Die Floristin Hille Rowehl aus Krögedorf verarbeitet in ihrer Kreativwerkstatt Materialien aus der Natur, für die "es scheinbar keine Verwendung mehr gibt". So bekommt manch totes Stück Holz eine Zukunft.
Die Zuckerhutfichte ist hinüber. Braune Nadeln greifen wie knochige Hexenfinger nach der Spitze, weiter unten ist der Kampf um das letzte bisschen Halt längst verloren. Stattdessen: Nichts als der nackte und trockene Stamm. Niemand würde diesem toten Stück Holz noch eine Zukunft voraussagen.
Wäre da nicht Hille Rowehl. Die Krögerdorferin sieht Leben, wo andere nur Kompost vermuten. Alte Obstbaumästchen mit moosigen Flecken, tote Thuja-Hecken mit ausgefransten Wurzeln, ausgedörrte Korkenzieherweiden mit abgestorbenen Trieben – alles landet irgendwann und irgendwie auf ihrer Werkbank. „Mein Mann kann das nicht immer verstehen, aber er sieht auch nicht, was ich in diesen Sachen sehe“, sagt die 48-Jährige und schmunzelt.
Handwerk und Kunst
Seit 16 Jahren kombiniert Hille Rowehl floristisches Handwerk mit dem künstlerischen Blick auf die Natur. Mit kleinen Gefallen für Freunde und Bekannte hatte es angefangen, inzwischen hat sie ihre eigene kleine Kreativwerkstatt und steckt für weit mehr als nur ihre Bekannten auf originelle Art Sträuße, Blumen und Pflanzen zusammen. „Die Nachfrage ist immer größer geworden. Deshalb habe ich den Schritt gewagt und mir meine eigene Werkstatt eingerichtet.“
Obwohl sie Floristmeisterin ist – einen Blumenladen führt Hille Rowehl nicht. Öffnungszeiten gibt es nicht, auch keine Schaufenster. Fertigsträuße sucht man bei ihr ebenfalls vergebens. Stattdessen gibt es unendlich viele Materialen aus der Natur, Ausstellungsstücke der Saison, einen Bauernschrank mit Deko und mittendrin Hund Vito, der verstohlen auf einem Tannenzapfen kaut, während Frauchen an einem Grabgesteck bastelt.
„Ich versuche Dinge zu verarbeiten, die ich in der Natur finde“, sagt Hille Rowehl und bindet ein paar Efeuzweige um eine Schale aus Pappmaschee. Eine Auftragsarbeit mit winterfester Heide und Scheinbeeren, die vom Totensonntag an ein Grab schmücken soll. Viele Sachen, die Hille Rowehl macht, stehen später auf dem Friedhof. „Aber nicht, dass das falsch verstanden wird: Ich mache keine Grabpflege.“ Vielmehr ist es eine besondere Art von Trauerkränzen, sind es dezente Grabgestecke oder naturgetreue Pflanzenschalen, die in der floralen Werkstatt in Krögerdorf entstehen und die sich unaufdringlich-harmonisch in die Umgebung fügen.
„Mir macht es Spaß, Materialien zu verarbeiten, für die es scheinbar keine Verwendung mehr gibt.“ Die 48-Jährige greift nach einem Kranz. Ein Rest wilder Wein, etwas trockener Thymian, einige Zweige Korkenzieherweide: „Das waren mal alles Reste und sieht jetzt so aus.“ Vielleicht noch etwas Hagebutte oder Efeu – „und dann kann man ihn an die Tür hängen oder irgendwo hinstellen“. Die Ideen kommen immer irgendwo her. Meistens aus der Natur, manchmal lässt sich Hille Rowehl von der Arbeit von Kollegen inspirieren. Doch kopiert wird nie. „Das wäre zu plump.“ Stattdessen hat in der Krögerdorfer Werkstatt alles seinen eigenen Stempel. Kein Gesteck gibt es doppelt, kein Strauß wird ein zweites Mal auf die gleiche Art und Weise gebunden. „Die normalen Sachen gibt es überall.“
Üppige Auftragspalette
Bepflanzte Weidenkörbe für den Wintergarten, mit Filz ummantelte Gestecke für die Haustür oder eine naturnahe Dekoration für den Brauttisch – die Auftragspalette der Krögerdorferin ist üppig. Wer Ansprechendes aus Blumen sucht, findet bei ihr ein offenes Ohr. Und ein unkompliziertes Gegenüber, wenn der Wunsch mal nicht ganz in die handelsüblichen Geschäftszeiten passt. Auch bis vor die Haustür wird geliefert, wenn der Weg raus nach Krögerdorf für Kunden nicht mühelos zu schaffen ist. „Ich habe keine Personalkosten und muss keine hohe Ladenmiete zahlen. Das gebe ich gerne an meine Kunden weiter“, sagt Hille Rowehl.
Das nächste Projekt ist wieder ein eigenes. Am Sonnabend, 21. November, ist an der Berner Straße 50 a von 15 Uhr bis 18 Uhr eine Ausstellung mit Dekorationen zum Herbst und zur bevorstehenden Adventszeit zu sehen. Dann kann in besinnlicher Stimmung drei Stunden lang zwischen Tannengrün und Kerzenlicht gestöbert werden. Nach Adventskränzen und mit Rinde ummantelten Windlichtern etwa. Und mit Sicherheit auch nach all den Dingen, die Hille Rowehl irgendwann einmal vor dem Komposthaufen bewahrt hat.