Das pedalbetriebene Zweirad ist gerade im Sommer ein beliebtes Fortbewegungsmittel. Auch die steigenden Treibstoffpreise lassen die Bereitschaft, das Auto mal stehen zu lassen, wachsen. Doch während der Ausbau von Radwegen in früheren Jahren mitunter zugunsten des Autos vernachlässigt wurde, plant man in Delmenhorst nun eine Umkehr und will in die Infrastruktur investieren und neue Wege schaffen. Einer Umfrage niedersächsischer Tageszeitungen und dem WESER KURIER zufolge, bewerten 68 Prozent der Befragten die Situation für Autofahrer als gut bis sehr gut und nur 33 Prozent die Situation als weniger gut bis schlecht. Bei den Radwegen sinkt der Wert bereits und liegt bloß noch bei 52 Prozent Zustimmung, 44 Prozent bewerten die Qualität der Radwege als mäßig bis schlecht. Dabei nutzen 46 Prozent der Befragten ihr Fahrrad mindestens mehrmals pro Woche bis täglich. Das Auto nutzen hingegen drei Viertel der Befragten mindestens mehrmals pro Woche bis täglich.

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In Delmenhorst, das hatte die Stadtverwaltung schon vor fast zehn Jahren erkannt, werde sehr viel mit dem Fahrrad gefahren, obwohl die Qualität der Radwege nicht optimal sei. Damals hatte die Stadtverwaltung ermittelt, dass das Fahrrad für ein Viertel aller in der Stadt zurückgelegten Wege genutzt wird. Ein Wert, der schon vor neun Jahren erhöht werden sollte. Sieben Jahre später wurde im Jahr 2020 dafür die erste von mehreren geplanten Radrouten durchs Stadtgebiet eingeweiht. Das Ziel, das mit den Radrouten verfolgt wird, ist klar: Übersichtliche Wegeverbindungen auf Straßen mit wenig Autoverkehr sollen Achsen von der Innenstadt in die Wohngebiete schaffen. Dafür wurden in Deichhorst der Stubbenweg, die Baumstraße, die Deichhorster Straße und die Delmodstraße zu Fahrradstraßen umgewidmet. Dort genießt das Zweirad seitdem Vorrang.
Radweg nach Lemwerder stockt
Vier weitere Routen seien bereits im Planungsprozess, und andere Routen, die ein schnelles und sicheres Fortkommen durch das Stadtgebiet ermöglichen, sollen ebenfalls noch kommen. Darunter auch die Umnutzung der alten Bahntrasse nach Lemwerder. Anfang dieses Jahres begannen die Bauarbeiten, das alte Gleisbett wurde entnommen und mit Schotter verfüllt. Doch seitdem geschieht wenig. Dies auch, weil die Gemeinde Lemwerder, auf deren Gebiet die Bahntrasse weiterläuft, im vergangenen Jahr aus der gemeinsamen Planung mit Delmenhorst ausgestiegen ist. Seitdem ist klar, würde Delmenhorst einen Radweg bis an die Stadtgrenze bauen, wäre dann Schluss, hinter der Stadtgrenze ein Abgrund.
Seitdem wird auch im Delmenhorster Stadtrat diskutiert, wie weit der Millionen teure Radweg gebaut werden soll: Die Grünen haben einen Antrag eingereicht, nach welchem die Trasse bereits in Neuendeel enden solle, nämlich dann, wenn der Weg aus Hasbergen kommend auf die Stedinger Landstraße trifft. Die verbleibenden etwa 2,7 Kilometer sollen zu Blühstreifen werden, jedenfalls nicht überbaut. Die Stadtverwaltung sieht das anders und will weiterhin bis an die Grenzen der Stadt bauen. Denn auch wenn der Radweg auf der Stedinger Landstraße in Richtung Lemwerder im vergangenen Jahr saniert wurde, er sei nach wie vor unterdimensioniert. Insbesondere dann, wenn die Zahl der Radfahrer steigen sollte. Deshalb sei eine parallele Streckenführung wünschenswert, so die Verwaltung.
Masterplan soll Entwicklung beschleunigen
Zwar treten die Grünen beim Radweg in Richtung Weser auf die Bremse, insgesamt wollen sie aber mehr Tempo. Gemeinsam mit der SPD haben sie einen Antrag eingereicht, die Stadtverwaltung solle einen Maßnahmenkatalog erstellen und ein Radverkehrskonzept auf den Weg bringen. Detlev Roß, stellvertretender Vorsitzender des Verkehrsausschusses und Sozialdemokrat, sieht es als eine Pflicht, den Radverkehr auszubauen: "Vor zehn Jahren wurde noch nicht so dringend über den Klimaschutz diskutiert wie heute." So helfe heute schon ein Blick auf die Preistafeln der Tankstellen, um die Motivation zu erhöhen, aufs Fahrrad zu steigen.
Zwar gibt auch Roß zu, dass die Ideen des Antrags nicht neu seien, aber nach beinahe zehn Jahren sei es Zeit, um neu über die Ideen zu sprechen. "Wir erleben gerade eine Hochphase des E-Bikes", sagt Roß. Allein dafür brauche es eine andere Infrastruktur als die mitunter nur 60 Zentimeter breiten Radwege, die im Stadtgebiet seit Jahrzehnten auf eine Sanierung warten.