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In seiner Dissertation hat Herbert Bock viel Unbekanntes über die Samtgemeinde ans Tageslicht befördert Neues aus der Harpstedter Historie

Harpstedt. Die Samtgemeinde Harpstedt hat Herbert Bock zu späten Doktorwürden verholfen. Und Herbert Bock wiederum der Samtgemeinde zu historischen Erkenntnissen, die in der Form auch unter Hobbyhistorikern völlig unbekannt waren.
17.11.2015, 00:00 Uhr
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Von Bettina Dogs

Die Samtgemeinde Harpstedt hat Herbert Bock zu späten Doktorwürden verholfen. Und Herbert Bock wiederum der Samtgemeinde zu historischen Erkenntnissen, die in der Form auch unter Hobbyhistorikern völlig unbekannt waren. Die vergangenen vier Jahre hat sich Bock aus Diepholz mit der Geschichte der Kirchspiele Harpstedt und Colnrade beschäftigt und ihren Zusammenhang mit der Landesgeschichte erforscht. Dem 69-Jährigen hat das am Ende einen Doktortitel eingebracht – und einen Blumenstrauß von der Samtgemeinde, die die Arbeit gestern Nachmittag feierlich gewürdigt hat.

Seit 2009 wird die Dorfgeschichte der Samtgemeinde grundlegend neu erforscht. Unter anderem unter der Leitung der Soziologieprofessorin Karin Holm und Bernd Ulrich Hucker, emeritierter Professor für Geschichte der Universität Vechta, soll auf wissenschaftlich fundierter Basis aufgearbeitet werden, wie die Harpstedter Bauern ihren Alltag verbrachten, welche Familien heute noch ansässig sind und wie bedeutende Verbindungsstraßen das Leben der Dorfbewohner beeinflusst haben.

Bei seinen Forschungen hat Herbert Bock, der seine Dissertation mit magna cum laude – der zweitbesten Note – bestanden hat, Dinge aufgedeckt, die im Flecken so bislang nicht bekannt waren. „So gibt es etwa sieben Ortsteile, die älter sind als bisher angenommen“, schilderte Bock gestern vor dem Beirat für die bäuerliche Siedlungs- und Geschlechterhistorie in der Samtgemeinde. Prinzhöfte etwa. Erkenntnisse, für die sich der neue Doktor der Geschichtswissenschaft tief durch die Papiermassen vergangener Zeiten gewühlt hat.

Dabei war der 69-Jährige zu Beginn seiner Arbeit nicht wirklich begeistert von seinem Forschungsthema. „Ich hatte ja keinen Einfluss darauf, es wird ja zugeteilt“, sagte Bock. Auch bei der großen zeitlichen Spannbreite – seine Arbeit umfasst immerhin Leben, Lieben und Entwicklung in fünf Jahrhunderten – musste er zunächst schlucken. „Allerdings habe ich schnell Blut geleckt und gemerkt, wie interessant diese Dorfgeschichte ist.“

Doktorvater Bernd Ulrich Hucker wird das nicht verwundern. Der Professor im Ruhestand hat bereits einiges zur Siedlungsgeschichte der Samtgemeinde Harpstedt vom Mittelalter bis zur Franzosenzeit veröffentlicht. Auf ihn geht auch das naturgemäß wissenschaftlich-sperrig klingende Thema „Der mittlere Hunteraum mit den Kirchspielen Harpstedt und Colnrade vom 13. bis 17. Jahrhundert – Wirkkräfte der Geschichte, gezeigt am Beispiel eines Siedlungsraumes“ zurück. Vereinfacht heißt das, Bock hat bis ins kleinste Detail beleuchtet, wie die historischen Zwänge der Zeit die Entwicklung der Dorfbewohner beeinflusst hat.

Unter anderem hat er die Auswirkungen verschiedener Kriege analysiert, die kirchlichen und schulischen Machtverhältnisse unter die Lupe genommen und auch das Gerichtswesen aufgearbeitet. „Vorrangige Ziele dabei waren die detaillierte Erfassung der Geschichte des Raums, die bislang nur teilweise wissenschaftlich erforscht ist, und die Einbindung dieser Regionalgeschichte in die übergeordnete Gesamtentwicklung“, erklärte Bock. So habe das Geestgebiet grundsätzlich keine wohlhabenden Bauerngeschlechter wie etwa in Ostfriesland oder Dithmarschen hervorbringen können, vielmehr habe es aufgrund des Mangels häufig Verteilungskämpfe gegeben, die sich in Viehdiebstahl, Plaggenstechen und Viehweidung auf fremdem Boden äußerten. „Sie haben das Zusammenleben zwischen den einzelnen Ort- und Bauerschaften bestimmt, die bis hin zu handgreiflichen Streitigkeiten, bis hin zu Mord und Totschlag geführt haben.“

In der Dissertation gehe es nicht um Daten über die Herrschenden wie es sonst meist der Fall sei, sagte die Beiratsvorsitzenden Karin Holm. Vielmehr sei es menschennahe Geschichte, die den kleinen Bauern im Fokus habe. Mit bedeutenden Aspekten, die von Lokalhistorikern so bislang nicht entdeckt wurden. Die hat Bock vor allem in unveröffentlichten Quellen entdeckt, die er zum Teil in den Staatsarchiven Hannover und Oldenburg aufgetan hat. Unter anderem widerlegt er, dass der Dreißigährige Krieg kaum Auswirkungen auf Harpstedt gehabt habe. Im Gegenteil: „Es war sogar ganz unglaublich, wie der Dreißigjährige Krieg hier gewütet hat.“

Mit seiner Dissertation zur Harpstedter Siedlungsgeschichte sind Bocks Forschungen zur dörflichen Vergangenheit allerdings nicht beendet. Der 69-Jährige steckt bereits voll im nächsten Projekt: Er will die bedeutende Redecker-Chronik, die in den Wirren es Zweiten Weltkrieges einem Brand zum Opfer gefallen ist, so gut es geht rekonstruieren. Helfen sollen ihm dabei Abschriften eines ehemaligen Harpstedter Schulleiters, durch den Teile des Originals in abgewandelter Form erhalten geblieben sind.

Die Veröffentlichung der Dissertation in Buchform soll im Frühjahr 2016 erfolgen. Darüber hinaus hat der Beirat drei weitere dorfgeschichtliche Veröffentlichungen geplant: Bernd Ulrich Hucker wird sich das Wirken der Ritter und Knappen in Harpstedt widmen, Karin Holm die Familien- und Hofgeschichte anhand des Geschlechts „Kieselhorst“ aufarbeiten. Auch eine zweite Dissertation soll vorgestellt werden – Mareike Hustedt befasst sich derzeit eingehend mit der Geschichte der Bauern.

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