Eine Straße nach einer Persönlichkeit zu benennen, ist eine gewisse Art der Heldenehrung. Im Neubaugebiet Langenwisch heißt die zentrale Erschließungsstraße seit vergangenem Freitag Georg-Gloger-Straße. Damit ehrt die Stadt eine Persönlichkeit, die für die Delmenhorster Geschichte keine unbedeutende Rolle gespielt hat. „Rund ein Drittel der Delmenhorster Bevölkerung nach dem 2. Weltkrieg war neu“, sagte Stadtbaurätin Bianca Urban bei der Enthüllung des Straßenschildes. Unter den „Neuen“ war eben auch Gloger, der 1947 seiner Familie aus russischer Kriegsgefangenschaft nachfolgte, die bereits ein Jahr zuvor aus Glatz, dem heutigen K?odzko in Niederschlesien, nach Delmenhorst kam. „Ab 1946 kamen rund 18.000 Flüchtlinge nach Delmenhorst, es herrschte großes Chaos in der Stadt“, sagte Horst Gloger, der Sohn des nun Geehrten. „Mein Vater hat damals mitgeholfen, dass die Situation besser wird. 1969 bekam er dafür das Bundesverdienstkreuz“.
Die bis heute berühmten „Delmenhorster Verhältnisse“, die eigentlich aus dem schnellen Wachstum der Stadt zu Beginn der Industrialisierung auf der Jute und der Nordwolle entstanden, bekamen nach dem 2. Weltkrieg mit den Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten eine neue Bedeutung. Wieder war Delmenhorst in kurzer Zeit stark gewachsen, wieder musste Wohnraum geschaffen werden, und wieder musste sich die Stadtgesellschaft neu entwickeln.
Das merkte auch die Familie Gloger. Die erste Zeit verbrachte sie mit vielen anderen in einer Sporthalle in Deichhorst, so berichtet es Horst Gloger. Später zog die Familie in eine Behelfsunterkunft an die Oldenburger Straße, bevor die Glogers an der Bremer Straße heimisch wurden. Georg Gloger war Lehrer. Zunächst an der Marien- später an der Overbergschule, wo er auch als Konrektor amtete. Und nebenbei war er „in Ratssachen unterwegs“, wie es Horst Gloger erzählt. 1959 wird Gloger erstmals in den Stadtrat gewählt, ganze 16 Jahre bleibt er dort Mitglied. Besonders die Baupolitik hatte es ihm angetan, denn er hatte ja am eigenen Leib erfahren, wie dringend Wohnraum in Delmenhorst benötigt wurde. Daneben gründete er den Glatzer Männerchor. Nicht nur ihm war die Heimat verloren gegangen, ein Stück Erinnerung musste also mit auf die Reise genommen werden und dabei helfen, auch in der Ferne Wurzeln schlagen zu können.
Familie stolz auf Ehrung
Gloger hatte sich also verdient gemacht. In der Zeit des schnellen Wachstums hat er dabei geholfen, das Wachstum überhaupt zu ermöglichen. Und in der ohnehin wenig tröstlichen Nachkriegszeit half er Wunden zu überwinden und in die Zukunft zu schauen. „Mein Vater wurde dann auch Ehrenratsherr, nachdem er nicht mehr im Stadtrat war. Also muss er ja schon etwas mehr als andere Ratsleute geleistet haben“, sagt der Sohn Horst Gloger. Überhaupt ist die ganze Familie stolz darauf, dass nun nach einem ihrer Ahnen eine Straße benannt wurde. „Das kann ja auch nicht jede Familie von sich behaupten.“
Dass es überhaupt zu der Benennung kommen konnte, benötigte einen langen Vorlauf. 2009 begann Horst Gloger damit, die Familiengeschichte aufzuschreiben. Er kam mit seinen Erkenntnissen auf die Stadt zu, schlug aktiv vor, dass man den Vater ehren könne. Das Wohlwollen sei dagewesen, nur die passende Straße fehlte. Sechs Jahre später hat dann der Stadtrat beschlossen, das Neubaugebiet an der Langenwischstraße entwickeln zu wollen. 2018 trat der Bebauungsplan in Kraft und die Erschließungsarbeiten begannen. Die Baustraßen sind bereits angelegt. Aber nachdem die Häuser gebaut sind, wird auch die Georg-Gloger-Straße keine Schotterpiste mehr sein, sondern eine richtige Straße mit Pflaster oder Asphaltdecke.
Wir hatten 385 Bewerbungen auf 36 Baugrundstücke, sagt Bianca Urban. Dass Delmenhorst die eigene hohe Nachfrage nicht angemessen bedienen kann, weiß auch die Politik. Umso mehr freut sich Urban, dass nun ein neues Gebiet entwickelt werde. „In drei oder fünf Jahren wird es hier schon ganz anders aussehen, belebt und gewachsen.“ Auf der anderen Straßenseite steht bereits eine Kindertagesstätte. Und auch die Ampel, die aktiv werden soll, wenn die Häuser bezogen sind, ist bereits vorbereitet. Georg Gloger, dem der Bau am Herzen lag, hätte sich vermutlich gefreut.