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Ein Tag bei der Post Wie hart ist der Job als Zustellerin in Delmenhorst?

Bis 31 Kilogramm dürfen Pakete wiegen, die Zusteller bei der Deutschen Post DHL an Kunden ausliefern. Welch Knochenjob das Ausliefern solcher Sendungen ist, hat Redakteurin Kerstin Bendix-Karsten erfahren.
18.06.2024, 07:55 Uhr
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Wie hart ist der Job als Zustellerin in Delmenhorst?
Von Kerstin Bendix-Karsten

4955 zeigt der Schrittzähler auf meinem Smartphone. Es ist gerade einmal 12.05 Uhr und ich bin schon jetzt so viel gelaufen wie sonst an einem gewöhnlichen Wochentag insgesamt. Meine Füße fühlen sich dank bequemer Turnschuhe gut an. Doch meine rechte Hüfte schmerzt. Damit hatte ich nicht gerechnet. Michaela Kattau hat dafür eine einfache Erklärung: "Du bist falsch ein- und ausgestiegen", sagt die Zustellerin, die ich als Reporterin heute auf ihrer Tour durch Deichhorst begleite. Wie man richtig ins Fahrzeug hinein und wieder herauskommt, habe ein Physiotherapeut gerade erst einigen ihrer 168 Kollegen am Zustellstützpunkt der Deutschen Post DHL an der Annenheider Allee in Delmenhorst gezeigt.

Michaela Kattau hat mit ihrer Hüfte keine Probleme. Bei ihr ist es der Rücken, den sie spürt. "Ich müsste eigentlich etwas tun", weiß die 45-Jährige, die seit fünf Jahren als Zustellerin Pakete und Briefe zu den Empfängern in Delmenhorst bringt. Am schlimmsten seien Briefschlitze unten an der Tür. "Da muss man sich bücken", sagt sie. Diese Erfahrung bleibt mir an diesem Schnuppertag erspart. Ohnehin ist es ein ruhiger Tag, wie mir Michaela – wir haben uns aufs Du geeinigt – beim Beladen des Fahrzeugs erklärt.

Knapp 70 Pakete liegen auf zwei Rollcontainern bereit. Kollegen von Michaela haben diese für uns vorsortiert. Gemeinsam verladen wir die Pakete nun in dem uns zugeteilten Transporter, einen Mercedes Vito E. Platz genug ist allemal. Dennoch fühle ich mich an meine Kindheit und das Computerspiel Tetris erinnert. Denn das Entscheidende beim Verladen ist die Strategie. Jedes Paket muss an den richtigen Platz auf der Ladefläche – je nach Straße, in die es zu liefern ist. Das erspart einem später unnötige Zeit mit Suchen. Hinter die Schiebetür auf der linken Seite kommen die Pakete, die zuerst ausgeliefert werden. Die zuletzt verteilt werden, landen auf der gegenüberliegenden Seite.

Bis zu 31 Kilo schwer

Das Paket-Tetris überlasse ich der Fachfrau. Meine Aufgabe ist das Scannen der Pakete. Anfangs bin ich ein bisschen ungelenk, doch dann habe ich den Dreh raus. Paket um Paket reiche ich Michaela, die diese dann im Wagen verstaut. Nur eines packen wir zu Zweit an: das Schwergewicht unserer heutigen Auslieferung. 20 Kilo steht auf dem Label. Doch es geht grundsätzlich noch schwerer, wie Michaela mir erklärt. Bis zu 31 Kilo dürfen Pakete wiegen, die sie als Zustellerin zum Kunden bringt. Für solche Schwergewichte nimmt sie die Sackkarre, die es in jedem Postauto gibt. "Dazu bin ich mir nicht zu schade", betont Michaela. Eine Begrenzung der erlaubten Last auf 20 Kilo soll kommen, bislang ist dies aber nicht mehr als ein Entwurf.

Alles ist verladen. Wir liegen gut im Zeitplan. Es ist kurz vor 9 Uhr. Michaela ist entspannt. Meine Sorge, ich könnte ein Bremsklotz sein, verflüchtigt sich. Wir machen eine Pause mit Kakao und Kaffee. Dann schnappen wir uns die drei gelben Boxen mit Briefen, die Michaela bereits frühmorgens, bevor ich um 8 Uhr dazustieß, sortiert hatte. "Jede Straße hat eine Farbe. Das geht ratzfatz", erklärt sie. Dann geht es nach einem kurzen Fahrzeugcheck raus auf die Straße.

Der Wecker klingelt 4.40 Uhr

Ihren Dienst tritt Michaela, die auch Teamleiterin ist, um 6.30 Uhr an. "Mein Wecker klingelt um 4.40 Uhr", erzählt sie. Morgens brauche sie ihre Zeit – und ihren Kaffee. Ein Problem ist das frühe Aufstehen für sie nicht: "Ich bin keine Langschläferin." Selbst am Wochenende sei für sie um 7 Uhr die Nacht vorbei. Nach getaner Arbeit sei sie abends allerdings schon ziemlich kaputt. Dann liege sie auch mal um 20 Uhr im Bett. "Man ist schließlich den ganzen Tag draußen an der frischen Luft und bewegt sich", merkt sie an. In Spitzenzeiten kommt die 45-Jährige auf 20.000 Schritte an einem Tag. "Ein Fitnessstudio brauche ich nicht", sagt sie.

Obwohl der Job als Zustellerin körperlich anspruchsvoll ist, hat Michaela ihre Entscheidung, zur Deutschen Post zu gehen, nie bereut. Vor fünf Jahren kam die gelernte Einzelhandelskauffrau als Quereinsteigerin an den Zustellstützpunkt in Delmenhorst. In Vollzeit arbeitet sie 38,5 Stunden pro Woche rollierend an fünf von sechs Werktagen. Die Deutsche Post DHL bezahlt ihre Mitarbeiter in Delmenhorst, die allesamt festangestellt sind, wie Niederlassungsleiter Christoph Langer bei der Einweihung des neuen Zustellstützpunktes (wir berichteten) erklärte, nach Tarif. Für Zusteller liegt der Tarifstundenlohn seit April dieses Jahres bei 17,05 Euro. Überstunden gibt es nicht. "15 Minuten pro Tag, mehr nicht", so Jörg Gausmann, Leiter des Zustellstützpunktes in Delmenhorst. "Was man nicht schafft, schafft man eben nicht", bestätigt Michaela. Für sie wird um 15.30 Uhr Dienstschluss sein.

Klischee erfüllt: Biss vom Hund

Was genau die 45-Jährige an ihrem Job mag? "Ich finde es schön, draußen zu sein", sagt sie. Selbst bei Regen oder Eis. Man ist sein eigener Herr – oder in diesem Fall: Frau. "Niemand geht einem auf den Senkel", sagt sie schmunzelnd und ergänzt: "Ich habe auch noch nie etwas Negatives erlebt." Wobei das nicht so ganz richtig ist. Denn das typische Klischee eines Postboten hat sie schon erfüllt: Zwei Mal wurde sie von einem Hund gebissen. "Ich habe erst noch meine Pakete zu Ende ausgeliefert und bin dann ins Krankenhaus", erzählt sie. Angst hat Michaela trotz dieser Erfahrungen vor den Vierbeinern nicht. "Aber Respekt, wenn ein Hund frei herumläuft", sagt sie.

Als wir wenig später an einer Adresse in Deichhorst vier Pakte ausliefern wollen und nach dem Klingeln Hundegebell zu hören ist, wird mir etwas mulmig. Doch außer dem Bellen tut sich nichts – auch nicht nach dem zweiten Klingeln. Es ist niemand da. Michaela schreibt für jedes der vier Pakete eine Benachrichtigung. Später steckt sie die Sendungen dann in die Packstation.

Stammtour durch Deichhorst

In Delmenhorst kennt Michaela sich aus. "Ich kenne 20 Touren", sagt sie. Deshalb sei sie flexibel einsetzbar, wenn beispielsweise ein Kollege krank ausfällt. Ihre Stammtour führt durch Deichhorst. "Das ist eine schöne Tour, auch wenn man viele Laufwege hat", sagt sie. Für ihre Kunden hat Michaela dabei nur lobende Worte: "Es sind die nettesten Menschen, die es gibt." Mal gebe es einen Kaffee, mal eine Schokolade, im Sommer auch mal ein Eis. "Ich werde umsorgt", sagt Michaela schmunzelnd. Heute gibt es all dies nicht. Dafür werden wir reichlich mit Lächeln von dankbaren Kunden belohnt. "Die Leute haben Verständnis für unsere Situation. Wir sind schließlich auch nur Menschen", so Michaela.

Unser Transporter leert sich zusehends. Mit jedem neuen Auf- und Zuschieben der Seitentüren wird mein Arm schwerer. Je länger der Tag dauert, desto mehr schwinden meine Kräfte. Damit bin ich nicht allein. Michaela geht es ähnlich. "Am Ende eines Tages fühlen sich selbst leichte Pakete schwer an", sagt sie. Als Fazit nach meinem Schnuppertag bei der Deutschen Post DHL bleibt die Erkenntnis: Zusteller ist ein verantwortungsvoller Knochenjob.

Zur Sache

Neuer Zustellstützpunkt versorgt fast 74.000 Haushalte

An ihrem neuen Zustellstützpunkt an der Annenheider Allee in Delmenhorst hat die Deutschen Post DHL die drei Altstandorte – Mühlenstraße in Delmenhorst, Grüppenbührender Straße in Ganderkesee und Knechtsand in Huchting – zusammengelegt. 169 Mitarbeiter aus 71 verschiedenen Nationen sind dort für insgesamt 94 Zustellbezirke zuständig. Jede Woche verteilen sie rund 275.200 Briefsendungen und 40.900 Frachtsendungen an insgesamt 73.809 Haushalte in Delmenhorst (42.545), Ganderkesee (16.395) sowie den Bremer Ortsteilen Grolland, Kirchhuchtung, Mittelshuchting und Sodenmatt (14.869). Im Sommer sollen noch weitere Zustellbezirke folgen. „Deutschlandweit ist der Delmenhorster Zustellstützpunkt damit der viertgrößte“, erklärte Jörg Gausmann, Leiter dieses und weiterer Zustellstützpunkte, bei der offiziellen Eröffnung im Mai.

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