Das Problem wird nicht kleiner. Die Zahl der Senioren in Deutschland steigt und steigt und steigt. Immer mehr Menschen im Alter sind dabei auch auf Pflege angewiesen, ambulant, im Heim. Doch schon jetzt fehlen Pflegekräfte an allen Ecken und Enden. Das ist ein Thema, das auch Hans-Christian Schröder umtreibt, der Mediziner ist Vorsitzender der Universitätsgesellschaft und Mitglied des Seniorenbeirats der Stadt.
Und deswegen hat er in Kooperation beider Institutionen eine Podiumsdiskussion zu einem der gesellschaftlichen Megathemen unserer Zeit organisiert. „Nur alt oder auch krank?“ ist der Titel der Veranstaltung am Mittwoch, 24. Oktober, um 19 Uhr in der Markthalle. Die Frage der Betreuung im Alter sei eine, die sich viele Menschen immer früher stellen.
Auch Schröder beschäftigt sie. Denn wie will man den Fachkräftemangel beheben. „Mehr Geld ins System zu pumpen, wird nichts bringen“, sagt Schröder. Denn es fehlen ja trotzdem die Menschen, die andere pflegen sollen. Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutieren, sei natürlich ein weiterer Weg, aber Sprachbarrieren seien in der Pflege älterer Menschen besonders schwierig zu überwinden. „Gerade ältere Menschen brauchen eine gewisse Ansprache, was auch nötig ist, um Empathie zu entwickeln.“ Abgesehen davon würde die Rekrutierung ausländischer Fachkräfte zur Folge haben, dass diese dann in ihren Heimatländern fehlen.
Hochkarätiges Panel
Das Panel, das sich auf die Suche nach Antworten begeben soll, ist hochkarätig besetzt. Moderieren wird den Abend Johann Böhmann, ehemaliger Chefarzt der Kinderklinik am Josef-Hospital. Er begrüßt Peter Schmitz, Geschäftsführer der Caritas Delmenhorst, Andrea Meyer-Garbe, erste Vorsitzende der Delmenhorster Arbeiterwohlfahrt (Awo), sowie Birgit Osterloh, kaufmännische Geschäftsführerin der Diakonie-Sozialstation im Oldenburger Land.
Komplettiert wird die Runde von Larissa Fenker aus der Arbeitsgemeinschaft Junge Pflege im Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe sowie Professor Andreas Hein, Direktor des Departments für Versorgungsforschung an der Universität Oldenburg. Er wird zur Einstimmung in den Abend auch das Impulsreferat „Versorgung in der Zukunft – Technik zur Unterstützung von Selbstständigkeit und Pflege“ halten.
Dass mehr technische Lösungen auch in pflegerische Berufe einziehen, scheint unabwendbar. Aber natürlich können Maschinen keine Zwischenmenschlichkeit ersetzen. „Wir müssen uns aber schon fragen, was technische Mittel machen können“, sagt Schröder. Sie können zum Beispiel dabei helfen, dass Menschen länger als vielleicht bisher in ihrer eigenen Wohnung leben können. Auch das ist ja ein Wunsch, der viele Menschen eint, weil sie eben nur ungern ihre eigenen vier Wände für einen Heimplatz verlassen.
Technische Lösungen können dann Alarm schlagen, wenn jemand stürzt. Oder sie registrieren, ob sich der Senior lange nicht bewegt hat, ob er genug trinkt, ob eine Infusion auch wirklich durchläuft. Nur: Wie lässt sich eine solche permanente Überprüfung mit dem Wunsch und auch dem Recht auf Privatsphäre vereinen? Es sind komplexe ethische Fragestellungen, die an der Pflege der Zukunft hängen.
Bedürfnisse der Beschäftigten sind auch wichtig
Auch Roboter können zum Beispiel Pflegekräfte unterstützen, wenn auch nicht ersetzen. „Sie können das Essen oder etwas zu trinken bringen, sie helfen beim Aufrichten oder stellen kleinere Fragen, beispielsweise wie es einem geht“, sagt Schröder. Aber auch wenn Roboter schon mit kleinen Tricks arbeiten, zum Beispiel ihren Kopf schief halten und somit Empathie und Aufmerksamkeit vorgaukeln, gibt es eben keine menschliche Nähe. „In Japan zum Beispiel erfahren Roboter gesellschaftlich eine ganz andere Akzeptanz als bei uns, da mag das gehen“, sagt Schröder.
„Die Frage muss aber auch lauten, wie wir mit den Bedürfnissen der Beteiligten umgehen“, sagt die Awo-Vorsitzende Andrea Meyer-Garbe. Und dabei geht es eben nicht nur um die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen, die sich natürlich eine enge und menschliche Betreuung wünschen. Es geht auch ganz konkret um die Bedürfnisse der Beschäftigten, die im aktuellen Alltag oft zu kurz kommen. Das wiederum sorgt für Unzufriedenheit, die wiederum Fluktuation in den Heimen nach sich zieht oder dafür verantwortlich ist, dass sich viele junge Menschen von vornherein gegen den Pflegeberuf entscheiden. „Ganzheitliche Pflege kann im Alltag oft nicht stattfinden, weil die Zeit nur für das Grundlegendste ausreicht“, erklärt sie das Dilemma.
Bezeichnend ist, dass Pflegekräfte bei Demos, bei denen sie auf die Belastungen in ihrem Beruf hinweisen, nicht primär bessere Gehälter fordern, sondern größere Personalschlüssel. Auch die Wohlfahrtsverbände würden gern andere Pflege anbieten. „Aber wie soll das funktionieren, ohne dass wir sofort in die Insolvenz gehen?“, fragt die Delmenhorster Awo-Vorsitzende. „Ich wünsche mir für die Podiumsdiskussion deswegen vor allem ein Brainstorming, dass wir nicht nur den Ist-Zustand beschreiben, sondern gemeinsam über Alternativen für die Zukunft nachdenken.“