwuchs fit für die Nationalmannschaft zu machen?
Das ist ein Thema, das mit Blick auf die Vereine vor Jahren für uns schlechter aussah als jetzt. Wir haben aktuell schon viele Spieler, die auf Stammplätzen oder in Schlüsselpositionen eine ganz wichtige Rolle spielen. Nehmen wir Juri Knorr und Luca Witzke auf Rückraum-Mitte. Mit Julian Köster haben wir einen jungen Spieler, der international als eines der kommenden Talente bewertet wird – ohne ihm damit gleich eine Gewichtsweste umhängen zu wollen. Wir haben mit Fabian Wiede, der leider auf eine WM-Teilnahme verzichtet, und Paul Drux Spieler, die beim aktuellen Tabellenführer in Berlin eine wichtige Rolle einnehmen. Durch das hohe Tempo und die Wettkampffrequenz sind die Vereine in den letzten Jahren dazu übergegangen, viel mehr zu wechseln, sodass da inzwischen viele Spieler Spezialaufgaben übernehmen. Da haben wir als Verband auch viel getan. Aber es ist immer noch so, dass die vermeintlichen Weltstars keine Deutschen sind.
Jetzt haben Sie ein paar Namen in den Raum geworfen. Sind das Kandidaten für den WM-Kader?
Ich habe eigentlich nur Namen genannt, die sicherlich keine Überraschung darstellen, wenn sie im Kader stehen würden. Darum müssen wir auch kein Geheimnis machen, dass diejenigen, die in der Liga und bei vergangenen Turnieren dabei waren, eine gute Startposition haben für die Nominierung.
Wie wichtig ist das Spiel gegen Island in Bremen?
Es ist nicht entscheidend, was dabei am Ende als Ergebnis herauskommt. Aber es ist natürlich ganz wichtig, dass wir uns gut präsentieren. Wir können sechs Tage vor dem Auftaktspiel nicht meilenweit von einer guten Form entfernt sein. Wenn wir in Bremen nicht so spielen, wie wir uns das vorstellen, wird die Nacht danach sicher etwas unruhiger für uns. Die Jungs spielen noch bis zum 26., 27. Dezember in der Bundesliga. Trotz allem wollen wir bei der WM eine gute Leistung zeigen.
Wie schätzen Sie die Erfolgschancen ein?
Unsere Ziele werden wir nicht frühzeitig kommunizieren. Wir haben eine Vorrunde, die wir überstehen müssen und wollen. Dafür werden wir alles tun, das ist unsere klare Erwartung. Da wollen wir die Grundlage schaffen, um uns in der Hauptrunde für die K.o.-Runde zu qualifizieren. Dann ist es fahrlässig, jetzt schon darüber zu diskutieren, was dann wohl machbar wäre.
Das Gespräch führte Lucas Brüggemann