Birgit Kuhlmann-Krause: Es ist sehr ruhig im Kindergarten. Wir bieten natürlich einen Notdienst für die Eltern aus den dafür relevanten Berufen an und stehen von 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr für diese Eltern offen. Zurzeit werden nur zwei Kinder in unserer Einrichtung betreut. Wir könnten aber mehr aufnehmen. Unsere Eltern versuchen aber, ihre Kinder in der Familie zu betreuen. Ab nächste Woche werden aufgrund des Kontaktverbotes aber noch zwei Kinder zu uns kommen, da die Mutter nicht weiß, wo sie die Kinder unterbringen soll, da sie ja keinen Kontakt zu anderen Familienangehörigen haben sollen. Und auch sie wird dringend im Krankenhaus gebraucht.
Hier in Josef-Hospital?Ja, wir betreuen gerade zwei Kinder einer Fachkraft aus dem Delmenhorster Krankenhaus, die sich in einer großen Not befand. In der ersten Woche gab es noch die Vorgabe, dass beide Elternteile in den besagten relevanten Berufen tätig sein müssen. Da der Vater aber in einem anderen Bereich beschäftigt ist, durften wir ihr Kind noch nicht betreuen. In diese Zeit musste die Mutter Urlaub nehmen. In der vergangenen Woche wurde diese Anweisung gelockert, sodass nur noch ein Elternteil einer solchen Berufsgruppe angehören muss. Somit konnten wir dieser Familie helfen. Und wir betreuen auch die kleine Schwester bei uns – auch, wenn sie nicht zu unserer Einrichtung gehört, da die Tagesmutter Angst vor Kontakten von außen hat, vor allem mit Personal aus dem Krankenhaus.
Wie erleben Sie als Erzieher diese Zeit?Es ist eine Zeit, die sich fremd anfühlt. Alle sind auf Abstand und Hygiene bedacht in einem Bereich, der sonst durch Nähe und Wärme geprägt ist. Es fehlt die Lebendigkeit und das Kinderlachen im Kindergarten. Auch Angst, selber zu erkranken und andere zu gefährden, ist ein Begleiter. Wir spüren aber die Verbundenheit in der Awo, wo ehrenamtliche Mitarbeiter den älteren Mitmenschen Aufgaben und das Gefühl, gebraucht zu werden, geben – zum Beispiel durch Mundschutznähen. Oder sie pflegen Kontakte und erledigen Einkäufe und sorgen so dafür, dass nicht ein Gefühl der Einsamkeit aufkommt. In der Unnahbaren Zeit sind wir uns immer noch nahe.
Arbeiten alle Erzieher momentan oder sind auch welche in Kurzarbeit?Zurzeit arbeiten noch alle Mitarbeiter in unserem Haus. Einige bauen Urlaub und Überstunden ab. Es wird zeitlich versetzt in der Kita gearbeitet, sodass nicht zu viele Kollegen gleichzeitig im Haus sind, denn auch wir müssen Auflagen beachten. Mütter, die eine Betreuung nicht anderweitig sichern können, bleiben bei ihren Kindern zu Hause. Sie erleiden dabei aber keine finanziellen Verluste.
Was machen die Erzieher, die momentan nicht zur Betreuung gebraucht werden?Wir haben unsere Einrichtung grundgereinigt: Spielzeug, Mobiliar, Böden und so weiter. Wir haben aber auch an unserem Konzept gearbeitet und die Entwicklungsdokumentation der Kinder bearbeitet. Es werden Projekte in den Gruppen geplant und pädagogische Arbeiten vorbereitet. Wir nutzen die kostbare Zeit, die uns zur Verfügung steht, für Arbeiten, für die uns im Alltag mit den Kindern nur sehr wenig Zeit bleibt.
Und die Kinder? Wie geht es denen in der besonderen Situation?Unsere Notdienstkinder genießen die fast ungeteilte Aufmerksamkeit der Erzieher. So viel Spielraum steht ihnen sonst nicht zur Verfügung. Die Kinder erfahren natürlich auch die extreme Hygiene, haben aber Spaß bei der Umsetzung. Es sind aber auch Kinder, die die Situation ängstlich betrachten – vor allem die älteren, die sich schon mit den Nachrichten, der Situation draußen, den Kontaktsperren, dem Spielplatz-Verbot und dem Gerede von Krankheit und Tod auseinandersetzen.
Wie verändert die Pandemie Ihr privates Leben?Eigentlich bin ich sehr froh darüber, dass ich noch arbeiten darf und noch ein Stück weit Normalität bleibt. Ich pflege aber weiter Kontakten zu meiner Familie, Freunden und Bekannten, auch wenn es nur ein Telefonat oder ein lieber Gruß ist. Ich habe das große Glück, einen Garten zu besitzen, an dem ich mich erfreuen kann und auch meine Haustiere lenken mich ab. Ich empfinde dieses Entschleunigen nicht als negativ. Es gibt mir Zeit, über Dinge nachzudenken. Ich bekomme einen anderen Blick für die Wichtigkeit und das Wesentliche in meinem Leben.
Erhoffen Sie sich durch die Pandemie auch in irgendeiner Weise ein Umdenken in der Gesellschaft?Ich wünsche mir, dass unsere Gesellschaft ein wenig ruhiger wird und die Hilfsbereitschaft und Rücksichtnahme gegenüber schwächeren Mitgliedern unserer Gesellschaft nicht nur eine Momentaufnahme ist. Es gibt nicht nur ein Ich, sondern auch ein Wir. Ich bin gespannt, was die Zeit nach der Pandemie mit unserer Gesellschaft macht.
Das Interview führte Gerald Weßel.Birgit Kuhlmann-Krause
ist Erzieherin in einer Kindertagesstätte in Delmenhorst, die von der Arbeiterwohlfahrt betrieben wird.