Eine offene Drogenszene wie in Bremen gibt es in Delmenhorst nicht. "Das ist wichtig", findet Evelyn Popp, die die Anonyme Drogenberatung (Drob) in der Delmestadt leitet. Nichts zu tun, haben sie und ihre Kollegen deshalb aber noch lange nicht. Im Gegenteil. Das zeigt der aktuelle Jahresbericht, den die Einrichtungsleiterin und ihre Stellvertreterin Cornelia Horn am Dienstag vorgestellt haben. Vor allem Kokain entwickelt sich immer mehr zum Problem.
Drob stellt sich auf mehr Kokain-Klienten ein
Laut Popp breitet sich Kokain "rasant" aus. Im vergangenen Jahr haben sich 65 Menschen aufgrund einer Abhängigkeit sowie 13 Menschen mit schädlichem Gebrauch an die Drob gewandt. 2023 waren es 47 Abhängige und elf Menschen mit schädlichem Gebrauch. Popps Prognose ist, dass Kokain und Amphetamine weiter im Kommen sind: "Wir stellen uns auf mehr Kokain-Klienten ein."
Quer durch die Gesellschaft werde die Droge konsumiert – gerade auch von Menschen aus der sozialen Mittelschicht. "Sie konsumieren Kokain und merken, dass sie nicht damit zurechtkommen", berichtet die Drob-Leiterin. Kokain werde als schnell süchtigmachende Droge eingeschätzt. Besonders gefährdet seien Menschen, die unzufrieden mit sich sind oder selbstbewusster sein wollen. Denn Kokain mache hellwach, feuere die Stimmung an und blase das Ego auf. Im Gehirn werde massiv das Belohnungssystem aktiviert, die Wirkung sei jedoch nur von vergleichsweise kurzer Dauer. Das größte Problem sieht Popp in der Eigenschaft von Kokain, "die Persönlichkeit zu verändern".
Fentanyl kommt auch in Delmenhorst an
Eine Gegenbewegung zum Kokain, die die Drob-Leiterin ebenfalls im Kommen sieht, seien Opiate, zum Teil als Schmerzmittel. Im vergangenen Jahr hat die Drob 116 Abhängige und 16 Menschen mit schädlichem Gebrauch betreut. "Die Fentanylschwemme in den USA kommt auch zu uns", sagt Popp. Mit Sorge blickt sie auf die "Substanzen aus dem Labor", die in ihrer Wirkung 500-mal stärker seien als andere Drogen. "Da ist der Ofen aus", so die Fachfrau.
Die Drob-Leiterin bedauert sehr, dass es für Menschen, die von Opiaten abhängig sind, immer schwerer werden, ärztlich verschriebene Substitute zu bekommen. "Wir waren in Delmenhorst einmal sehr gut aufgestellt", so Popp. Doch das habe sich inzwischen geändert. "Es gibt nur noch drei Ärzte in Delmenhorst, die Substitutionstherapie anbieten", sagt sie. Das reiche nicht aus. Denn die Praxen seien "übervoll". Weil dies auch in Bremen der Fall ist, würden manche ihrer Klienten sogar nach Hamburg fahren. "Wir müssen mit der Stadt Lösungen finden", betont Popp. Ideal wäre eine Schwerpunktpraxis.
Trotz dieser Probleme sehen die Leiterinnen der Anonymen Drogenberatung Delmenhorst grundsätzlich gut aufgestellt. In der Stadt gebe es ein funktionierendes Netzwerk, zu dem neben der Drob auch die Verwaltung, Polizei und der Kommunalpräventive Rat (KPR) gehören. "Wir arbeiten alle miteinander", sagt die stellvertretende Leiterin Cornelia Horn. Das zeichne Delmenhorst aus. Die präventive Arbeit finde auf vielen Ebenen statt. So sei die Drob bereits ab dem Kindergarten aktiv. Systematisch starte die Präventionsarbeit ab der fünften Klassen. Es gehe dabei nicht um absolute Abstinenz. Vielmehr sei das Ziel, bei den Kindern und Jugendlichen ein Risikobewusstsein zu wecken, und zwar hinsichtlich des Konsums von Drogen, Medien und Alkohol.
Wie sich die Teillegalisierung von Cannabis auswirkt
Letztes ist in Delmenhorst nach wie vor die Drogen Nummer eins. 2024 hat die Drob 351 Klienten mit einer Alkoholabhängigkeit betreut, hinzu kamen weitere 50 Menschen mit schädlichem Gebrauch, wie die aktuelle Statistik zeigt. An zweiter Stelle folgt Cannabis – mit 286 Abhängigen und 38 mit schädlichem Gebrauch, die sich 2024 an die Drob gewandt haben. "Ich habe den Eindruck, es wird mehr gekifft", so Popp. Das sei aber auch nicht anders zu erwarten gewesen – mit Blick auf die Teillegalisierung, die im April 2024 in Kraft trat. Die Drob-Leiterin betont, dass nicht jeder, der Cannabis nimmt, auch gleich ein Problem habe: "Aber weil mehr konsumiert wird, gibt es auch mehr Süchtige."
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Körperlich verursache Cannabis per se zwar keine Abhängigkeit. "Aber psychisch", merkt die stellvertretende Drob-Leiterin Cornelia Horn an. Zudem gebe es durchaus körperliche Symptome, wie Schlafstörung oder innere Unruhe. Wie lange es dauert, bis eine Abhängigkeit von Cannabis diagnostiziert wird, werde sich erst zeigen. Evelyn Popp verweist auf die Alkoholsucht, bei der es 15 Jahre sind, bis eine Abhängigkeit diagnostiziert wird. Die Drob-Leiterin warnt vor einer Verharmlosung von Cannabis: "Es ist eine psychoaktive Droge, keine Heilpflanze."
Die Gesellschaft neige dazu, Substanzen zu nehmen, um sich selbst zu regulieren und von Konflikten Abstand zu gewinnen. „Das Leben ist nicht einfach", ist sich Popp bewusst. Dass sie und ihre Kollegen bei der Drob arbeitslos werden, glaubt sie deshalb nicht: "Man braucht uns – durch alle Schichten hinweg."