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Praxen der medizinischen Versorgung Bis zu 80 Prozent weniger Umsätze

Praxen und Geschäfte der medizinischen Versorgung in Delmenhorst dürfen zwar noch geöffnet haben. Doch auch sie kämpfen derzeit mit deutlich zurückgegangenen Umsätzen.
14.04.2020, 08:25 Uhr
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Von Alexandra Wolff

Während zahlreiche Geschäfte und Dienstleister derzeit aufgrund der Corona-Krise geschlossen bleiben, gibt es insbesondere im Bereich der medizinischen Versorgung zahlreiche Praxen, in denen noch weiterhin Betrieb ist. Optiker, Hörgeräteakustiker, Logopäden, Orthopädietechniker und Physiotherapeuten – sie alle dürfen weiter arbeiten. Doch Patienten kommen kaum noch, was die Praxen und Geschäfte vor massive Probleme stellt.

Denn den Mindestabstand von anderthalb Metern einzuhalten, ist dabei nicht immer möglich. Wie etwa beim Optiker, wenn die Brille angepasst werden muss. „Wir bitten die Kunden dann, nicht zu sprechen – weil auch das zu einer Tröpfchenbildung führt“, erklärt Gregor Weigmann, einer der Geschäftsführer des Optikergeschäfts Weigmann-Brillen. „Inzwischen haben wir die Maßnahmen sogar noch verschärft“, erzählt er. So sollen die Kunden etwa beim Testen der Sehschärfe einen Mundschutz tragen. “Wir selbst tragen natürlich auch einen.“ Überhaupt soll sich nur noch ein Mitarbeiter im Laden befinden. Wird Kundschaft erwartet, sind es zwei. Die Mitarbeiter schließen auch vorübergehend die Tür ab, wenn sich zwei Kunden im Laden befinden. Ist der Kunde weg, desinfizieren die Mitarbeiter alles, was dieser berührt hat – von den Brillen, die er anprobiert hat, bis zum EC-Gerät.

Die Kunden sollen auch nur noch mit wichtigen Anliegen in den Laden kommen. „Wenn also ihre Brille kaputt ist oder die Gläser zerkratzt sind“, nennt Weigmann Beispiele. Brillen verkaufen sie nur, wenn es wirklich dringend ist. Schon auf der Internetseite werden Kunden darum gebeten, nicht in den Laden zu kommen, nur weil sie gerade Zeit haben, eine neue Brille zu kaufen. Diese Sicherheitsmaßnahme sorgt zwangsläufig für schlechtere Geschäfte. „Laut der Hochrechnung eines Kollegens werden wir Umsatzeinbußen von 50 bis 60 Prozent haben“, sagt Weigmann. „Meiner persönlichen Einschätzung nach liegen sie eher bei 70 Prozent. Aber noch haben wir einen gewissen Puffer, weil die Kunden noch mit Aufträgen in den Laden kommen, die sie vor 10 bis 14 Tagen aufgegeben haben.“

Mit Einbußen, allerdings zeitversetzt, rechnet auch Philipp Wieting, Inhaber der Orthopädietechnik Wieting. „Über 80 Prozent unseres Umsatzes kommt über die Krankenkassen“, erklärt er. „Unser Geld bekommen wir also erst vier Wochen nach dem Verkauf der Waren.“ Den Zustand in seinem Geschäft bezeichnet er als „zu ruhig“ und fügt hinzu: „Wir leben davon, dass unsere Kunden zu den Ärzten gehen. Aber die Kunden wissen natürlich, dass die Mediziner gerade andere Sachen zu tun haben. Deswegen ist die Hemmschwelle sehr hoch, zu einem Arzt zu gehen.“ Die Kundschaft sei um gut 70 Prozent zurückgegangen. Kurzarbeit habe er bereits beantragt. Von den zehn Mitarbeitern seien jetzt nur noch vier bis fünf vor Ort – aber nicht alle gleichzeitig. „Zuerst haben sich unsere Mitarbeiter Urlaub genommen“, sagt er. „Aber das ist natürlich kein erholsamer Urlaub. Mehr eine Zwangseinkerkerung.“ Er wolle auch die Zuschüsse für Selbstständige beantragen: „Aber das geht erst, wenn kein Geld mehr da ist.“

Geld ist auch ein Thema, das Mathias Prinz bewegt. Er ist Physiotherapeut beim Zentrum für ambulante Bewegungs- und Trainingstherapie (ZABT). „Wir verdienen so schlecht, sind immer das kleinste Rädchen im Getriebe und plötzlich sind wir wichtig und systemrelevant“, sagt er. Krankengymnastik und andere Behandlungen auf Rezept bieten er und seine Berufskollegen deswegen nach wie vor an. „Zuerst sollten die Patienten vorschriftsgemäß ein Attest ihres Arztes vorlegen, um zu beweisen, dass sich ihre gesundheitliche Situation verschlimmert, wenn die Therapie aussetzt“, erklärt er. „Aber davon wurde ganz schnell wieder abgesehen, als klar wurde, dass die Praxen das nicht auch noch hätten bewältigen können.“

Normalerweise muss der Patient zwei Wochen, nachdem er die Verordnung bekommen hat, mit der Therapie beginnen. Diese Frist sei – wie viele andere Fristen auch – aber verlängert worden. Prinz ist jeden Tag im ZABT. Die Tatsache, dass weniger Patienten kommen, nutzt er dazu, die „Termine so auseinanderzuziehen, dass sich die Leute einander nicht begegnen.“ Verschärfte Maßnahmen gibt es auch bei der Behandlung an sich, da eine Massage mit Mindestabstand schließlich unmöglich ist. „Bevor ich jemanden massiere, muss er sich desinfizieren. Ich selbst desinfiziere mich auch“, sagt der Physiotherapeut. „Die Halswirbelsäulen-Behandlung ist Face-to-Face, da trage ich einen Mundschutz. Auch bei älteren Patienten tue ich das. Gleich kommt ein Zahnarzt vorbei, der mir ein paar Mundschutze vorbeibringt.“

Auch Logopädin Dagmar Pelinka spricht von einem „völligen Einbruch“ des Geschäfts. Sie habe nur noch sechs Therapien in der Woche und sei nur noch in der Praxis, um Termine wahrzunehmen und Liegengebliebenes aufzuarbeiten. Ansonsten ist sie im Homeoffice. „Die Anträge kann ich auch von zu Hause aus stellen“, sagt sie. In ihrer Praxis ist für die Angestellten jetzt Kurzarbeit angesagt, eine junge Frau musste ihr Praktikum abbrechen. „Zum Glück informiert uns unser Verband über Hilfen in der Corona-Krise“, sagt sie. Zwischen jedem Termin liege jetzt eine Viertelstunde mehr Zeit. So kann auch sie dafür sorgen, dass sich die Patienten einander nicht begegnen und hat genug Zeit zum Desinfizieren. Draußen hat sie ein Schild aufgehängt, auf dem die Bitte steht, dass sich Patienten die Hände waschen und desinfizieren sollen. Kinder und Risikopatienten behandelt sie gar nicht mehr. „Ich habe keine Schutzmontur und bekomme auch keine“, sagt sie. Deswegen ist sie selbst kreativ geworden. „Ich habe meinen Therapietisch längs gestellt, jeder sitzt an einem Ende. So kann der Mindestabstand eingehalten werden“, erklärt sie.

Auch das Team der Hörstube berät und versorgt seine Kunden weiterhin. „Dabei haben wir engen Kontakt – nicht nur auf der Vertrauensbasis, sondern auch räumlich“, macht Jörg Witte, Inhaber des Hörgeräteakustikergeschäfts,deutlich. „Für Kunden und Mitarbeiter besteht jetzt dabei ein hohes Risiko.“ Nach wie vor kämen noch Kunden mit kaputten Hörgeräten, wegen dringend notwendiger Servicearbeiten oder weil sie neue Batterien bräuchten. Aber: Das Hörvermögen zu messen und das äußere Ohr abzuformen sei derzeit nicht möglich, damit komme das alltägliche Geschäft vollkommen zum Erliegen. „Es kommt nur noch ein Bruchteil an Kunden“, beschreibt er die Situation. Der Rückgang liege bei 70 bis 80 Prozent. Kurzarbeit hat er zum 1. April angemeldet, sagt Witte und ergänzt: „Ob wir Zuschüsse beantragen müssen, hängt von der Dauer der Maßnahmen ab.“

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