Wildeshausen. Wer es nicht mehr selbst erlebt hat, kann es sich gar nicht recht vorstellen: „Das hier oben war das Armenhaus von Niedersachsen“, sagt Hans-Werner Aschoff über die Region, zu der auch der Landkreis Oldenburg gehört – ein Landkreis, der seit Jahren unter anderem mit die niedrigsten Arbeitslosenquoten im ganzen Land aufweist. Aber das war eben nicht immer so. Deshalb hat der Landkreis schon vor einem halben Jahrhundert, als für viele andere das Funktionieren der Wirtschaft eine Selbstverständlichkeit schien, eine Wirtschaftsförderungsgesellschaft gegründet: In diesem Jahr feiert die WLO goldenes Jubiläum.
Es sei eine der ersten derartigen Institutionen in Niedersachsen gewesen, sagt der heutige Geschäftsführer Aschoff. Vielleicht sogar die erste. Recherchiert hat er das nie. Aber manche anderen Landkreise oder auch kreisfreie Städte haben bis heute niemanden, der sich außerhalb der Verwaltung um die Wirtschaft kümmert. Andere haben erst vor wenigen Jahren etwas Ähnliches eingerichtet, etwa die Nachbarstadt Delmenhorst.
Dass der Landkreis Oldenburg 1967 eine Vorreiterrolle eingenommen hat, schreibt Aschoff vor allem den drängenden Problemen zu: „Hier war nichts los“, fasst er die wirtschaftliche Lage schlicht zusammen. Während anderswo in den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts das Wirtschaftswunder zu Wohlstand geführt hatte, fühlten sich die Menschen im Landkreis Oldenburg – der vor der Kreisreform noch einen etwas anderen Zuschnitt hatte als heute – abgehängt. „Da hat man wohl überlegt, dass man was tun müsste“, meint Aschoff.
Ungewöhnlicher Weg
Dabei entschied sich die Politik für einen für damalige Verhältnisse ungewöhnlichen Weg. Statt einfach jemanden in der Verwaltung einzustellen, gründete der Landkreis eine selbstständige Gesellschaft, holte außerdem die Staatliche Kreditanstalt Oldenburg-Bremen – die heutige Bremer Landesbank – und die Landessparkasse zu Oldenburg dazu. Indem der Kreis etwas mehr als die Hälfte der Stammeinlage leistete, sicherte er sich selbst die Stimmenmehrheit in der Gesellschafterversammlung. Die Konstellation ist bis heute unverändert, nur das Kapital wurde auf Euro umgeschrieben.
Welche Beweggründe damals hinter der Ausgründung standen, weiß Hans-Werner Aschoff nicht. Er sieht heute vor allem den Vorteil, dass die Hemmschwelle, sich an eine eigene Gesellschaft zu wenden, geringer sei als bei einem Amt. Zugleich sei die WLO mit ihrem Sitz im Kreishaus-Anbau aber immer noch dicht dran an für die Wirtschaft relevanten Verwaltungsprozessen. „Wir sind in den Alltag eingebunden, manchen Kollegen ist gar nicht so bewusst, dass wir selbstständig sind. Aber letztlich kommt es sowieso immer auf die Leute an, die die Arbeit machen.“ Zunächst sei die Eigenständigkeit auch noch nicht so gelebt worden. „Anfangs ist das mehr nebenbei gelaufen.“ Die ersten 25 Jahre gab es nämlich auch noch ein Amt für Wirtschaftsförderung. Dessen Leiter Bernhard Braun sei in Personalunion WLO-Geschäftsführer gewesen, berichtet Aschoff. Als sein Vorgänger dann 1992 in Ruhestand ging, wurde die sogenannte hoheitliche Wirtschaftsförderung bei der Kämmerei angesiedelt, und die WLO schärfte unter Aschoffs Leitung ihr Profil in der freien Wirtschaftsförderung.
Die hatte sich freilich auch bis dahin schon etwas anders entwickelt, als es sich die Gründer gedacht hatten. „Zu den Aufgaben der Gesellschaft gehören insbesondere die Anwerbung geeigneter Industrie- und Gewerbebetriebe sowie die Beschaffung und Bereitstellung zweckentsprechender Grundstücke“, heißt es in dem am 31. Oktober 1967 geschlossenen Gesellschaftsvertrag, und weiter: „Zu diesem Zweck kann die Gesellschaft im Landkreis Oldenburg (Oldb) Grundstücke erwerben und aufschließen, um sie durch Verkauf oder in anderer Weise der industriellen und gewerblichen Verwertung zuzuführen.“ Und so geht es noch ein ganzes Stück weiter. Der Vertrag liest sich streckenweise eher wie der für einen Immobilienmakler.
Gewerbegebiete bereitzustellen, findet zwar auch Aschoff wichtig. „Ich bin überzeugt, dass wir ein größeres Angebot brauchen“, sagt er, schließlich könne ein Unternehmen, das sich neu ansiedeln oder erweitern möchte, nicht erst auf langwierige öffentliche Planungsprozesse warten, dann sehe es sich woanders um. Aber die Ausweisung und Erschließung sei Sache der kreisangehörigen Kommunen – zumal die WLO ja für alle gleichermaßen zuständig sei, was schwierig würde, wenn sie in Gemeinde X oder Stadt Y selbst ein Gelände entwickeln würde. Also habe sich die Gesellschaft seit jeher mehr auf das Drumherum konzentriert und natürlich auf individuelle Beratung und Unterstützung einzelner Unternehmen.
Was übrigens für Aschoff die oft gescholtene Gießkannen-Förderung nicht ausschließt. „Hier im Landkreis leben wir von einem guten Branchenmix mit vielen kleinen Unternehmen, die regionales Bewusstsein haben“, sagt er. „Wenn ich einen schönen bunten Garten haben will, muss ich auch alle Blumen gießen.“
Eigentlich aber hat der 60-Jährige, der kürzlich einen weiteren Fünf-Jahres-Vertrag bis 2022 unterschrieben hat und damit die Amtsdauer seines Vorgängers noch überschreiten wird, ein anderes Bild für seine Arbeit und die der mittlerweile vier Kolleginnen, die jährlich eine halbe Million Euro kommunale Förderung zu verteilen haben und den Zugang zu weiteren Programmen eröffnen: „Wir sind die Kellner in einem gepflegten, gutbürgerlichen Restaurant.“ Die bevorzugten Gäste seien Unternehmer, aber auch Existenzgründer, „die noch nie in einem guten Restaurant waren und von uns mit Ruhe und Geduld in die Gebräuche eingeführt und bedient werden“. Die Kellner seien aufmerksam, berieten die Gäste umfassend und sagten nie „Das gibt es hier nicht“, sondern suchten nach Lösungen. Dabei behandelten sie alle Gäste gleich, und die könnten sich auch an einem großen Tisch untereinander austauschen – sprich: in Arbeitsgruppen der WLO. Nicht zu vergessen: „In unserem Restaurant sollen alle gut kommunizieren können“, eine „vernünftige Breitbanderschließung“ hält Aschoff für entscheidend für die Zukunft. Und dann noch: „In unserem Restaurant sind immer einige Plätze frei für weitere Gäste“, übersetzt: eine vorausschauende Gewerbeflächen-Politik. Da ist er dann doch wieder, der Akzent aus dem Gründungsvertrag.