220 Millionen Euro Verbindlichkeiten schiebt der Fußballkonzern vor sich her. Was früher schöngerechnet wurde, wird heute offensiv als „kluge Entscheidung“ vermittelt – denn Schalke verkauft keine Klubanteile an Investoren und bewahrt so seine Eigenständigkeit.
Wie eine düstere Wolke schwebt der Begriff „Schulden“ über dem FC Schalke 04. Immer wenn es sportlich nicht läuft, wenn die Teilnahme am Europapokal in Gefahr ist, werden die über 200 Millionen Euro Verbindlichkeiten, die der Fußballkonzern mit sich herumschleppt, zu einer beängstigenden Drohkulisse aufgebauscht. Und die Klubführung verspricht, man werde die Kredite schnellstmöglich abbezahlen. Dabei ist die Schalker Schuldenpolitik in Wahrheit ein zentraler Aspekt des sportlichen Erfolges, der dem Klub am heutigen Abend mal wieder ein Champions League-Achtelfinale gegen Real Madrid beschert. Auch deswegen wollen sie ihr Geschäftsmodell fortan mit mehr Selbstvertrauen verkaufen.
Statt wie in der Vergangenheit kleinlaut vorzurechnen, bis zu welchem Zeitpunkt wie viele Schulden getilgt sein werden, sagte Finanzvorstand Peter Peters jüngst während einer Veranstaltung: „Wir müssen uns die Angst davor nehmen, Fremdkapital zu haben.“ Schließlich hat sich der Revierklub in den vergangenen 20 Jahren von einem abstiegsbedrohten Außenseiter mit völlig veraltetem Stadion zu einer Edelmarke der Bundesliga mit internationaler Ausrichtung entwickelt. Das war nur möglich, weil immer wieder neue Kredite aufgenommen wurden – und das sei rückblickend „eine überaus kluge Entscheidung“ gewesen, erläutert Peters.
Zwar räumt der Finanzexperte ein, dass dieser Weg seinerzeit „nicht mit Weitblick“ eingeschlagen wurde, aber im Moment profitiert das königsblaue Fußballunternehmen „sehr von den Veränderungen in den Kapitalmärkten, da die Zinsen nicht nur kurzfristig, sondern nachhaltig niedrig sind“. Die Schalker Schulden haben ihren Schrecken verloren.
Ursprünglich gab es mal das Ziel, die Arena bis 2017 abbezahlt zu haben, doch das wird kaum gelingen. Und noch vor einem Jahr erwiderte der mächtige Aufsichtsratschef Clemens Tönnies in einem Interview auf die Frage, ob der Klub unter seiner Führung schuldenfrei werden wird: „Das ist mein großes Ziel.“
Wie utopisch dieser Vorsatz ist, zeigt die Entwicklung der Verbindlichkeiten in den vergangenen Jahren: Zwischen dem 31. Dezember 2010 und dem 30. Juni 2014 sind die Schulden des Konzerns von 254 Millionen Euro auf 220 Millionen Euro gesunken, bei diesem Tempo würden die Schalker noch mehr als 22 Jahre benötigen, bis sie schuldenfrei sind. Tönnies wäre dann zarte 81 Jahre alt. Und ob weiterhin so schnell getilgt werden kann wie in den vergangenen Jahren, ist höchst ungewiss.
Denn nach den politischen Entwicklungen in Russland und der Entscheidung des Schalker Hauptsponsors Gazprom, sich aus dem Europageschäft zurückzuziehen, gilt es als unwahrscheinlich, dass der lukrative Deal über 2017 hinaus verlängert wird. Außerdem qualifizierte sich der Klub in den vergangenen fünf Spielzeiten dreimal für die Champions League – dieses Niveau wird sich kaum über Jahrzehnte halten lassen. Und nicht zuletzt hat Tönnies angekündigt, dass künftig ein neuer Umgang mit den Personalkosten angestrebt werde.
Jahrelang erklärte die Klubführung immer wieder, dass die Aufwendungen für Gehälter, Prämien und Transfers gesenkt werden müssten – nun hat Tönnies verkündet: „Wir müssen die Personalkosten erhöhen.“ Dieser Plan passt wunderbar zum Versuch, die Schuldenpolitik zum Erfolgsweg umzudeuten. Die Liga befinde sich in einer Zeit des Umbruchs, sagt Tönnies, „diejenigen, die ganz oben mitspielen wollen, werden in Zukunft nicht unerheblich höhere Personalkosten stemmen müssen“.
Die Schalker verspüren einen wachsenden Druck, der auch daher rührt, dass der FC Bayern und der BVB seit dem vorigen Jahr schuldenfrei sind. Und damit einem signifikanten Zusatzbetrag in den Spielbetrieb stecken können, während der Großklub aus Gelsenkirchen weiterhin Zins und Tilgung bedienen muss.
Peters ist trotzdem der Ansicht, dass die Schalker Strategie klüger ist als der Weg, den die Konkurrenten aus München und Dortmund beschreiten. Denn diese beiden Klubs haben ihre Schuldenfreiheit durch den Verkauf von Klubanteilen möglich gemacht. Er glaube nicht, „dass Eigenkapital billiger ist als Fremdkapital“, sagt Peters, denn „niemand gibt heute Eigenkapital, weil er am Ende gar keine Zinsen haben will, im Gegenteil“. Denn wer Anteile an einem Unternehmen erwerbe, der hafte auch: „Und mit der Haftung will man auch Rendite haben.“ Schalke hingegen möchte ein eingetragener Verein bleiben und sich seine Unabhängigkeit bewahren.
Sofern das möglich ist, wenn einem die Gläubiger im Nacken sitzen. Im kommenden Jahr müssen sie eine Fananleihe in Höhe von 10,8 Millionen Euro plus Zinsen auszahlen. Und 2019 wird eine Rückzahlung von rund 50 Millionen Euro aus der Mittelstandsanleihe fällig.
Schalke mit Huntelaar – Real mit Sorgen
◼ Schalke 04 hat heute im Achtelfinalspiel der Champions League gegen Real Madrid keine weiteren Personalsorgen. „Der ein oder andere Spieler hatte kleine Probleme. Aber alle Jungs, die in Frankfurt dabei waren, sind auch gegen Madrid dabei“, sagte Trainer Roberto Di Matteo. Er kann im Duell mit dem Titelverteidiger (20.45 Uhr/ ZDF live) auch Klaas-Jan Huntelaar einsetzen, der in der Bundesliga zurzeit eine Rotsperre absitzt.
Bei Real steckt Cristiano Ronaldo im Formtief. Der Portugiese, der in den vergangenen vier Punktspielen ohne Treffer blieb, wirkt verkrampft und missmutig, was ihm den Spitznamen „Tristano“ einbrachte. Im Mittelfeld ist Toni Kroos fast auf sich allein gestellt: Luka Modric fehlt schon seit Monaten, WM-Torschützenkönig James Rodríguez fällt ebenfalls länger aus, Weltmeister Sami Khedira wurde wegen einer Verletzung gar nicht erst in den Kader berufen.